Nach «No Billag»: Jetzt nichts wie ran an den Speck!

Ein paar Minuten nach 12 Uhr war klar: Die Schweiz zieht der SRG nicht den Stecker. Ein Nein zu «No Billag» war zu erwarten gewesen. Aber in dieser Deutlichkeit? Mit fast 72 Prozent Nein? Das kam dann doch etwas überraschend.

Was haben wir aus der Debatte gelernt? Einiges. Erstens: Heftige Auseinandersetzungen wie in den letzten Monaten sind gut für unsere Demokratie. Gut, weil wir wieder einmal über Grundsätzliches gestritten haben: Was gehört zum Service public? Was nicht? Wie viel verordnete Selbstbeobachtung – also welches öffentlich-rechtliche Mediensystem – brauchen wir? Und was heisst es, ein freier Bürger, eine freie Bürgerin zu sein?

Wir haben, zweitens, einiges über die SRG gelernt. Oft ist der Begriff Moloch gefallen, und das wohl zu Recht. 17 Radio- und TV-Stationen umfasst das SRG-Angebot – dieses muss sich jetzt einer ordentlichen Abspeckkur unterziehen. Viele Unterhaltungsformate kann die SRG schon heute aus dem Programm kippen; der Unterhaltungsauftrag steht zwar in der Verfassung, aber nach den Diskussionen in den letzten Monaten ist klar, dass auch die allermeisten Billag-Befürworter ein schlankeres Angebot wollen. Ab 2019 soll die Billag-Gebühr von heute 451 Franken auf 365 Franken pro Jahr fallen. Das ist immer noch zu viel. Angemessen wäre etwa die Hälfte der heutigen Gebühr – also 275 Franken. Auf vieles können wir problemlos verzichten, ohne den Service public auf Sparflamme zu setzen. Ich höre gern und regelmässig beim News-Kanal SRF 4 rein. Aber brauche ich den wirklich, wenn immer alles sofort im Internet verfügbar ist? Ein noch grösserer Fan bin ich von Radio Swiss Jazz. Ihn einzustellen würde mich schmerzen. Aber könnte ich dagegen sein, wenn ich im Internet Dutzende, ja Hunderte von Jazz-Kanälen zum Nulltarif abonnieren kann?

Die SRG muss jetzt also, drittens, auf den Kernauftrag verpflichtet werden. Der Druck muss gross bleiben, damit sie das nun auch wirklich tut. Und ja, es darf auch eine Qualitätsdebatte aufflammen. Politiker, Journalisten und Experten taten plötzlich so, als würden «Tagesschau» und «10 vor 10» täglich unverzichtbarern Pulitzerpreis-würdigen Journalismus in die gute Stube liefern. Fakt ist: Die Qualität vieler News-Sendungen ist ordentlich, aber es gibt weiss Gott Luft nach oben. Machen Sie in nächster Zeit einmal den Selbsttest: Schauen Sie sich mit kritischen Augen eine «Tagesschau» am Samstagabend an. Wie viele Beiträge sind nicht einfach lieblos heruntergespulte Pflichtübungen? Wie intensiv, wie analytisch und hintergründig setzt sich die «Tagesschau»-Crew wirklich mit der aktuellen Newslage auseinander? Die SRG-Newssendungen können besser werden – mit weniger Geld. Im ganzen Land haben Zeitungen und private Online-Angebote bewiesen, dass mehr Qualität mit weniger Leuten möglich ist.

Auf den Kernauftrag konzentrieren heisst auch, viertens, dass die SRG im Online-Geschäft zurückgebunden werden muss. Es ist richtig und wichtig, wenn die Kolleginnen und Kollegen der SRG auf inhaltlicher Ebene mit den privaten Medien konkurrenzieren. Aber es kann nicht sein, dass sie Gebühren dazu verwenden, private Medien aus dem Geschäft mit den Online-News zu verdrängen. Generaldirektor Gilles Marchand hat gestern angekündigt, dass sich die SRG hier künftig zurückhalten will – ein Schritt in die richtige Richtung.

Gefordert sind nun vor allem die bürgerlichen Politiker links und rechts der Mitte, also vor allem jene aus der FDP und der CVP: Sie müssen dafür sorgen, dass die SRG die gestern angekündigten Reformschritte schnell umsetzt – und weitere Reformschritte einleitet. 100 Millionen will die SRG zunächst einmal einsparen – doch das kann nur der Anfang sein.

Und was wir schliesslich auch noch gelernt haben: Trolle und Wutbürger sind zum festen Bestandteil des Schweizer Politbetriebs geworden. Was in manchen Tweets, Online-Kommentaren und Leserbriefen stand, war unterirdisch. Watete man durch die Gedankengänge mancher solcher Wutschreiber, dann machte man sich nicht einmal die Knöchel nass. Viele, die sich mit Argumenten für ein öffentlich-rechtliches Medienangebot einsetzten, ernteten Spott, Häme und Beschimpfungen. Man darf sich davon nicht irritieren und schon gar nicht einschüchtern lassen. Die «No Billag»-Debatte wird nicht die letzte sein, in der heftig gebrüllt und gekläfft wird – am besten, man überhört dieses Geheul einfach.