Nächster Öffnungsschritt oder Marschhalt? Das müssen Sie zur Bundesratssitzung wissen

Darüber berät der Bundesrat

Am Freitag trifft sich der Bundesrat zur Sitzung. Zuoberst auf der Traktandenliste steht einmal mehr das Coronavirus. Einerseits wird er die letzte Woche vorgestellte Ausweitung der Teststrategie verabschieden. Das Vorhaben wurde mehrheitlich begrüsst. Allerdings haben die Kantone Zweifel am Ziel des Bundesrats, die neue Strategie mit Massentests in Schulen und Betrieben und Selbsttests durch die Bevölkerung bereits ab nächsten Montag umzusetzen.

Andererseits wird der Bundesrat morgen über neue Lockerungsschritte diskutieren. So sah es zumindest seine am 24. Februar verabschiedete Öffnungsstrategie vor.

So sieht der Fahrplan aus:

Freitag, 12. März: Der Bundesrat trifft sich und bespricht die epidemische Situation. Mögliche Öffnungsschritte werden zur Konsultation an die Kantone weitergegeben. Denkbar wären Lockerungen rund um Kultur- und Sportveranstaltungen mit Publikum in begrenztem Rahmen, eine Aufhebung der Homeoffice-Pflicht, die Wiederaufnahme von Sport in Innenräumen und die Öffnung von Restaurantterrassen.

Freitag, 19. März: Der Bundesrat wertet die Rückmeldungen der Kantone aus und trifft eine Entscheidung.

Montag, 22. März: Sofern es die epidemiologische Lage erlaubt, soll dann der nächste Öffnungsschritt erfolgen.

Wie sieht die Situation heute aus?

Bereits im Februar betonte Gesundheitsminister Alain Berset, mit den Öffnungen per 1. März – Öffnung der Einkaufsläden, Museen, Aussenbereiche von Freizeitanlagen sowie Lockerungen im Kultur- und Sportbereich für Jugendliche bis 20 Jahre – gehe man ein Risiko ein.

Die weiteren Lockerungen sollten deshalb «schrittweise und vorsichtig» erfolgen. Voraussetzung dafür sei eine positive Entwicklung der der epidemiologischen Situation. Erstmals nannte der Bundesrat dafür konkrete Richtwerte: Eine Testpositivitätsrate unter fünf Prozent, eine durchschnittliche Reproduktionszahl über die letzten 7 Tage unter 1, eine tiefere 14-Tages-Inzidenz als beim ersten Lockerungsschritt vom 1. März sowie weniger als 250 Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Aktuell ist nur gerade das letzte Kriterium erfüllt.

Zuletzt ist die Zahl der Neuinfektionen in der Schweiz wieder leicht angestiegen. Im Nachbarland Österreich, wo die Geschäfte bereits Anfang Februar wieder aufgingen, ist diese Entwicklung bereits ausgeprägter. Auch im nördlichen Nachbarland zeigt die Kurve nach oben. «Wir haben ganz klare Anzeichen dafür: In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen», sagte Lothar Wieler, der Direktor des deutschen Robert-Koch-Instituts, am Donnerstag. Und die Zürcher Kantonsärztin Christiane Meier sagte gleichentags dem «Tages-Anzeiger»: «Ich rechne mit einer dritten Welle.»

Wird es weitere Lockerungen geben?

Drei der vier Kriterien für weitere Öffnungsschritte sind nicht erfüllt. Zwar hielt Bundesrat Alain Berset im Februar fest, die Richtwerte bedeuteten kein Automatismus. Doch angesichts der Tatsache, dass gemäss BAG-Schätzungen bereits fast 80 Prozent aller Neuinfektionen auf die stärker ansteckenden Virusvarianten zurückzuführen sind, dürfte der Gesundheitsminister dem Bundesrat einen vorsichtigen Kurs vorschlagen. Es ist gut möglich, dass der Bundesrat den zweiten Öffnungsschritt erst später oder nur in geringerem Umfang beschliessen wird.

Die erste Diskussion über den nächsten Öffnungsschritt morgen im Bundesrat erfolgt nicht einmal zwei Wochen nach den jüngsten Lockerungen. Eigentlich war es eines der wichtigsten «Learnings» des Bundesrats aus dem Ausstieg aus dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr, dass zwischen den einzelnen Lockerungsschritten genügend Zeit liegen sollte. Nur so lassen sich die Auswirkungen der einzelnen Massnahmen auf die Pandemie richtig beurteilen. Der Bundesrat plante deshalb eigentlich, weitere Öffnungen im Monatsrhythmus zu prüfen. Doch auf Druck der Kantone entschloss er sich, alle drei Wochen über neue Schritte zu beraten.

Wie gross ist der Druck für Öffnungen?

Auch während der laufenden Frühlingssession im Parlament gab es im National- und Ständerat zahlreiche Unmutsbekundungen über den als zu langsam angesehenen Fahrplan des Bundesrats. Doch bei der Beratung des Covid-Gesetzes verzichtete eine deutliche Parlamentsmehrheit darauf, fixe Öffnungstermine ins Gesetz aufzunehmen. Damit signalisierte die Bundesversammlung, dass sie den gesundheitspolitischen Kurs der Landesregierung grundsätzlich mitträgt.

Dem Bundesrat war insbesondere von den bürgerlichen Parteien während der Pandemie wiederholt vorgeworfen worden, irrationale Entscheide zu fällen, welche nicht mit der epidemiologischen Lage begründet werden könnten. Nun kann der Bundesrat auf im voraus definierte Richtwerte verweisen, die aktuell nicht erfüllt sind, sollte er derzeit auf weitere Öffnungsschritte verzichten.