Leider sind Wahlen – zum Glück sind Wahlen

Am Strassenrand sehen wir sie: Die Plakate mit den Kandidatinnen und Kandidaten, die nach Bern drängen. Für die bestehenden Parlamentarier geht es um die Wiederwahl in ein prestigeträchtiges Amt. Keiner will nun einen Fehler machen und seine Wählerinnen und Wähler enttäuschen. Deshalb glänzt das Parlament in Wahljahren nicht durch Entscheidungsstärke. Eines der Themen, vor dem man sich drückt, ist das Institutionelle Rahmenabkommen. Für die Schweiz ein sehr wichtiges Abkommen, das man, je nach Sichtweise, unterschiedlich beurteilen kann. Ich bin mit meiner Unternehmung als Hersteller von Medizinprodukten (Exportanteil von 85 Prozent) sehr stark betroffen. Bisher waren die Medizinproduktehersteller in der Schweiz jenen in Europa gleichgestellt. Dies dank dem «Mutual Recognition Agreement (MRA)». Dieses Abkommen wird periodisch nachgeführt und damit werden die Schweizer Regulierungen den Europäischen gleichgestellt. Die EU hat nun die Nachführung dieses Abkommens ausgesetzt, bis das Rahmenabkommen unterzeichnet wird. Die Konsequenz: Alle Schweizer Hersteller von Medizinprodukten werden ab Mai 2020 nicht mehr ungehindert in die EU exportieren und ihre Kunden direkt beliefern können. Die Schweiz wird zum Drittland. Die Hersteller in der Schweiz müssen ab diesem Zeitpunkt einen Importeur bezeichnen und einen Bevollmächtigten ernennen. Dies bedeutet einen veränderten Warenfluss, andere Verrechnungen etc. Es bedeutet aber auch, dass der Bevollmächtigte und der Importeur auf dem Produkt genannt werden müssen. Dies heisst für meine kleine Unternehmung: 20 000 Etiketten anpassen, einen Importeur suchen, die Kunden künftig durch den Importeur beliefern und nicht mehr direkt. Genau dieselbe Problematik haben alle Schweizer Hersteller von Medizinprodukten. Schade also, sind Wahlen! Wichtige Entscheide werden vertagt, mit nachhaltig negativem Effekt.

Für die Hersteller von Medizinprodukten bedeutet es, in den nächsten Tagen zu entscheiden und dann in den verbleibenden acht Monaten das ganze Projekt umzusetzen. Ich weiss, dass diese Projekte bei den Schweizer Herstellern von Medizinprodukten angelaufen sind. Dadurch werden Produktionen direkt in die EU verlagert, damit der Zugang zum Europäischen Markt (bei mir 54 Prozent des gesamten Umsatzes) sichergestellt werden kann. Wenn der Zug in den Firmen in diese Richtung rollt, kann er nicht mehr gestoppt werden und die Arbeitsplätze werden nicht mehr zurückkommen.

Was hat das mit den Wahlen zu tun? Sehr viel! Ich habe für mich eine klare Wahl getroffen. Ich wähle keinen einzigen Politiker, der sich nicht klar zum bilateralen Weg und zum Rahmenabkommen ausspricht. Zu viel steht da auf dem Spiel. Schade, dass dies die meisten heutigen Stände- und Nationalräte nicht sehen wollen. Wenn jetzt Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, kommen sie nicht mehr zurück. Deshalb: Gut sind Wahlen. Wir können dies nutzen, um eine Richtungsänderung vorzunehmen. Es ist wichtig für eine Schweiz, die nicht nur aus Fahnenschwingen besteht.

Felix Schönle, Inhaber Wernli AG, Verbandstoffe, Rothrist