Missbrauch von Coronahilfen: Der Bund schickt die «Dividendenpolizei» los – 8,2 Milliarden allein für Härtefallhilfen

Es ist eine enorme Summe, selbst in Coronazeiten. Unter all den Abermilliarden an Hilfspaketen und Rettungsschirmen ragt der Budgetposten heraus: Bis zu 8,2 Milliarden Franken will allein der Bund für Härtefallhilfen bereitstellen. Das Geld fliesst an gebeutelte Unternehmen; an Firmen also, die zwangsgeschlossen wurden oder ansonsten hohe Umsatzeinbussen hinnehmen mussten.

Das rechtliche Drumherum regelt der Bund. Doch ausbezahlt wird das Geld von den Kantonen, die sich zudem selbst beteiligen. Mancherorts werden Darlehen gewährt, anderswo À-fonds-perdu-Beiträge. Konkret übernimmt der Bund 70 Prozent der Gelder für kleinere Firmen und 100 Prozent der Kosten bei Firmen mit einem Umsatz von über fünf Millionen Franken.

Beim verantwortlichen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) spricht man angesichts der eingesetzten Steuermilliarden von einem «beachtlichen Ausmass». Deshalb sei klar:

«Bei Verstössen gegen die Härtefallverordnung droht ein erhebliches Reputationsrisiko für die Bundesverwaltung.»

Eine scharfe Aufsicht ist man den Steuerzahlern schuldig, so könnte man das auch sagen. Das Seco will dem Missbrauch bei den Härtefallhilfen vorbeugen.

Landen die Steuergelder wirklich bei Firmen, die bezugsberechtigt sind? Halten sich die Bezüger auch an die damit verbundenen Auflagen? Für die Hilfsgelder gelten nämlich strenge Spielregeln.

Profitiert ein Unternehmen davon, darf es während einer bestimmten Zeit weder Dividenden oder Tantiemen ausschütten noch eine Rückerstattung von Kapitaleinlagen vornehmen oder beschliessen. Ebenso soll das Staatsgeld die Verluste abfedern, nicht aber zu Firmengewinnen führen.

Fehler und Mängel in den Kantonen aufdecken

Zwar verfügen die Kantone über eigene Dispositive, die Missbräuche verhindern sollen. Der Bund engagiert nun jedoch Wirtschaftsprüfer, um Mängel aufzudecken – und vor allen Dingen den abwickelnden Kantonen auf die Finger zu schauen.

Derzeit sucht das Seco nach einem Unternehmen, das in seinem Auftrag stichprobenweise Kontrollen durchführt. Ein entsprechender Auftrag ist seit dieser Woche öffentlich ausgeschrieben. Insider sprechen davon, dass der Bund eine eigentliche «Dividendenpolizei» losschicken wolle.

Vorsicht, Corona: Während der Krise stand vieles still.

Vorsicht, Corona: Während der Krise stand vieles still.

Bild: Boris Bürgisser (Luzern, 31. März 2021)

Die Wirtschaftsprüfer werden mit umfassenden Aufgaben betraut. Das Seco rechnet mit viel Arbeit. «Angesichts des Gesamtbudgets und der Anzahl Fälle ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlern oder Missbräuchen hoch», heisst es in den Ausschreibungsunterlagen, die dieser Zeitung vorliegen.

Offenbar hat man in Bern gewisse Zweifel daran, ob die Kantone beim Auszahlen der Härtefallhilfen immer die Vorschriften befolgen. So sollen die Wirtschaftsprüfer explizit «mögliche Mängel in der Aufgabenerfüllung der Kantone aufdecken».

Ebenso erwähnt das Seco in seinen Papieren das Risiko, «dass die Kantone nicht ausreichend Ressourcen in die Prüfung, Bewirtschaftung und Missbrauchsbekämpfung investieren». Ihre Dispositive seien unterschiedlich gut ausgestattet, stellt das Seco nämlich fest.

Krise beschäftigt noch jahrelang

Die Behörden werden sich noch länger mit den Härtefällen herumschlagen müssen, zumal die Auszahlungen mit jahrelangen Auflagen verbunden sind. Die Wirtschaftsprüfer werden darum bis Ende 2026 verpflichtet. Bis dahin sollen sie rund 2500 Stichprobenkon­trollen durchführen.

Im Detail bedeutet das: Allein 800 Kontrollen sind für die eigentlichen Vergaben vorgesehen, 750 für die Überprüfung des Dividendenverbots. Darüber hinaus werden die Kontrolleure etwa auch die Bewirtschaftung von Darlehen, Bürgschaften und Garantien unter die Lupe nehmen.

Durchgeführt werden die Stichprobenkontrollen jeweils bei den kantonalen Behörden, nicht direkt in den Unternehmen. Die Wirtschaftsprüfer dürfen die Kantone aber anweisen, bei den Firmen genauere Angaben oder Zahlen einzuholen.

Arbeiten für den Bund: die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PWC).

Arbeiten für den Bund: die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PWC).

Bild: Imago

Wie erst jetzt bekannt wird, hat das Seco im Juni bereits zwei kleine Mandate per Einladungsverfahren vergeben, damit die Kontrollen vorderhand sichergestellt sind. PricewaterhouseCoopers kümmert sich seither um die Stichprobenkontrollen bei den Härtefallgeldern für die grossen Unternehmen, die Treuhandfirma OBT AG bei kleinen Unternehmen. Auch aufgrund ihrer ersten Erfahrungen weiss der Bund so genau, wo es in den Kantonen noch hapert.