«Luzerner Kulturlandschaft»: Alles wächst – nur der Boden nicht

Siedlungen verdrängen Landwirtschaft

Mit einer Fläche von 78 779 Hektaren prägen die landwirtschaftlichen Nutzflächen das Luzerner Landschaftsbild. Wie Statistik Luzern (Lustat) gestern mitteilte, stellen sie mit 53 Prozent der Kantonsfläche noch immer den grössten Bereich dar. Die Landwirtschaftsflächen aber gehen laufend zurück. Seit den 1980er-Jahren ging in der Landwirtschaft eine Fläche verloren, die eineinhalb Mal so gross ist wie das Luzerner Stadtgebiet. M Vom Verlust an landwirtschaftlichen Nutzflächen sind die Obst-, Reb- und Gartenbauflächen (Minus 49,2 Prozent) am stärksten betroffen. Ackerflächen und Wiesen, die den grössten Teil der Landwirtschaftsflächen im Kanton Luzern ausmachen, sind um 2 Prozent zurückgegangen.Der Rückgang erfolgte grösstenteils zugunsten des Siedlungswachstums. In den ländlichen Regionen wächst der Siedlungsflächenkonsum prozentual deutlich stärker als in den städtischen Gebieten. (SDA)

Das Ziel der Initianten der Vorlage «Luzerner Kulturlandschaft» ist deutlich: Sie wollen der Ausdehnung von Siedlungsflächen und dem Verlust von Kulturland entgegenwirken; den Boden für die regionale Produktion von gesunden Lebensmitteln und für die Selbstversorgung nachhaltig sichern sowie eine Vielfalt von naturnahen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere erhalten und fördern. Zudem wollen sie eine Landschaft mit reizvoller und wohnlicher Siedlungsentwicklung, die sich in das Landschaftsbild einordnet. Die kantonale Landschaft und die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen sollen ferner besser geschützt werden – auch zum Nutzen der kommenden Generationen. Für die Initianten sind das angesichts der Bevölkerungs-, Verkehrs- und Besiedlungszunahme wichtige Massnahmen – und es eilt ihnen. Gemäss Bundesrecht muss der Kanton Luzern 27 500 Hektaren Fruchtfolgefläche ausscheiden, Ende 2016 waren 27 533 Hektaren gesichert, 2015/16 gingen 22,4 Hektaren an Fruchtfolgeflächen verloren, und zurzeit beträgt die Reserve noch 33 Hektaren. «Unsere Kulturlandschaft steht unter Druck», lautete das Thema des öffentlichen Informationsund Diskussionsabends in Schötz. Andi Meier vom Initiativkomitee wies einleitend auf die schnellen Veränderungen in den vergangenen Jahren hin, immer mehr unersetzliches Ackerland verschwinde unter Asphalt und Beton. Bis am 7. März seien rund 4000 der notwendigen 5000 Unterschriften für die Verfassungsinitiative und über 3000 Unterschriften von den verlangten 4000 für die Gesetzesinitiative gesammelt worden.

Korridorsicherung Wiggertal
Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz befasste sich mit der aktuellen Ausgangslage. «Der beste Ackerboden liegt im Mittelland, gleichzeitig herrscht hier auch der grösste Bedarf an Wohn-, Gewerbe-, Freizeit- und Verkehrsbauten – angetrieben durch die wachsende Bevölkerung und die Mobilität.» Mit der Überbauung von Kulturland könnten rund zwanzig Millionen Franken Wertgewinn erzielt werden. In den heutigen Rechtsgrundlagen (Natur- und Heimatschutz) seien die Normen zu unbestimmt; in der Verwaltungspraxis bestehe die Tendenz, wirtschaftliche Nutzungsinteressen vor ideelle Schutzbedürfnisse zu stellen. Das neue eidgenössische Raumplanungsgesetz (RPG) bringe zwar einige Neuerungen (Begrenzung des Siedlungsgebietes im Richtplan). Bei der Umsetzung gerieten auch die Gemeinden mit der Ortsplanung unter Druck und seien zunehmend in der Verantwortung.

Nächstes Thema war die «Korridorsicherung Wiggertal». Gemeint sind damit die Bahnlücke zwischen Nebikon und Willisau sowie die Umfahrung von Schötz und Alberswil. Es sei ein Generationenprojekt, erklärte Gemeindeammann und Kantonsrat Erich Leuenberger (Nebikon), das nicht von heute auf morgen realisiert werde. Die sieben Gemeinden Alberswil, Egolzwil, Ettiswil, Gettnau, Nebikon, Schötz und Willisau haben jedoch eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach der Linienverlauf und die Breite des Korridors im regionalen Teilrichtplan festgelegt und in die kommunalen Erschliessungs- und Verkehrsrichtpläne aufgenommen wird.

Über die Wirkung der Initiative äusserte sich Kantonsrätin Monique Frey (Emmen). Gemäss dem Eidgenössischen Raumplanungsgesetz 2014 und dem revidierten kantonalen Richtplan 2015 soll sich das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auf die Zentren konzentrieren, die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung bestmöglich abgestimmt und eine möglichst haushälterische Bodennutzung erreicht werden. Dazu sei bis 2023 eine Anpassung der Bau- und Zonenpläne auf Gemeindestufe nötig. Trotzdem schreite die Zersiedelung fort, es fehle am politischen Willen zur Umsetzung, im Kanton Luzern gebe es keine ganzheitliche, qualitative und koordinierte Raumplanung. Diese Lücke würde die Initiative schliessen. Im nachfolgenden Podiumsgespräch unter der Moderation von Evelyne Fischer (Luzerner Zeitung) gingen die Meinungen zwischen Hanspeter Hunkeler (Landwirt, Schötz), Raimund Rodewald, Erich Leuenberger und Monique Frey auseinander. Von einer Rückkehr in Gotthelfs Zeiten und «Kulturlandschutz ja, aber nicht bei mir» war die Rede. Aber auch davon, dass das Modell der Initiative schon in mehreren Kantonen erfolgreich Gesetz geworden ist.