Ludwig «Ludi» Meyer: Vom Hausierer zum Dorfkönig von Reiden

Rechnung des Versandhauses nach Übernahme durch Emil Meyer; das Bild links zeigt die Liegenschaft an der Hauptstrasse 34.
Rechnung des Versandhauses nach Übernahme durch Emil Meyer; das Bild links zeigt die Liegenschaft an der Hauptstrasse 34.
Eine Ecke ist dem Restaurant Isebähnli gewidmet.
Eine Ecke ist dem Restaurant Isebähnli gewidmet.

Es klingt wie ein amerikanisches Märchen, in dem der Protagonist vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigt – nur spielt die Geschichte in Reiden: Die Karriere von Ludwig «Ludi» Meyer begann bescheiden. Der 1856 in Triengen als Sohn des Gemeindeammans geborene Ludwig war zuerst als Hausierer unterwegs, der von Tür zu Tür ging und Waren des täglichen Gebrauchs aus seinem Rucksack feilbot. Das änderte sich 1881, als er ein Versandhaus gründete, das schon bald in die ganze Schweiz liefern sollte. Das Angebot war vielfältig und reichte von Möbeln, Besteck oder Lampenzubehör über Kinderwagen und Küchengeräte bis zu Schusswaffen oder selbst verlegten Postkarten. Um seine Waren zu bewerben, gab der Geschäftsmann jährlich einen «Jahreskalender» heraus, der in die Haushalte verschickt wurde und gleichzeitig als Katalog diente.

Überbleibsel des Versandhauses gefunden

Als Versandhaus brauchte das Meyer-Ludi-Imperium zwar keine Ladenfläche, aber durchaus ein Lagerhaus: 1889 entstand deshalb an der Hauptstrasse 34 in Reiden ein grosses Gebäude, in dem die Waren auf den Verkauf und Versand warteten. Heute beherbergt das Haus Wohnungen, einige Geschäftsflächen – und ein kleines Museum, das die Geschichte des findigen Reiders bewahrt: Das «Musée34» wurde von Hanspeter Wyss gegründet, der die Liegenschaft 1985 erwarb und im Haus selbst Überbleibsel dieser Reider Geschichte fand. So zum Beispiel ein altes Seil, das einst zum handbetriebenen Warenlift gehörte. «Weil der Boden leicht abschüssig ist, konnte man die Waren beim Lift auf kleine Wagen laden, gab diesen einen Schubs, und sie rollten von selbst durch das ganze Lagerhaus», weiss er zu erzählen. Auch wie das Versandhaus funktionierte, kann der ehemalige Elektrofachmann anhand von Sammlungsgegenständen erklären und zeigt neben Jahreskalendern mehrerer Jahrgänge die einfachen Postkarten, die zum Bestellen verwendet wurden.

Arbeiter mit eigener Währung bezahlt

Von den unzähligen einst feilgebotenen Waren hat Hanspeter Wyss – gezwungenermassen – nur eine kleine Auswahl, zum Beispiel gusseiserne Tischbeine, Ersatzgläser für Öllampen, Besteck oder Aschenbecher. «Alles, was Ludi Meyer verkaufte, trug seinen Namen», kommentiert er die Gegenstände und weist auf den Schriftzug im Eisen bei einem Tisch, den er aus dem alten Restaurant Isebähnli hat. «Interessant dabei ist, dass er seinen Namen ursprünglich mit i schrieb, irgendwann um 1900 aber auf Meyer mit y wechselte», führt Hanspeter Wyss aus. Zu seiner Sammlung gehören auch diverse Münzen, die von Meyer Ludi in Reiden geprägt wurden, wahrscheinlich aus Messing. Die dünnen Metallscheibchen unterschiedlicher Grösse tragen Zahlenwerte von 5, 10, 20, 50, 100 oder 300 und manche sind mit der Prägung «Werth-Marke» beschriftet. Das sogenannte Meyer-Ludi-Geld, von dem auch Noten existierten, wurde den Arbeitern als Lohn ausbezahlt. Einlösen konnten sie es natürlich nur in den zum Firmenimperium gehörenden Geschäften. Wollten sie etwas kaufen, das diese nicht anboten, zum Beispiel Fleisch, mussten sie die firmeneigene Währung bei Meyer Ludi wechseln lassen.

Die Blütezeit jedoch war nicht von Dauer: Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das nun von Ludwigs Sohn Emil Meyer geführte Versandhaus verkauft und in ein Kaufhaus umgewandelt, welches noch bis circa 1970 unter dem Namen Kronenberg bestand. Von den zum Imperium gehörenden grossen Meyer-Gebäuden, welche einst das Dorfbild von Reiden prägten, wurden die meisten abgerissen und der Name «Ludwig Meyer» geriet – zumindest in Verbindung mit dem Handelsimperium – langsam in Vergessenheit. Nicht überall, zum Glück: Passionierte Sammler wie der Reider Hanspeter Wyss mit seinem «Musée34» oder der Langnauer Heinrich Häfliger vom Dorfmuseum Langnau, Mehls-ecken, Reiden bewahren mit ihren gesammelten Gegenständen, den Nachforschungen und Aufzeichnungen ein Stück Reider Geschichte, das einst ins ganze Land ausstrahlte.

Besichtigungen des Musée34 sind auf Voranmeldung unter Tel. 079 242 65 42 möglich.