Lockerung der Corona-Massnahmen? Das sagen Aargauer Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände

Gestern forderte SVP-Nationalrat Thomas Burgherr spätestens ab 20. April ein sukzessives Wiederhochfahren der Wirtschaft. Wie reagieren Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände? Bei der Gewerkschaft ArbeitAargau fühle man sich nicht in der Lage, eine fundierte Risikoabschätzung zu machen, sagt Geschäftsführerin Selina Egger: «Wir können nicht beurteilen, wann man welche Massnahmen wie lockern beziehungsweise die Wirtschaft wieder hinauffahren kann.»

Die Lage sei schwierig, bei ArbeitAargau vertraue man aber darauf, dass Bund und BAG die richtigen Entscheidungen treffen. «Die Massnahmen sollen solange greifen, wie es nötig ist, und aufgehoben werden, sobald es vertretbar ist.» Sollten sie verlängert werden, wäre wichtig, dass der Bund auch zusätzliche Mittel bereitstellt, so Egger, «und dass dabei Arbeitnehmende, Kulturschaffende und Selbstständigerwerbende keinesfalls vergessen gehen».

Die Rechtsberatung der Aargauer Gewerkschaften hatte vor einer Woche sehr viele Anfragen zu Kurzarbeit. Bisher mache man die Erfahrung, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oftmals selbst mit dieser aussergewöhnlichen Situation überfordert seien, so Egger.

Gewerbe will keinen Aargauer Sololauf

Die Coronakrise war am Wochenende das grosse Thema einer telefonischen Präsidiumskonferenz des Aargauischen Gewerbeverbands (AGV). «Wir müssen den Verlauf der Pandemie abwarten», fasst AGV-Präsident Kurt Schmid das Ergebnis zusammen, und: «Aus heutiger Sicht wäre eine Lockerung der Massnahmen falsch.» Es gebe ja weiterhin eine Zunahme von Ansteckungsfällen, gibt Schmid zu bedenken.

Die Wirtschaft solle und müsse so lange und so gut wie möglich funktionieren, sagt der AGV-Präsident weiter: «Aber wir unterstellen uns wie der aargauische Regierungsrat klar den in Bern beschlossenen Massnahmen. Wir haben die Pflicht, diese umzusetzen. Das tun wir. Wir wollen auch keinen Aargauer Sololauf.» So oder so ist für den Präsidenten des Aargauischen Gewerbeverbandes klar, «dass es Sache des Bundes ist, über die weiteren Massnahmen zu entscheiden».

Hochqualifizierte Monteure reinzuholen fast unmöglich

Anders tönt es bei der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK). Direktor Beat Bechtold würde es begrüssen, «wenn der Lockdown und die damit einhergehenden Vorschriften und Verbote sukzessive gelockert werden könnten. Natürlich unter entsprechenden gesundheitlichen Sicherheitsmassnahmen und deutlich mehr Tests, um infizierte Personen sofort in Quarantäne schicken zu können».

Es hänge wesentlich davon ab, wie sich die Fallzahlen weiter entwickeln. Zudem müsse der Gesundheitsschutz zwingend sichergestellt werden können. Die Wirtschaft habe grosse Anstrengungen unternommen und stringente Hygienemassnahmen eingeführt, auf Schichtbetrieb umgestellt, Home-Office ermöglicht.

Doch mit längerer Dauer des Lockdowns zeigten sich immer neue Probleme. Inzwischen sei es beispielsweise fast unmöglich, hoch qualifizierte Monteure von Anlagenlieferanten im Ausland zu holen, um komplexe Maschinen und Anlagen zu reparieren. Zurzeit gebe es solche Bewilligungen – wenn überhaupt – nur für Branchen in der Grundversorgung. Es sei äusserst wichtig, so Bechtold, «zeitnah deutlich mehr Personen zu testen, um Klarheit zu schaffen, wer infiziert ist und wer nicht».

Die Verunsicherung in den Betrieben, wo zahlreiche Mitarbeitende während Tagen in Fabrikhallen gemeinsam arbeiten, sei ungemein gross, wenn Mitarbeitende wegen Husten- oder Fiebersymptomen in Selbstisolation geschickt werden. Deshalb fordert Bechtold: «Alle Personen, die noch gemeinsam in Teams in Fabrikhallen oder Büros arbeiten müssen, sollen bei klaren Symptomen zeitnah getestet werden können, unabhängig davon, ob sie zu einer Risikogruppe gehören.»