
Mein erstes Mal: Auf dem Set mit dem Bestatter


SOMMERSERIE: MEIN ERSTES MAL
In unserer Sommerserie wagen sich Redaktorinnen und Redaktoren an Dinge heran, die sie schon lange einmal ausprobieren wollten. Heute ist Tobias Walt als Statist für die SRF-Erfolgsserie «Der Bestatter» unterwegs.
Einmal neben Mike Müller in der SRF-Erfolgsserie «Der Bestatter» vor der Kamera zu stehen, wünschen sich wohl viele. Auf jeden Fall hat die Produktionsfirma jeweils so viele Anmeldungen von Statisten, dass sie ihnen nicht einmal eine Gage ausbezahlen muss. Und auch ich möchte mir einmal ein Bild der Dreharbeiten machen und stelle mich für einen Vormittag als Statist zur Verfügung. Zum Drehort mitbringen muss ich einen unterschriebenen Vertrag, welchen ich im Vorfeld per Mail zugeschickt bekommen habe. Darin verpflichte ich mich unter anderem dazu, dass die Aufnahmen meiner Person sowohl für die Produktion als auch zu Werbezwecken verwendet werden dürfen und ich auf jegliche Vergütung verzichte.
Strenge Regeln auf dem Set
Gedreht wird heute auf der Pferderennbahn Aarau. Auf dem Set herrscht bereits emsiges Treiben. Die Frau von der Garderobe mustert mich. Sie ist mit meinem Hemd nicht zufrieden: «Hast du noch ein anderes dabei?» – «Nein.» – «Eine andere Hose?» – «Auch nicht.» Sie schickt ihre Kollegin los, welche mir ein Hemd reicht. Ich muss mich umziehen. Anschliessend schickt man mich in den Warteraum, wo bereits rund 200 andere Statisten auf ihren Einsatz warten. Sie sind vornehm gekleidet, wie es im Vorfeld verlangt wurde. «Magst du dich noch erinnern, als wir damals im Zirkus gedreht haben?», fragt eine ältere Dame ihre Begleitung. Wer hier öfters Statist ist, hat vermutlich sehr viel Zeit oder ist ein grosser Filmfanatiker.
«Guten Morgen», begrüsst uns der «erste Regieassi», wie er sich nennt. «Mike Müller ist heute anwesend», erklärt er. «Bitte sprecht den Cast nicht an. Sie sind wahnsinnig konzentriert.» Und falls während der Dreharbeiten ein Handy klingeln sollte, schulde der Verantwortliche der ganzen Crew eine Runde Bier.
Und dann geht es auch schon los. Die erste Szene spielt bei der Wettannahme. Während die einen in einer Schlange ihre Wettscheine kaufen, stehen die anderen rund um die Tische und tun so, als würden sie Champagner trinken, welcher in Wirklichkeit Apfelschorle ist.
Ich stehe mit einer älteren Dame und einem Maturanden an einem Tisch. Letzterer hatte Tage zuvor seine Maturfeier und konnte seinen auffällig karierten Anzug heute ein zweites Mal gebrauchen. Am Tisch schräg gegenüber steht Mike Müller als Bestatter Luc Conrad sowie sein Mitarbeiter Fabio Testi (Reto Stalder). Auf das Zeichen «Action» beginnen sie mit ihrem Dialog. Wir Statisten spulen ebenfalls unsere Choreografie ab, bei welcher wir recht viele Freiheiten haben, hingegen nur die Lippen bewegen und nicht sprechen dürfen. Die sensiblen Mikrofone hören alles. Insgesamt sind fünf Durchläufe nötig.
Sonnenschirme als Regenschutz
Die Szene ist gerade noch rechtzeitig im Kasten, bevor es wieder zu regnen beginnt. In der Serie wird es so aussehen, als wäre es schönes Wetter mitten im Hochsommer. Doch dafür dürfen wir auf keinen Fall nasse Kleidung tragen. Die Crew improvisiert und marschiert mit den Statisten unter Sonnenschirmen zurück zum Warteraum. Dort kriegen wir ein Lunchpaket. Es beinhaltet eine Butterbrezel, einen Apfel, eine Banane und ein hartes Ei.
Die zweite Szene drehen wir eine halbe Stunde später auf der Tribüne der Rennbahn. Das Publikum muss im richtigen Moment einem fiktiven Pferd zujubeln. Ich bin beeindruckt, wie organisiert hier alles abläuft, wenn man bedenkt, dass alles perfekt stimmen muss. In den Köpfen der Crew herrscht eine klare Vorstellung, wie die Szene auszusehen hat. Alle wissen, was sie zu tun haben. Dies trifft auch auf die Statisten zu. In dieser Szene muss ich die Tribünentreppe hinuntersteigen und so tun, als würde ich einen freien Sitzplatz suchen. Unten angekommen habe ich die Gelegenheit, dem Dialog zu lauschen: «Entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich brauche heute für alles dreimal so lange», sagt eine emotional aufgelöste Frau zum Bestatter. «Das ist auch verständlich in Ihrer Situation. Mein herzliches Beileid», antwortet dieser. Anschliessend werden alle Statisten in die andere Hälfte der Tribüne versetzt und der Dialog wird erneut aufgenommen. Es soll so aussehen, als wäre die Veranstaltung gut besucht. Es wird auf jedes Detail geachtet. Eine sichtbare Ungereimtheit wäre fatal und peinlich. Kurz vor 12 Uhr ist auch diese Szene abgedreht. Der Regieassistent stimmt einen Applaus für uns Statisten an. Auch Mike Müller erhebt sich und applaudiert in alle Richtungen. Und damit ist es vorbei, mein erstes Mal als Statist. Während die Profis ihre Gagen erhalten, nehme ich viele interessante Eindrücke von diesem Tag mit. Von nun an werde ich Filme und Serien aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachten.