«Mit dem Schweizer Pass habe ich viel mehr Chancen und bin unabhängiger»

Nach 23 Jahren in der Schweiz liess sich Ubax Ibrahim in Dagmersellen einbürgern. Die Einbürgerung war «sehr gut», sagt sie. Wie zur doppelten Unterstreichung ihrer Zufriedenheit wiederholt sie die beiden Wörter noch zweimal leise: «Sehr gut, sehr gut.» Zwischen gelber Fassade und Milchglas spricht sie zu Hause auf ihrer Balkonlounge über ihre Einbürgerung vor zwei Jahren.

Den Schweizer Pass hätte sie gerne schon früher beantragt – wie ihre Kinder, die 2012 eingebürgert wurden. Weil sie aber von der wirtschaftlichen Sozialhilfe lebte, liess es das Gesetz nicht zu. Als vor fünf Jahren ihre in England lebende Mutter im Sterben lag, wollte Ibrahim zu ihr eilen. Sie musste ein Visum beantragen – welches sie jedoch nicht mehr rechtzeitig erhalten hat.

Als Küchenhilfe im Alterszentrum Eiche

Wenn sie heute ihre Schwestern in England besuchen will, kann das Ubax Ibrahim spontan und ohne Verzögerungen tun. Nachdem die 51-jährige Dagmersellerin einen Job als Küchenhilfe im Alterszentrum Eiche im Dorf fand, stellte sie erneut einen Einbürgerungsantrag – mit Erfolg. «Mit dem Schweizer Pass habe ich nun viel mehr Chancen und bin unabhängiger», sagt sie.

Das Wort «Chance» benutzt Ibrahim während des Interviews oft. Das Wort artikuliert sie in Englisch, ansonsten spricht sie Hochdeutsch und ein wenig Mundart.

Ubax Ibrahim folgte vor 25 Jahren ihrem Mann in die Schweiz, der hier zuvor bereits ein Jahr lang gearbeitet hatte. Zu Beginn sei es sehr schwierig gewesen für sie. «Ich war alleine in der Wohnung und konnte kein Deutsch.» Mit der Zeit habe sie in der Schweiz aber Kontakte geknüpft und Deutsch gelernt. «Meine Taktik dabei: Immer lachen, Fragen stellen und aufgeschlossen sein», sagt sie.

Ibrahim lacht oft und ausdauernd. Dann beispielsweise, wenn sie mit viel Selbstironie erzählt, wie Menschen an Flughäfen jeweils irritiert mit den Augen zwischen ihrem Gesicht und ihrem roten Pass hin und her pendelten. Trotz solcher Situationen habe sie sich in der Schweiz, und besonders in Dagmersellen, wo sie seit 17 Jahren lebt, von Anfang an akzeptiert gefühlt. Und sie fühle sich auch nicht erst als Schweizerin, seit sie den Pass habe, betont Ibrahim. Sie habe Schweizer Kolleginnen und arbeite viel. Oder in ihren Worten: «Schaffe, schaffe, schaffe.» Aber sie wollte nicht nur arbeiten und Steuern zahlen, sondern auch mitbestimmen.

Gleichzeitig ist Somalia, der östlichste Staat in Afrika, ihre Herkunft. Manchmal treffe sie in Luzern Freunde mit somalischem Hintergrund. Diese sagten zu ihr: «Oh, Ubax, du bist Schweizerin, jetzt vergisst du uns.» Dann beschwichtige sie jeweils: «Nein, ich bin Ubax aus Somalia.» Sie denke oft an ihre Herkunft, war aber seit 25 Jahren nicht mehr dort, hat nur noch entfernte Verwandte in Somalia und sagt, das Land sei in einem katastrophalen Zustand. Das Eidgenössische Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) rät von Reisen nach Somalia ab. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 1991 kommt es nach wie vor zu Kriegshandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien und im ganzen Land besteht das Risiko von Terroranschlägen.

Das Land, wo Ubax Ibrahim ihre ersten 26 Lebensjahre verbracht hat, kennt sie nur noch aus der Erinnerung.