
Nach dem Ja zum Vaterschaftsurlaub ringen die Elternzeit-Befürworter um das richtige Modell
Die Schweiz führt einen zweiwöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub ein. 60,3 Prozent und 16 Stände legten ein Ja in die Urne, Nein-Mehrheiten gab es in den Kantonen der Ost- und Zentralschweiz. Die Erleichterung bei der Befürwortern im Berner Café Effinger war zwar gross. Doch darunter mischte sich leise Enttäuschung: Aufgrund der letzten Umfragen hatten die Befürworter auf ein noch deutlicheres Ja gehofft.
Adrian Wüthrich, Ex-SP-Nationalrat, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse und treibende Kraft hinter der Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub, sieht seinen Kurs bestätigt: «Der Rückzug unserer Initiative zugunsten des Gegenvorschlags des Parlaments war richtig.» Die Initiative wäre mangels Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager wohl gescheitert: «Die breite Allianz für den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub war entscheidend.»
Diese Allianz dürfte mit dem gestrigen Abstimmungssonntag am Ende sein. Bei der Elternzeit ist kaum mit Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager zu rechnen. CVP-Ständerätin Andrea Gmür winkt ab: «Das ist kein Thema. Solange wir bei den Sozialwerken AHV, IV und der ALV Sanierungsbedarf haben, kommt ein weiterer Ausbau nicht in Frage.»
Ärger über Vorpreschen der «IG Elternzeit»
Anders tönt es bei SP, Grünen, GLP und demSchweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Sie fordern in Communiqués, nun sei die Diskussion über die Einführung einer Elternzeit zu führen. Etwas zurückhaltender zeigt sich Travailsuisse. Man werde in den nächsten Monaten klären, «welche Schritte in Richtung tragfähiger Familien- und Vereinbarkeitspolitik als nächstes in Angriff genommen werden sollen.»
Den Verlautbarungen von links gemeinsam ist die Betonung der Notwendigkeit einer breiten Allianz. Der Hinweis ist auch eine Reaktion auf die Ankündigung der «IG Elternzeit», über welche die «Schweiz am Wochenende» berichtet hatte. Die von den Gründern der Sammelplattform «WeCollect» ins Leben gerufene Interessengemeinschaft will der Bundeskanzlei im Dezember einen Initiativtext für eine 32-wöchige Elternzeit unterbreiten und ab Sommer 2021 Unterschriften dafür sammeln.
Uneinigkeit bei der Frage nach dem richtigen Modell
Mit ihrem Vorpreschen vor dem Abstimmungssonntag haben die Köpfe hinter der «IG Elternzeit» im linken Lager für Verärgerung gesorgt. Denn sie greifen der noch laufenden Diskussion über das richtige Modell vor. Ihre Initiative sieht eine Elternzeit von je 16 Wochen für Mutter und Vater vor. Bei der SP Schweiz hingegen geniesst ein Modell mit je 14 Wochen für Mutter und Vater sowie zehn flexibel aufteilbaren Wochen Elternzeit Sympathien. Und der SGB denkt darüber nach, im Zuge der Elternzeit eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs von bisher 14 Wochen zu fordern.
Noch am Sonntagabend warb die «IG Elternzeit» mit einer selbst in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage für ihren Weg: 63 Prozent der Befragten seien bereit, in 5 bis 10 Jahren eine Elternzeit einzuführen. Bei der Frage nach dem bevorzugten Modell sprechen sich 37 Prozent für je 16 Wochen für Mutter und Vater aus – eine relative Mehrheit.
Elternzeit kommt in den Kantonen aufs Tapet
Doch bevor schweizweit über die Elternzeit abgestimmt wird, kommt das Thema in einzelnen Kantonen auf den Tisch. In Zürich hat die SP bereits eine kantonale Elternzeit-Initiative eingereicht, In Bern und Luzern wurde sie lanciert. Gemäss dem Bundesrat sind kantonale Regelungen unzulässig – der Elternurlaub sei Bundesrecht.
Der Zürcher Regierungsrat hingegen hat die SP-Initiative für gültig erklärt. Und der Regierungsrat des Kantons Bern prüft derzeit im Auftrag des Grossen Rats die Einreichung einer Standesinitiative. Sie würde vom Bund verlangen, den Kantonen die Einführung von weiterreichenden Elternzeit-Regeln zu erlauben.