
Michel Spiess: Restaurator, Erzähler und Lebenskünstler
Antiquitätenhändler, Restaurator, Festungsführer, Stadtwein-Kellermeister, Museumskonservator, Gastgeber. Das und mehr ist der hagere Mann mit der zum Pferdeschwanz gebundenen, lichter gewordenen Hippie-Frisur, dem Ziegenbärtchen und der runden Brille, durch die zwei unnachgiebig wache Augen blicken: Stadtoriginal Michel Spiess. Nicht nur ein beruflicher Mehrkämpfer, sondern auch ein Romantiker, ein Verliebter. Verliebt ist er in das Leben, in die Geschichte, und in seine Wahlheimat «Aarbig». Genau die Hälfte seines Lebens hat der 63-Jährige inzwischen hier zugebracht.
Hier endete die langjährige Suche nach einem Ort, an dem er sich endlich nicht mehr verloren fühlte. Spiess wuchs im Luzerner Hinterland auf, von dem er nicht sagen will, dass es zugeknöpft oder unaufgeschlossen sei. Was er an den Aarburgern hingegen schätze, sei deren Direkt- und Unverblümtheit. «Meistens sagt man sich ins Gesicht, wenn einem etwas nicht passt.» Und doch übt Michel Spiess auch selber manchmal Zurückhaltung. Dann, wenn er sich aufregt, wenn es um heikle, pikante Themen, um Politik geht. Zum Beispiel, wenn der Gemeinderat die Stadtbibliothek wegsparen will. Michel Spiess ist ein sehr friedliebender Mensch, bekennender GSoA-Anhänger (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee), stolzer Vater eines 30-jährigen Künstlersohnes, geschieden, aber «im Guten» von seiner Ex-Frau getrennt.
Eine Weinstube im Städtli
«In Aarburg werde ich alt werden und wohl auch sterben», sagte Spiess vor einigen Jahren in einem Interview. Angst macht ihm der Tod nicht, denn der Geist lebe weiter. Spiess ist ein spiritueller Mensch, er selbst nennt es: «Ein energetischer Mensch, der an die Energien und deren Zusammenspiel und Ewigkeit glaubt.» Restauriert er mit Demut und Behutsamkeit antike Möbel, reinige er auch sie energetisch.
Nicht der Lebensabend ist das nächste Kapitel in Spiess’ Leben, sondern der baldige Ruhestand. Er arbeitete stets viel, aber vom Antiquitätengeschäft alleine könnte er nicht leben. Schon einige Male wurde sein Antiquitätengeschäft im Städtli zum kulinarisch-historischen Schauplatz der «Historischen Tafelrunde». Nach seiner aktiven Berufszeit möchte er das Lokal zu einer Art Weinstube umfunktionieren. Mit Gleichgesinnten bei einem edlen Tropfen zur Ruhe kommen, über Historie fabulieren, den Geist wachhalten.
Die Geschichte ist es, die den 63-Jährigen fesselt und mit der er es selber versteht, besonders als Festungs- oder Bornführer, andere zu begeistern. «Die Geschichte erzählt uns, woher wir kommen, wer wir sind», sagt Spiess. «Und sie möchte uns lehren, wie wir es besser machen können.» Dass die Menschen aber oft sehr beratungsresistent sind, ist ihm bewusst. Sein historisches Wissen hat er sich über Jahre selbst angeeignet. Die Museen der Welt sind sein Lexikon. Hier findet er auch immer wieder die Musse, antike Möbel behutsam in den Originalzustand zurückzuversetzen. Das sei sein «Habitus», sagt Michel Spiess, «begreifen durch greifen. Für einen Restaurator wie mich ist es etwas vom Wunderbarsten, in den Museen zu ‹schnöiggen›.»
Leben im geordneten Chaos
Gelernt hat Spiess einst Möbelschreiner und Innenausbauzeichner. Dass er Lehrer würde, das wollte sein Vater nicht. Heute hat Michel Spiess als Restaurator Kunden in aller Welt. Auch wenn, wie er sagt, das Antiquitätengeschäft schwieriger geworden sei. In seinem Atelier am Fusse der Festung versinkt er in Gedanken, wenn er verwelkte Möbel aus Kirsch- oder Nussbaum wieder zum Leben erweckt. Direkt über dem Raum, in dem vor lauter Mö- beln, Büsten, Büchern, Gemälden und weiteren Trouvaillen eine Art geordnetes Chaos herrscht, wohnt er auch. Eine Umgebung, die Beflissenheit und gleichzeitig Demut verströmt.
Demut, die gelernt werden musste. Denn zu seinen frühen Zeiten als Restaurator wurde Spiess zu ehrgeizig, «überlüpfte» sich und brauchte Jahre, um wieder auf die Beine zu kommen. «Tempi passati» zwar, aber eine Zeit, die ihn geprägt hat. «So wie die Geschichte uns alle prägt.» Es scheint fast, als spiegle seine Werkstatt ein Leben wider, das einst fast aus den Fugen geriet und das ihm doch nie wirklich entglitt, sondern zu etwas Neuem, Schönem und Erfüllendem führte: seinem zweiten Leben in Aarburg oder zum «Begreifen»: seinem fein geordneten Geschäft im Städtli. Nur eines fehlt dem Bald-Pensionär noch zum Glück: eine neue Partnerin.
Nebst der Liebe und Demut ist Dankbarkeit die dritte grosse Qualität, die in seinem Leben im Zentrum steht. Dankbar blickt er nicht nur auf seine Lebensreise zurück, sondern auch auf das zu Ende gehende Jahr. «Es war für mich ein persönlich und beruflich gutes und erfüllendes Jahr», sagt Michel Spiess. Voller Vorfreude blickt er auf den nächsten wichtigen Anlass: den Neujahrsapéro der Gemeinde, den er als Kellermeister organisieren wird. Was er tut, tut der sympathische, gutherzige Mann mit voller Inbrunst – und sonst lässt er es sein. Der Welt, aber im Speziellen auch «Aarbig», wünscht er, «dass wir uns auch von den Schattenseiten des Lebens nicht entmutigen lassen, sondern zueinander Sorge tragen und darauf achten, miteinander ‹zrank zcho›». Glück und Zufriedenheit kommen nicht zufällig. Das hat Michel Spiess aus der Geschichte gelernt. Jener aus etlichen Büchern, aber auch seiner eigenen. Denn irgendwie hat er auch sein eigenes Leben «restauriert».
Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt. Nicht an Material, eher an Platz fehlt es in der Werkstatt.