Nach dem Partyexzess in Aarau: Greift die Polizei jetzt härter durch?

In der Basler Steinenvorstadt drängten sich am Samstag die Menschenmassen – als hätte es das Coronavirus nie gegeben und gäbe es keine Abstandsregeln. Doch auch in Aarau gab es im Ausgang Szenen, die Stirnrunzeln auslösen und Fragen aufwerfen. Dicht gedrängt standen Dutzende Menschen vor dem «Platzhirsch» in der Altstadt: Dieses Bild postete ein Student auf Twitter und schrieb dazu: «Wollt ihr die Läden in zwei Wochen wieder schliessen?!»

Gedränge in der Rathausgasse Aarau

Weder der Betreiber noch die Polizei hätten dafür gesorgt, dass die Leute die Corona-Abstandsregeln einhielten, sagt er. Gusti Burkart, Inhaber des Lokals, räumt Probleme mit vielen Gästen und Passanten ein. Ab Mittwoch wird der öffentliche Durchgang zwischen den Tischen im Aussenbereich mit Gittern abgesperrt. Auch die Zahl der Gäste im Lokal lasse sich damit besser kontrollieren. So sollen mit Blick auf Auffahrt und Pfingsten weitere Partyexzesse verhindert werden. In einer Bar in der Altstadt sei es aber grundsätzlich nicht einfach, die Gäste zum Abstandhalten zu bewegen, sagt Burkart.

Stadträtin erwartet intensivere Kontrollen an Auffahrt und Pfingsten

Suzanne Marclay, im Aarauer Stadtrat für das Sicherheitsressort verantwortlich, sagt auf Anfrage: «Ich war abends am Wochenende nicht in der Stadt unterwegs, es ist aber klar, dass es bei schönem Wetter zu Situationen kommen kann, wo sich Menschenansammlungen bilden. Sie verteidigt die Stadtpolizei und sagt, diese patrouilliere auch in der Altstadt. Aussagen, die Präsenz der Polizei sei zu gering, beruhen laut Marclay «auf subjektiven Wahrnehmungen, die ich nicht bestätigen kann».

Die Kontrolle von Hotspots sei eine zentrale Aufgabe der Patrouillen, sagt die Stadträtin weiter. «Hier gilt es für die Stadtpolizei Aarau, in Absprache mit der Kantonspolizei, eine laufende Lagebeurteilung vorzunehmen und die Einsätze entsprechend anzupassen.» Mit Blick auf die Festtage an Auffahrt und Pfingsten sagt Marclay: «Es liegt auf der Hand, dass die Kontrollen an den nächsten Wochenenden intensiviert werden müssen.» Die Stadtpolizei äussert sich nicht zu den Fragen der AZ, Polizeichef Daniel Ringier verweist auf die Kantonspolizei.

Akzeptanz der Corona-Einschränkungen sinkt

Dort sind 40 bis 50 Polizisten im Einsatz, «die im öffentlichen Raum durch ihre Präsenz auch für zusätzliche Sicherheit sorgen», wie Polizeikommandant Michael Leupold im AZ-Interview Anfang Mai sagte. Vor der Öffnung der Bars und Restaurants hatte Leupold Vorbehalte: «Als ich gelesen habe, was man mit den Restaurants vorhat, habe ich gedacht: Das wird nicht ganz einfach. Die Kontrolle von Beizen ist jedenfalls nicht unser Wunschgeschäft. Seien wir ehrlich: Ohne die Selbstkontrolle der Betriebe und die Vernunft der Leute geht es nicht.»

Das allgemeine Fazit der Kantonspolizei fällt nach gut einer Woche mit geöffneten Bars und Restaurants dennoch mehrheitlich positiv aus. Die Schutzkonzepte würden insgesamt «gut bis sehr gut» umgesetzt werden, schreibt Roland Pfister, Kommunikationschef der Kantonspolizei, auf Anfrage. Die geltenden Vorgaben würden eingehalten. Wo dies nicht der Fall sei, spreche man zuerst Verwarnungen aus, bevor man den Betrieb anzeige. Ob es bisher schon zu Anzeigen kam, kommuniziert die Kantonspolizei nicht.

Im Aargau habe die Polizei am vergangenen Wochenende einzelne grössere Gruppen angetroffen, sagte Regierungsrat Urs Hofmann am Dienstag in der AZ. Das zeigt: Wie gut die Coronavorgaben des Bundes wirklich umgesetzt werden, entscheidet zu einem grossen Teil die Selbstdisziplin der Leute. Die Akzeptanz der Einschränkungen und die Bereitschaft, diese einzuhalten, hat gemäss Kantonspolizei insbesondere bei jüngeren Menschen in letzter Zeit spürbar nachgelassen.

Stadt stellt Lokalen öffentlichen Raum gratis zur Verfügung

Die meisten Lokale in der Aarauer Altstadt sind – wie der «Platzhirsch» – seit dem 11. Mai wieder geöffnet. Anders ist dies in Solothurn, wo Bars und Restaurants am beliebten Landhausquai erst diese Woche öffneten. Dort haben sich die Betreiber auf ein einheitliches Konzept geeinigt, bei dem ausschliesslich sitzende Gäste an Tischen bedient werden. Sonst könnten sich, ähnlich wie in Aarau geschehen, Take-away- Kunden unter den sitzenden Gästen verteilen. «Das könnte man dann nicht mehr kontrollieren», sagt einer der Barbetreiber gegenüber dem «Regionaljournal Aargau-Solothurn». Man habe dieses spezielle Konzept zuvor auch mit der Stadt und der Polizei besprochen.

In Aarau gab es laut Stadträtin Marclay vor der Öffnung der Gastronomie keine solche Absprache. «Wir stehen aber mit den Lokalbetreibern in Kontakt und versuchen, ihre Bedürfnisse aufzunehmen», sagt sie. So stellt der Stadtrat etwa dem Einwohnerrat den Antrag, dass Gastronomiebetriebe den bisher gemieteten öffentlichen Raum bis Ende Oktober kostenlos nutzen können. «Ausserdem können sie, wo dies möglich ist, ihre Flächen erweitern, um die Abstandsregeln einzuhalten.»