Musik aus dem Cabrio war nicht zu laut – Bezirksgericht annulliert Busse der Stadtpolizei

Die jungen Herren, die mit ihren dicken Schlitten abends und am Wochenende die Bahnhofstrasse entlangfahren, Motoren aufheulen und Bässe wummern lassen, sind in Aarau ein hinlänglich bekanntes Ärgernis. Die Stadtpolizei versucht seit geraumer Zeit, mittels Kontrollen zumindest einige von ihnen zu erwischen. Ein solcher Fall wurde gestern vor dem Bezirksgericht verhandelt. Ilkay (Name geändert) war an einem warmen Sommerabend im vergangenen August mit seinem Kumpel im BMW-Cabrio die Bahnhofstrasse Richtung Kreuzplatz hinuntergefahren, als ihn kurz nach dem Bahnhof zwei Stadtpolizisten rauswinkten. Seine Musik sei zu laut gewesen, sagten sie. Gemeldet hatte ihnen das per Funk ein dritter Polizist in zivil, der beim Pestalozzischulhaus den Verkehr beobachtete und gezielt herannahende Lärmsünder an seine Kollegen durchgab, die diese dann aus dem Verkehr pflückten.

Ilkay hatte schon auf dem Platz bestritten, dass seine Musik zu laut gewesen sei. Deshalb akzeptierte er auch den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau nicht, die ihn wegen «Störung durch Radioapparate und andere Tonwiedergabegeräte» zu einer Busse von 200 Franken verurteilen wollte – zumal Ilkay auch die Strafbefehlsgebühr von 400 Franken hätte berappen müssen.   

Zur Gerichtsverhandlung waren alle drei Stadtpolizisten sowie Ilkays Kumpel als Zeugen geladen. Während die beiden Autoinsassen beteuerten, die Musik – wahrscheinlich Deutsch-Rap – sei zu keinem Zeitpunkt zu laut gewesen, sagten die beiden Polizisten, die das Auto nach dem Bahnhof rausgewinkt hatten, sie hätten die Lautstärke auch nicht als übermässig hoch empfunden. Der Polizist, dem das Auto auf Höhe des Pestalozzischulhauses aufgefallen war, bestand weiterhin darauf, dass die Musik zwar nicht exzessiv laut gespielt wurde, aber «klar laut genug war, um den Straftatbestand zu erfüllen». Einen physischen Beweis dafür gibt es allerdings nicht: «Wir haben die technischen Mittel schlicht nicht, um das zu messen», sagte der Polizist. Es sei also jeweils seine subjektive Wahrnehmung sowie, in einigen Fällen, die auffällige Reaktion von Passanten auf die Lärmquelle, die zur Anzeige führe. Im Fall von Ilkay habe er keine Passantenreaktionen beobachtet.

Einzelrichter Reto Leiser brauchte nur zehn Minuten, um einen Entscheid zu fällen: Er folgte dem Antrag von Ilkays Anwalt und sprach den jungen Türken frei. Im Zentrum sei die Frage gestanden, ob Ilkay die Musik auf den rund 250 Metern zwischen dem Standort des zivilen Polizisten und den beiden Uniformierten, die ihn rausgewinkt hatten, leiser gedreht hatte. Sowohl Fahrer als auch Beifahrer hatten das bestritten. Als Richter müsse er hier zu Ilkays Gunsten davon ausgehen, dass das stimme – das Gegenteil ist nicht bewiesen.