Massnahme gegen Lärm-Rowdys: Schweizweit erster Lärm-Radar steht im Schwarzbubenland

Die Messstation: Diese unscheinbare Box erkennt, wenn jemand zu schnell fährt - aber auch, wenn ein Fahrzeug zu laut ist. © NoëlleKarpf
Die Messstation: Diese unscheinbare Box erkennt, wenn jemand zu schnell fährt – aber auch, wenn ein Fahrzeug zu laut ist. © NoëlleKarpf

Unnötiges Driften und aufgemotzte Autos

Blitzen und büssen – das geht in der Schweiz bei Autofahrern, die zu schnell unterwegs sind. Nicht aber bei solchen, die zu viel Lärm verursachen. Die Polizei kann aber bei Kontrollen vor Ort – etwa bei aufgemotzten Autos oder unnötigem «Gäselen» – den Fahrer an der Weiterfahrt hindern, das Fahrzeug sicherstellen, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten. Eine Statistik dazu gibt es weder bei der Polizei, noch bei der Staatsanwaltschaft. Auf Anfrage heisst es aber bei der Staatsanwaltschaft, Strafbefehle habe es im vergangenen Jahr etwa wegen «Verursachen von unnötigem Lärm infolge Fahren in niedrigen Gängen bei hoher Motorendrehzahl», oder «… infolge mehrfachen Driftens» gegeben. Hier drohen Bussen von mehreren Hundert Franken. Thomas Kummer, Mediensprecher der Kantonspolizei, schreibt, Lärm-Rowdys seien kein Solothurn spezifisches Problem. Und: «Übermässige Lärmemissionen werden gerne dort verursacht, wo sie von der Bevölkerung auch wahrgenommen werden. Daher erstaunt es nicht, dass unsere Hot-Spots in den Städten Grenchen, Solothurn, Olten und deren Agglomerationen liegen.»

Im Solothurnischen Leimental liegen, eingebettet in Baselbieter Ortschaften, fünf Solothurner Gemeinden. Eine Landstrasse verbindet sie. Am Wegesrand leuchten Felder und Wiesen an diesem Herbsttag fast schon kitschig grün und golden. Auch im Dorf Metzerlen-Mariastein scheint die Idylle perfekt: Die Kirchenglocken bimmeln, Schulkinder sind auf dem Heimweg, viele an der Hand von Eltern oder Grosseltern. Die Gemeinde hat ein eigenes Fasnachtskomitee, einen Kirchenchor, einen Turnverein. Und den bekannten Wallfahrtsort Mariastein.

Kapelle und Kloster locken regelmässig Besucher an. Viele Pilger – viel Verkehr. Auch, weil Mariastein auf der Auto- und Töffroute «Grand Tour» von Arlesheim nach Neuchâtel liegt. Und genau das vermag die Idylle in der 1000 Seelen-Gemeinde manchmal zu trüben: Strassenlärm.

Kanton will keine weiteren Lärmschutzmassnahmen

Lärmempfinden sei etwas Subjektives, erklärt Daniel Renz. Die einen stören sich über den einen lauten Töff am Wochenende, die anderen beklagen sich auch über permanenten Strassenlärm nicht. Renz ist Gemeinderat in Metzerlen – schwarze Hose und weisses Hemd, 48 und ledig, in Metzerlen aufgewachsen, ein paar Jahre anderswo gewohnt und gearbeitet, dann wieder zugezogen. «An Wochentagen ist es sehr ruhig hier. An Wochenenden ist aber mehr los – und wenn an einem schönen Tag eine richtige Rennmaschine durchbrettert, hört man das im ganzen Dorf», sagt Renz, der selbst Töff fährt. Ihn persönlich störe das zwar nicht. «Es gibt aber genügend Leute, die sich beschweren – so dass wir die Sache ernst nehmen müssen.»

Beschwert haben sich rund 50 Einwohner. Denn: Der Kanton hat ein Lärmschutzprojekt – wie er es in verschiedenen Dörfern zur Umsetzung der Lärmschutzverordnung des Bundes macht – durchgeführt. Der Gemeinde dürfte es hierbei ähnlich ergangen sein, wie anderen Dörfern: Der Lärm stört zwar einige und an manchen Tagen besonders – im Schnitt mit den ruhigeren Wochentagen berechnet werden aber keine Alarmwerte überschritten. Und in den Fällen, wo tiefere Grenzwerte überschritten werden, wären bauliche Massnahmen nicht verhältnismässig. Zu einer Lärmsanierung ist also niemand verpflichtet.

So hiess es im Falle von Metzerlen-Mariastein von Seiten Kanton, man habe 2011 bereits einen Flüsterbelag eingebaut, der wirkt auch heute noch. Für 15 vom Lärm teils betroffene Gebäude wurden sogenannte Erleichterungen gesprochen. Das heisst, hier werden teils zwar Grenzwerte überschritten, Massnahmen würden aber nicht rentieren und werden deshalb auch nicht angeordnet.

Die erwähnten 50 Einwohner von Metzerlen-Mariastein waren damit nicht einverstanden und forderten genaue Messungen, Lärmschutzwände und teilweise Motorradverbote. Die meisten Einsprecher wohnen in der Nähe eines Lärm-Hotspots: Die Challstrasse. Diese schlängelt sich durchs Dorf, verbindet die Solothurner mit einer Baselbieter Gemeinde. Das bedeutet, vor Ortsausfahrt wird aufs Gas gedrückt, oder bei der Einfahrt nicht unbedingt rechtzeitig abgebremst. Das kann für Anwohner störend sein – reicht aber im Schnitt nicht für eine Lärmschutzwand oder eine Tempo-30-Zone.

So wurden die Beschwerden der Bewohner abgewiesen, die Gemeinde nahm sich wieder des Themas an. Ganz zufällig, beim Austausch mit dem Bundesamt für Umwelt, kam man so auf ein Pilotprojekt. Und in Metzerlen-Mariastein wurde der schweizweit erste Lärm-Radar mit Display aufgestellt.

Lärm-Display zur Sensibilisierung

Das Display hängt noch immer – an der Challstrasse. Noch im Dorf ist ein grauer Kasten am Pfosten einer Strassenlaterne befestigt. Weiter vorne, auf Höhe Ortsausfahrt, hängt ein Display. Der Bildschirm ist schwarz. Die Messungen, die im Rahmen des Pilotprojekts stattfanden, sind abgeschlossen: An drei Wochenenden hat die graue Box Geschwindigkeit und Lautstärke gemessen. An einem dieser Messungen war auch das Display in Betrieb. War ein Fahrer zu schnell, zeigte es «Langsamer!» an. Zusätzlich wies es zu laute Fahrer zurecht mit: «Leiser!»

Mit diesem System will das Bundesamt für Umwelt gemeinsam mit dem TCS erstens herausfinden, ob diese Messung technisch überhaupt funktioniert. Zweitens geht es auch darum, ob Lenkerinnen und Lenker tatsächlich auf das Display reagieren. Im November liegen die Resultate des Tests vor, der bis jetzt lediglich in Metzerlen-Mariastein durchgeführt worden ist.

Anstoss für schweizweites Bussen-System?

Fallen die Messergebnisse positiv aus, könnte das dann sogar der Anstoss für eine Gesetzesänderung sein: Bisher fehlt die Grundlage in der Schweiz, Lärm-Rowdys zu blitzen und zu büssen. Ein einheitliches Messsystem – das Fahrende nach absichtlich zu lauter Fahrweise rauspicken könnte, sodass diese dann sanktioniert werden könnten, ist nirgends verankert. Das Pilotprojekt des Bundes könnte hier etwas bewegen.

In der Antwort auf eine Interpellation zur Frage nach Schutz vor «Lärmsündern» schreibt der Regierungsrat, man beobachte nun das Pilotprojekt. Allenfalls entscheide man bei positiven Messresultaten dann auch über die Einführung von Lärm-Display.

Auch in Metzerlen wartet man ab. Von Bussen hält Renz zwar nicht viel, er appelliere lieber an den gesunden Menschenverstand. Man könne mit Sicherheit schon sagen, dass die Vorbeifahrenden auf das Display reagiert hätten. Über die Anschaffung eines Systems mit Display müsste im Rahmen des Budgets entschieden werden – rund 20 000 Franken kostet das laut Renz. Und doch: Auch mit dieser Anschaffung sei das Thema Lärm wohl nicht erledigt – «Das ist es wohl nie. Aber wir können die Situation zumindest verbessern.»

Ein Töff fährt vorbei, die Challstrasse entlang, passiert das Ortsschild, raus aus dem idyllischen Dorf im Schwarzbubenland – wo es manchen manchmal zu laut ist.