Kurz-Schluss: Wird der Ex-Kanzler jetzt vor Gericht gezerrt? Die Antworten auf die 7 wichtigsten Fragen

Hausdurchsuchungen im Finanzministerium, der Parteizentrale und an den Privatadressen von Kurz-Vertrauten waren dann anscheinend doch etwas zu viel. Am Samstagabend zog Sebastian Kurz zumindest die Konsequenzen aus der Affäre um geschönte und mit Staatsgeldern finanzierte Umfragen sowie um erkaufte Jubelberichterstattung in der österreichischen Boulevard-Presse: Der 35-Jährige trat als Bundeskanzler zurück. ÖVP-Chef wird er allerdings bleiben und der Tagespolitik wird er künftig als Fraktionsführer der ÖVP im Parlament erhalten bleiben. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist am Wochenende passiert?

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat am Samstagabend seinen Rücktritt erklärt. Der 35-jährige Regierungschef der ÖVP ist damit auf die Forderung der Opposition und seiner Koalitionspartnerin, der Grünen Partei, eingetreten. Grund für die Rücktrittsforderungen sind neue Korruptionsvorwürfe an die Adresse von Kurz und seiner Entourage, in den vergangenen Jahren Wahlumfragen geschönt und Zeitungsredaktionen geschmiert zu haben.

Was genau wird Sebastian Kurz vorgeworfen?

In bereits zwei Ermittlungsverfahren wird Kurz als Verdächtiger geführt. Das eine Verfahren betrifft eine mutmassliche Falschaussage vor dem Parlament im Zusammenhang mit der Einsetzung des Vorstandes der staatlichen Beteiligungs-AG ÖBAG. Das andere Verfahren dreht sich um Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue im Zusammenhang mit frisierten Studien und manipulierter Medienberichterstattung über seine eigene Person.

Hat Kurz seine Schuld eingestanden?

Nein. Er weist nach wie vor alle Vorwürfe von sich und zeigt sich überzeugt, dass sich die Anschuldigungen als falsch erweisen werden. Er sei zum Wohle des Landes zurückgetreten, sagte Kurz in seinem Statement. Die aufgetauchten Chatnachrichten, in denen Kurz führende Politiker seiner Partei etwa als «Arsch» titulierte, entschuldigte er mit dem Verweis, er sei «halt auch nur ein Mensch».

Wird Sebastian Kurz jetzt der Prozess gemacht?

Vorerst nicht. Kurz’ Abgang aus der Regierung und sein Einzug in den Nationalrat haben vor allem eine Debatte befeuert: Die, ob Kurz jetzt als Parlamentarier Immunität geniesst oder nicht. Rein formell gilt für Kurz nach Auffassung einer Mehrheit der Rechtsgelehrten die parlamentarische Immunität. Diese deckt auch etwaige Taten ab, die vor der Parlamentarier-Tätigkeit geschahen. Über eine Aufhebung der Immunität wiederum müsste der Immunitätsausschuss im Parlament entscheiden.

Kurz hat bereits in Aussicht gestellt, seine parlamentarische Immunität ablegen zu wollen. Doch auch wenn er sie behalten würde, bliebe die Sachlage umstritten. «Immunität ist ein Verfolgungshindernis, aber kein Strafausschliessungsgrund», sagt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Da es sich bei den gegenwärtigen Ermittlungen nicht nur um Kurz selber, sondern auch um seine Entourage dreht, die keine parlamentarische Immunität geniesst, könnten die Ermittlungen ungehindert weitergehen.

Was macht Sebastian Kurz jetzt?

Er wird ins Parlament wechseln und dort den Fraktionssitz der ÖVP übernehmen. An der Haltung der ÖVP-Regierungsmannschaft gegenüber Kurz hat sich mit dem Abgang des Kanzlers am Samstag nichts geändert. Die ÖVP-Minister halten weiterhin geschlossen zu ihrem Parteichef. Nur vereinzelt regt sich Widerstand in der Partei. Erst im August war Kurz beim Parteitag der ÖVP mit 99,4 Prozent als Parteichef bestätigt worden.

Wie geht es in Österreich weiter?

Mit Kurz’ Rücktritt ist die unmittelbare Krise um den drohenden Zerfall der Regierungskoalition zwischen der ÖVP und den Grünen zunächst einmal abgewandt. Grünen-Parteichef Werner Kogler hat angekündigt, mit der ÖVP weiterregieren zu wollen. Sebastian Kurz selber hat seinen 52-jährigen Aussenminister Alexander Schallenberg als Nachfolger für das Amt des Regierungschefs vorgeschlagen.

Die Koalitionspartner haben angekündigt, Schallenberg als «untadelige» Person im Amt zu akzeptieren. Es ist allerdings nach wie vor unklar, wie lange der Umbau der Regierung dauern wird.

Kurz hat im In- und Ausland nach wie vor viele Anhänger. Woran liegt das?

Die ÖVP galt als eine Partei ergrauter Damen und Herren, als Sebastian Kurz vor rund zwölf Jahren die nationale Politbühne betrat. Plötzlich hatte die Volkspartei einen jungen Politiker in ihren Reihen, mit dem sich Wahlen gewinnen liessen. Dabei war Kurz immer auch Showman: Etwa, als er im Wiener Wahlkampf 2010 mit dem Slogan «Schwarz macht geil» warb und mit dem «Geilomobil», einem Kampagnen-Fahrzeug, lasziv posierend durch Wien tingelte – vielfach belächelt, aber eben einprägsam.