
Musiker im Coronajahr: Schweizer Bands leiden doppelt unter abgesagten Konzerten
In der ersten Welle, als die Pandemie noch jung und aufregend war, gab es mal eine Solidaritätswelle mit den Schweizer Musikern. Da alle Bühnen leer blieben und alle Festivals abgesagt waren, sei es wichtig, dass nun von den Radiostationen mehr Schweizer Musik gespielt werde, forderten Musikschaffende.
Die Überlegung: Fehlende Gagen könnten so zumindest teilweise mit Urheberrechtseinnahmen kompensiert werden. Eine solche wird fällig, wenn ein Song am Radio gespielt wird.
Ernüchterung statt grossen Geldsegens
Auch dieser Vorschlag geriet in die Kritik. Linke Kreise sprachen von Protektionismus und falsch verstandener Heimatverbundenheit. Die Krise kenne nun mal keine Grenzen, Musiker und Musikerinnen seien schliesslich in allen Ländern betroffen. Trotzdem: Viele Radios machten bei der Aktion mit. Allein Radio SRF 3 spielte im zweiten Quartal 46 Prozent Schweizer Musik. Dies zeigt eine Auswertung der Schweizer Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik (Suisa). 2019 waren es im Schnitt noch 25 Prozent gewesen.
Also grosser Geldsegen bei der Suisa-Abrechnung? Angefragte Musiker winken ab. Im Gegenteil: Die Einnahmen gingen sogar zurück. Das hat mit den abgesagten Konzerten und den geschlossenen Lokalitäten zu tun. Wie die Suisa in ihren provisorischen Zahlen ausweist, gingen vor allem die Einnahmen aus den Aufführungsrechten massiv zurück. Statt 23 Millionen Franken wie 2019 nahm die Suisa im vergangenen Jahr nur noch 11,4 Millionen Franken für die Aufführungsrechte aus Konzerten ein. Das ein Rückgang um mehr als 50 Prozent.
Hier geht es um Folgendes: Spielt eine Künstlerin oder ein Künstler an einem Konzert die eigenen Lieder, bezahlt der Veranstalter eine Suisa-Gebühr, ungefähr in der Höhe von 10 Prozent aller Ticketeinnahmen. Es gibt allerdings viele Ausnahmeregelungen. «Bei uns sind die Einnahmen aus dem Suisa-Topf gesamthaft um etwa 40 Prozent gesunken», sagt Andreas Ryser, der mit Mouthwatering Records ein Label hat und deshalb als Verlag an diesen Einnahmen partizipiert. Der grösste Teil der Mindereinnahmen erklärt sich durch den Wegfall von Konzerten und Festivals, ein kleinerer aus der Verwertung im Gastgewerbe, in Kinos und an Unterhaltungsanlässen. Ryser betont:
«Das sind essenzielle Einnahmen für viele Musikerinnen und Musiker.»
Wie dramatisch die Ausfälle sein können, illustriert Ryser am Beispiel von Black Sea Dahu, die bei ihm unter Vertrag sind. Hier gingen die Suisa-Einnahmen um 75 Prozent zurück – das ist auf der Abrechnung für das erste Quartal 2021 ersichtlich. Black Sea Dahu ist eine Band, die extrem viel gespielt hat. Oder eben besser: gespielt hätte. Neben der Konzertgage fehlen jetzt auch die Suisa-Gebühren. Dies vor allem bei den grossen Musikfestivals. Je nach Verteilschlüssel belaufen sich die Suisa-Beiträge schon mal auf 5000 Franken für ein Konzert an einem solchen Grossanlass. Im Gegensatz zu den entgangenen Gagen können diese ausgefallenen Suisa-Zahlungen nicht via Entschädigungsbeiträge eingefordert werden.
Gigs an grossen Festivals zahlen sich aus
Suisa-Gelder erhalten die Urheber der Songs. Coverbands profitieren dabei ebenso wenig wie Künstler, die ihre Lieder nicht selbst schreiben. So gibt es durchaus einige kommerziell erfolgreiche Bands, die diesen Ausfall gar nicht sonderlich gespürt haben dürften. Deutlicher im Portemonnaie zu spüren bekommen das kleinere Bands, die im Winter 2019 ein neues Album veröffentlicht hatten und 2020 eine grosse Tour planten. Ob diese Bands dann auch noch im Sommer 2022 an ein Festival gebucht werden, ist fraglich.
2021 dürfte es nicht viel anders aussehen
Insgesamt nahm die Suisa 2020 in der Schweiz gemäss den provisorischen Zahlen rund 122 Millionen Franken an Song-Urheberrechten ein. Das sind 17 Millionen weniger als im Vorjahr. Dieses Geld geht aber sowohl an in- und ausländische Künstler. Da am Radio allgemein mehr Musik von ausländischen Künstlern läuft, fliesst der Löwenanteil der ausbezahlten Gelder über die Schweizer Grenze.
Mittlerweile, in der dritten Welle, ist die Solidaritätswelle gegenüber den Musikerinnen allgemein etwas abgeflacht. Der Schweizer Musikanteil am Radio ist wieder deutlich tiefer. Die meisten grossen Festivals sind auch für diesen Sommer wieder abgesagt. Die effizienteste Variante, um Künstler und Künstlerinnen auch durch diesen Sommer zu tragen, ist weiterhin: Musik kaufen. Am besten über die direkten Kanäle.