Littering: Jetzt werden Abfallsünder noch stärker zur Kasse gebeten

Die Schweiz hat ein Güsel-Problem. 30 Prozent des im öffentlichen Raum produzierten Abfalls landet nicht in den Abfallkübeln, sondern werden achtlos weggeworfen. Mit dem so genannten Littering kämpft auch Freiburg. Nun geht der Kanton Freiburg in die Offensive. Mit einer Anti-Littering-Kampagne mit Inseraten und Plakaten soll die Bevölkerung für die fachgerechte Entsorgung ihres Abfalls sensibilisiert werden.

Die Offensive kommt nicht von ungefähr. Denn Freiburg hat per Anfang Jahr das Reglement über die Abfallbewirtschaftung geändert. Dazu gehören neue Ordnungsbussen, die SP-Staatsrat Jean-François Steiert am Donnerstag zusammen mit Polizei- und Behördenvertretern den Medien vorstellte.

Konkret: Wer kleine Abfälle wie Zigarettenkippen, Kaugummis oder Flaschen wegwirft oder liegenlässt, wird neu mit 50 Franken bestraft. Bei einer Häufung solcher Kleinabfälle werden 150 Franken fällig. Laut Steiert seien vor allem in Naherholungsgebieten wie dem Murten- oder Greyerzersee Stimmen laut geworden, die sich von der Regierung ein härteres Durchgreifen wünschten, um das Güsel-Problem einzudämmen. «Im Sommer kämpfen viele Regionen mit Abfällen, die von den Leuten einfach liegengelassen werden», sagt Steiert.

Eine nationale Littering-Regelung scheiterte im Nationalrat

Eine nationale Regel im Kampf gegen Abfallsünder gibt es bis heute nicht. Dabei schien es vor drei Jahren noch so, als wäre eine solche politisch machbar. Schliesslich fallen jährlich schweizweit rund 200 Millionen Franken an für die Reinigung von Böden und Gewässern an. 2016 planten die Umweltpolitiker von National- und Ständerat eine Busse von mindestens 100 und maximal 300 Franken einzuführen. Sowohl die beiden Fachkommissionen der beiden Räte, sowie der Bundesrat und eine Mehrheit der Kantone hatten sich für diese Regelung ausgesprochen.

Doch dann versenkte der Nationalrat die Vorlage knapp. Seither wird das achtlose Wegwerfen von Abfall im öffentlichen Raum je nach Kanton unterschiedlich oder gar nicht gebüsst. Teilweise sind gar die Gemeinden für den Bussenkatalog zuständig. Das Resultat ist ein Flickenteppich an kantonalen Regelungen. Nicht einmal das Bundesamt für Umwelt hat eine genaue Übersicht.

Im Aargau gibt’s eine Busse von bis zu 300 Franken

Im Kanton Aargau zum Beispiel beschloss der Grosse Rat vor einem Jahr, dass Abfallsünder härter angegangen werden sollen. Anfang 2020 ist das Gesetz in Kraft getreten. Seither kann die Polizei ertappte Abfallsünder mit einer einheitlichen Ordnungsbusse von 300 Franken belegen. Der Aargau ist damit heute Schweizer Spitzenreiter in Sachen Ordnungsbussen, zusammen mit dem Kanton Uri. Zuvor galten die kommunalen Polizei-Reglemente. In den meisten Gemeinden mussten Abfallsünder mit Bussen zwischen 40 bis 100 Franken rechnen.

In den meisten Kantonen sind die Bussen nicht höher als 80 Franken. So viel kostet zum Beispiel das Littering in Form von Zigarettenstummeln und Spucken in Zürich. In Lausanne muss man allerdings mit einer Busse von 150 Franken rechnen, falls man einen Zigarettenstummel auf die Strasse wirft oder einen Hundekot liegen lässt. Auf den Boden Spucken kostet 110 Franken, und das öffentliche Harnlassen 200 Franken.

Der Kanton Bern erhöhte die Bussen Anfang 2018 drastisch. So kostet das Liegenlassen von Hundekot 150 statt wie zuvor 80 Franken. Und wer die Energydrink- oder Bier-Dose nicht sachgemäss entsorgt, muss 80 Franken bezahlen – doppelt so viel wie gemäss dem früheren Reglement.

Im Thurgau kommen die Abfallsünder billiger davon in Bezug auf Kleinabfälle wie Kaugummi, Zigarettenstummeln, Essensreste oder Verpackungen. 50 Franken fallen dabei ein. Wer jedoch grössere Mengen an Abfall falsch entsorgt, zum Beispiel Kehrichtsäcke, muss mit 250 Franken rechnen. In der Zentralschweiz, namentlich in den Kantonen Zug, Schwyz und Obwalden, kostet der Strafzettel zwischen 50 und 100 Franken.

Nicht gebüsst wird bis heute anderem in Appenzell Ausserrhoden. Im Ostschweizer Halbkanton rechtfertigte die Regierung das Ausbleiben einer Strafe damit, dass Appenzell Ausserrhoden kein städtisch geprägter Kanton ist und kaum jemand so blöd sei, den Abfall vor den Augen eines Polizisten wegzuwerfen.

Eine erzieherische Massnahme kommt im Kanton Solothurn zum Zug: Wer von der Polizei in flagranti erwischt wird und keine Reue zeigt, bekommt 20 Franken aufgebrummt – zusätzlich zur 40-Franken-Busse für Kleinabfälle oder jener für Hundekot in der Höhe von 80 Franken.

Neuer Anlauf für schweizweite Lösung

Möglicherweise wird dieser Flickenteppich aber nicht Bestand haben. Denn nun setzt sich der Bundesrat wieder mit einer nationalen Bussen-Lösung auseinander. Der Freiburger FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois hat eine Motion eingereicht, in der er Massnahmen gegen Littering fordert. Unterschieden werden soll dabei zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Eine nationale, aber zweistufige Bussen-Regel also.

Pikant: Es war bereits 2016 Bourgeois, der mit einer Motion ein nationales Littering-Gesetz verlangte. Bekanntlich ohne Erfolg. Nun wagt er einen weiteren Versuch. In seinem Antrag schreibt er, dass noch immer Abfälle im grossen Stil einfach weggeworfen würden. Das schade nicht nur dem Image der Schweiz, sondern führe auch zu Umweltbelastungen. So enthielten Zigarettenstummel beispielsweise Mikroplastik.

Im ländlichen Raum würden Aluminium-Dosen zudem Probleme für die weidenden Kühe darstellen. Diese essen die Dosen zwar nicht absichtlich. Doch beim Mähdreschen werden auch die Dosen zerkleinert, geraten so ins Futter der Kühe und somit auch in ihren Magen. In den meisten Fällen müssen die Tiere laut Bourgeois geschlachtet werden. Der Bundesrat befürwortete die Motion im November.

Unklar bleibt, wie hoch eine allfällige nationale Ordnungsbusse ausfallen würde. Sie dürfte allerdings kaum so teuer werden wie in Singapur. Im wohlhabenden Stadtstaat, oft auch als Schweiz Asiens bezeichnet, gelten besonders strikte Littering-Regeln. Wer eine Kaugummi-Verpackung oder einen Plastikbecher auf die Strasse wirft, wird mit bis zu 1000 Singapur-Dollar gebüsst (720 Franken). Wer ein drittes Mal erwischt wird, muss mit 3600 Franken rechnen – oder sogar einer Gefängnisstrafe.

«In Freiburg bleiben wir bei maximal 150 Franken», sagt Staatsrat Jean-François Steiert. «Für singapurische Verhältnisse gäbe es bei uns im Gross Rat wohl kaum eine Mehrheit.»

Wie schlimm ist das Littering in der Schweiz?

Interview mit Philipp Rohrer, Greenpeace Schweiz: «Es braucht keine nationale Bussenregelung»

Die Schweiz hat durchaus ein Littering-Problem – im Alltag zeigt sich das vor allem an Orten, an welchen viel Take-Away-Food gegessen wird, im öffentlichen Verkehr und in den Wiesen entlang von Strassen. Erschreckend sind auch immer wieder die Abfallberge, welche sich in den Strassen, in Parks und auf Wiesen auftürmen nach Grossveranstaltungen wie Musikfestivals oder Stadtfesten. Das Problem ist vielleicht etwas weniger sichtbar als in anderen Ländern, aber das hängt vor allem mit den gut funktionierenden Reinigungsdiensten zusammen. Dadurch verursacht Littering aber auch hohe Kosten für Städte und Gemeinden.

Braucht es Bussen für Abfallsünder?

Bussen für Littering sind als letztes Mittel sicher richtig, um Verstösse gegen die entsprechenden Gesetze auch sanktionieren zu können. Eine Anti-Littering-Strategie darf aber nicht nur auf Bussen setzen. Sie muss vor allem darauf ausgerichtet sein, unsere Wegwerfkultur zu beenden und sicherstellen, dass Abfälle erst gar nicht erst in die Umwelt gelangen.

Was müsste die Politik tun?

Städte und Gemeinden müssen festlegen, dass öffentliche Veranstaltungen auf ihrem Boden zwingend Mehrweggeschirr und -becher einsetzen müssen. Dies ist in Bern und anderen Städten bereits heute der Fall. Take-Away-Betriebe sollen ihr Essen standardmässig in Mehrweggeschirr mit Depot verkaufen. Wer ein Einweggeschirr möchte, soll dafür extra bezahlen. Viele Betriebe akzeptieren heute Mehrweggeschirr oder bieten es sogar selber an. Leider ist die Einwegverpackung aus Plastik oder plastifiziertem Karton aber noch allzu häufig der Normalfall.

Bräuchte es wenn schon einen nationalen Bussenkatalog?

Eine nationale Bussenregelung braucht es meines Erachtens nicht. Was die Schweiz braucht ist eine nationale Mehrweg-Strategie. An Veranstaltungen im öffentlichen Raum und bei der Take-Away-Verpflegung sollen Mehrweggeschirr und -flaschen zum Standard werden.

Interview: Benjamin Weinmann.

Das Interview wurde schriftlich geführt.