
Nach Roth-Rücktritt: Das Departemente-Karussell läuft an
Bisher haben erst die Grünen einen Kandidaten für die Regierungsratswahl vom 20. Oktober nominiert. Sie steigen mit Grossrat Severin Lüscher ins Rennen. Er ist Hausarzt und Mitglied der Kommission Gesundheit und Soziales und darum nach Ansicht der Grünen bestens dafür geeignet, das Departement Gesundheit und Soziales (DGS), das mit dem Rücktritt von Franziska Roth frei wird, zu übernehmen. Die Grünen stehen mit dem Fokus auf eine Person mit Dossierkenntnissen nicht alleine da. Dass ein Gesundheitspolitiker ab nächstem Jahr die Regierung vervollständigen soll, hört man allenthalben.
Nicht aber von den Aargauer Wirtschaftsverbänden, der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) und vom Aargauischen Gewerbeverband (AGV). Sie fordern: Einer der bisherigen Regierungsräte soll das DGS übernehmen und damit zeitnah dafür sorgen, dass auf dem Departement wieder Ruhe einkehrt.
Einarbeitungszeit würde wegfallen
Das DGS sei mittlerweile seit zwei Jahren schlecht geführt worden und die aktuelle Führung lediglich ad interim geregelt, heisst es in einer gemeinsamen Medienmitteilung der beiden Wirtschaftsverbände. Verblieben die amtierenden Regierungsräte auch nach der Ergänzungswahl in ihren bisherigen Departementen, verlängere sich die Phase der nicht optimalen Führungssituation im DGS, da ein neues Regierungsmitglied wiederum Einarbeitungszeit von einigen Monaten benötige. Deswegen soll sich nach Ansicht von AGV und AIHK einer der aktuellen Regierungsräte bereit erklären, das DGS «baldmöglichst» als Departementsvorsteher zu übernehmen. «Nur so kann das mittlerweile langandauernde Führungsdefizit im DGS korrigiert werden.»
«Wir haben derzeit sehr gute Regierungsräte. Einzelne haben sich bereits in die Sachgeschäfte des DGS eingearbeitet. Sie kennen den gesamten Ratsbetrieb und benötigen bei der Übernahme des Departements nur eine kurze Anlaufzeit», sagt Gewerbeverbandspräsident Kurt Schmid auf Anfrage. Das Problem der Einarbeitung eines neuen Regierungsmitglieds würde sich dann auf ein anderes Departement verschieben. Für Schmid ist das kein Problem, sondern genau der Punkt: «Bei der Gesundheit und beim Sozialen stehen sehr wichtige politische Entscheide an. Es ist uns deswegen ein Anliegen, dass dieses Departement möglichst bald wieder gut geführt wird», sagt er, schliesslich sei dies in der letzten Zeit nicht der Fall gewesen. Tatsächlich stehen im DGS einige grössere Brocken an. Beim totalrevidierten Spitalgesetz kommt es bereits zu Verzögerungen gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan. Und dann sollte in Kürze auch noch die neue Spitalliste präsentiert werden.
Regierungsrat ist zuständig für Departementsverteilung
Die Forderung der Wirtschaftsverbände ist höchstens eine Empfehlung. Wer welches Departement führt, entscheidet der Regierungsrat selber, das ist im Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung klar geregelt. Der Regierungsrat entscheidet demnach über die Departementsverteilung zu Beginn jeder Amtsperiode und nach Ersatzwahlen. Das wird auch nach den Wahlen vom 20. Oktober so sein: «Der Regierungsrat wird auch künftig gemäss dieser gesetzlichen Bestimmungen in eigener Kompetenz über die Frage der Departementsverteilung entscheiden», teilt Regierungssprecher Peter Buri auf Anfrage mit. Absichten, wonach Urs Hofmann, Markus Dieth, Alex Hürzeler oder Stephan Attiger das Departement wechseln möchten, sind laut Buri derzeit nicht bekannt. Für Kurt Schmid gäbe es aber noch weitere Vorteile, würde das jemand tun. Etwa dass sich der Kandidatenpool für den freiwerdenden Sitz vergrössern würde: «Es gibt viele fähige Personen, die Regierungsrätin oder Regierungsrat werden könnten. Spezifisch mit Dossierkenntnissen des DGS sind es aber nur eine Handvoll.»
Der Gewerbeverband hat bei den letzten Wahlen Franziska Roth unterstützt. «Wir waren von ihr überzeugt und dann enttäuscht», sagt Schmid. Im April stellte der AGV die Kompetenz und das Engagement der Regierungsrätin öffentlich infrage, Schmid kritisierte sie an der Delegiertenversammlung. Der Vorstand hatte Roth zu einem Gespräch über eine gemeinsame Gesundheitsstudie von AGV und AIHK eingeladen. Dabei sei insgesamt wenig Sachverständnis spürbar gewesen (die AZ berichtete). Das sei der Weckruf gewesen, sagt Schmid jetzt. Und deswegen setzten sich die beiden Wirtschaftsverbände besonders dafür ein, dass in Zukunft eine kompetente Person das finanzintensive DGS leite. Die Geschlechterfrage spiele für den Gewerbeverband grundsätzlich keine Rolle; die Qualitäten seien entscheidend. Persönlich findet Schmid aber: «Eine solches Gremium braucht eine Frau.» Deswegen sei es noch wichtiger, dass die Parteien sich nicht auf Gesundheitspolitiker versteifen.