Kurator Hauser: «Ich will den Prozess so schnell wie möglich über die Bühne bringen»

ZUR PERSON

Marcel Hauser

Marcel Hauser (59) lebt mit seiner Familie in Zofingen. Er arbeitet als Sozialdiakon bei der reformierten Kirchgemeinde Oftringen und freiberuflich als Coach, Supervisor, Gemeinde- und Organisationsberater im kirchlichen und sozialen Bereich. Seit 2003 übernimmt er Kuratorien der reformierten Landeskirche Aargau. Seit Anfang Januar 2019 amtet er als Kurator (Sachwalter) der Kirchgemeinde Leerau.

Herr Hauser, im September wurde David Mägli, Pfarrer von Leerau, abgewählt. Anschliessend nahm die gesamte Kirchenpflege die Wahl nicht an. Dachten Sie bereits damals, dass nun Arbeit auf Sie zukommen würde?

Marcel Hauser: Nein. Ich empfand vor allem Bedauern. Ich bin seit fast 40 Jahren in der Reformierten Kirche aktiv und solche Ereignisse gehen mir emotional nahe. Erst im Dezember wurde ich vom Kirchenrat angefragt, ob ich die Kirchgemeinde Leerau betreuen möchte, solange bis eine neue Kirchenpflege gefunden ist.

Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie dieses Amt annehmen wollen?

Ich machte mir schon eine Zeit lang Gedanken. Ich bin zu je 50 Prozent selbstständig erwerbend und bei der Kirchgemeinde Oftringen angestellt. Grundsätzlich habe ich genug zu tun. Nach meinem Entscheid, die Aufgabe anzunehmen, habe ich meine anderen beruflichen Tätigkeiten zurückgestellt. Dies kann ich machen, indem ich Prozesse verlängere oder Aufträge nicht annehme. Zum Glück bin ich da flexibel.

Wie ging die Übergabe der Geschäfte in der letzten Woche vonstatten?

Es war eine Vertreterin des Kirchenrates und eine Juristin der kirchlichen Rechtsabteilung anwesend. Man erklärte mir die aktuelle Situation der Kirche Leerau, ihre Organisation und die verschiedenen Arbeitsbereiche. Und wir besprachen, welche Aufgaben in kurz- und mittelfristiger Zukunft auf mich zukommen.

Und, was steht zuoberst auf der Pendenzenliste?

Am Anfang geht es nun darum, den Betrieb der Kirchgemeinde aufrechtzuerhalten. Dafür muss man erst einmal mit allen Angestellten das Gespräch suchen und klären, wo allenfalls Unklarheiten bestehen. Ausserdem wurde nun befristet ein neuer Pfarrer mit einem 50-Prozent-Pensum angestellt. Dieser hatte beispielsweise Fragen, welche es zu klären gab.

Auf welchen Termin ist der Vertrag mit der neuen Pfarrperson befristet?

Der Vertrag erlischt automatisch, sobald eine neue Pfarrperson gewählt wurde. Bevor dies passieren kann, muss aber eine neue Kirchenpflege im Amt sein. Würde ich für die Gemeinde einen Pfarrer suchen, ergäbe dies keinen Sinn, denn die Kirchenpflege muss ja schliesslich mit der Pfarrperson gut zusammenarbeiten können, nicht ich. Sobald sich genügend Kirchenpflegemitglieder zur Wahl zur Verfügung stellten, bin ich dazu bereit, gemeinsam mit dem Gremium den Prozess für die Findung und die Wahl einer Pfarrperson einzuleiten.

Am Informationsanlass der Kirchgemeinde im Oktober war bei den Mitgliedern eine grosse Motivation zu spüren, möglichst rasch Leute zu finden und diese zur Wahl vorzuschlagen. Haben sich schon Interessierte bei Ihnen gemeldet? Gibt es gar eine Kampfwahl?

Eine Kampfwahl wäre natürlich super (lacht)! Leider hat sich aber noch niemand bei mir gemeldet. Sollte es Interessierte geben, wäre ich ihnen dankbar, wenn sie auf mich zukommen würden. Dann können wir den Prozess schnell aufgleisen. Wenn die Einarbeitungsphase bald hinter mir ist, werde ich aktiv auf die Gemeindemitglieder zugehen. Auf der Gemeindeseite der nächsten Ausgabe der Kirchenzeitschrift «Reformiert» habe ich bereits einen Aufruf gestartet.

Eigentlich könnte es Ihnen ja recht sein, wenn der Findungsprozess für eine neue Kirchenpflege lange dauert. Schliesslich verdienen Sie gutes Geld mit Ihrer Arbeit als Kurator.

Ich verstehe diesen Gedanken, faktisch wäre ich aber wirklich froh, wenn wir diesen Prozess so schnell wie möglich über die Bühne bringen könnten. Mir liegt es am Herzen, dass eine Kirchgemeinde aufblühen kann und sich ihre Mitglieder wohlfühlen. Meine Arbeit als Kurator mache ich wirklich nur, wenn Not herrscht.

Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie ungefähr für die Kirchgemeinde Leerau?

Das Engagement entspricht momentan etwa einem 20-Prozent-Pensum. Wie sich der Arbeitsaufwand entwickeln wird, hängt davon ab, wie einfach sich der weitere Prozess gestaltet. Je mehr Komplikationen auftreten, desto mehr Arbeit gibt es natürlich. Ich hoffe und bin optimistisch, dass innerhalb maximal eines Jahres eine neue Kirchenpflege gefunden ist.

An der Infoveranstaltung gab auch Ihr relativ hoher Stundenansatz zu reden? Wie viel bekommen Sie tatsächlich?

Der Stundenansatz beträgt 150 Franken. Dieser wurde vom Kirchenrat so festgelegt und gilt für alle Kuratoren. Die Frage ist, wie viele Stunden ich aufschreibe (lacht).

Sie haben nun die Übersicht über die Finanzen der Kirchgemeinde Leerau. Kann sie sich Sie als Kurator überhaupt leisten, ohne demnächst den Steuerfuss drastisch zu erhöhen?

Nein, das wird nicht notwendig sein. Bisher betrug das Pensum des Pfarramtes 100 Prozent, seit dem 1. Januar nur noch 50 Prozent. Es wurden gewisse Aufgaben des Pfarrers an andere Angestellte oder auch an Nachbargemeinden verteilt. Ich koste nicht 50 Prozent eines Pfarrerlohnes, deshalb wird der Finanzhaushalt der Kirchgemeinde nicht gleich auf den Kopf gestellt.

Werden die Mitglieder der Kirchgemeinde durch das Kuratorium irgendwelche Einbussen in Kauf nehmen müssen?

Das kirchliche Leben wird möglicherweise nicht zu 100 Prozent aufrechterhalten werden können. Denn die abtretenden Mitglieder der Kirchenpflege hatten auch praktisch einiges geleistet. Beispielsweise für den Basar oder den Suppentag. Dieser Einsatz wird schwer zu kompensieren sein. Doch glücklicherweise werden diese Personen auch weiterhin am kirchlichen Leben teilnehmen, einfach ohne Verantwortung zu übernehmen.

Nun suchen Sie aber Leute, die genau diese Verantwortung tragen wollen. Sie dürfen nun eine Art Werbespot halten. Weshalb lohnt es sich für ein Leerber Gemeindemitglied, sich in der Kirchenpflege zu engagieren?

Die Kirche macht viel Gutes, gerade im sozialen Bereich, für Senioren oder für Kinder. Sie gilt als Botschafterin für Hoffnung, Glaube und Liebe. Für die Gesellschaft und für ein Dorf ist es wichtig, dass es Organisationen gibt, die dieses soziale Engagement und den Glauben weiter pflegen. Ein Amt in der Kirchenpflege ist eine schöne und in aller Regel auch dankbare Aufgabe. Man kann mitgestalten und Gutes bewirken.