Neue Immobilien-Zahlen geben Rätsel auf: Warum werden so wenige Eigenheime gebaut, obschon alle davon träumen?

Zu wenige Eigenheime würden in der Schweiz gebaut. So steht es im neuen Immobilien-Monitor, den die Credit Suisse am Dienstag veröffentlicht hat. Dabei hätte die Bevölkerung gerne mehr davon. «Der Wunsch nach Wohneigentum ist ungebrochen hoch», schreiben die CS-Ökonomen. Doch der Wunsch findet kein Gehör. Es werden rekordwenige Eigenheime gebaut:

«Der Bau von Wohneigentum verharrt auf einem Tiefststand.»

Der Bau von Eigenheimen ist eingebrochen, wie die neuesten Zahlen zeigen. Demnach vermeldeten die Kantonsämter im Juni, dass sie zuvor in zwölf Monaten gerade einmal 2650 Baubewilligungen für Eigentumswohnungen erteilt hatten. Bei den Einfamilienhäusern waren es lediglich 1500 Baubewilligungen. Hingegen waren es im Jahre 2006 noch mehr als anderthalb Mal so viele Eigentumswohnungen, gar mehr als doppelt so viele Eigenfamilienhäuser (siehe Grafik).

Die Nachfrage ist da. Das zeigt sich an den Preisen, und das schon seit zwei Jahrzehnten. Seit dem Jahr 2000 sind die Preise um 89 Prozent gestiegen. In der Pandemie kommt es erneut zu einem Preisschub. Eigenheime wurden in einem Jahr um über 6 Prozent teurer. Wohneigentum erfahre, so die CS-Ökonomen, «ein kaum für möglich gehaltenes Interesse von Kaufwilligen.»

Alle wollen, immer weniger dürfen

Die Schweiz träumt vom Eigenheim. Die Preise zeigen es, die Suchaufträge auf Plattformen zeigen es, die Debatten in Onlineforen zeigen es. Doch Eigenheime sind rar, wie die Baubewilligungen zeigen. Überspitzt könnte man sagen: Alle wollen ein Eigenheim, immer weniger kriegen eines. Es wird zur Rarität, vor allem das Einfamilienhaus. Warum eigentlich?

In einer Marktwirtschaft sollte es anders sein. Ist die Nachfrage gross, gehen die Preise in die Höhe. Findige Unternehmer treten auf den Plan, suchen und finden neue Wege. Irgendwann hält das Angebot wieder Schritt mit der Nachfrage. Die Preise sinken. Doch beim Traum vom Eigenheim funktioniert es nicht.

Warum dem so ist, das fragt sich Fredy Hasenmaile schon lange. Er ist zwar langjähriger Chef der Immobilienökonomen bei der Credit Suisse. Aber er hat keine Antwort gefunden, die das ganze Ausmass dieses Phänomens erklärt. «Es bleibt ein Rätsel, immerhin gibt es Teilantworten.»

Einige wollen, können aber nicht. Sie hätten zwar den Wunsch und würden auf den Plattformen ihre Suchabonnemente aufgeben, sagt Hasenmaile. Aber die Preise seien ihnen nach Jahren des Booms entrückt. Ihr Kapital reicht dafür nicht aus. Sie seien weit davon entfernt, den Sprung über die Finanzierungshürden zu schaffen.

«Und sie wissen es selbst. Sie gehen gar nicht erst zur Bank, um über eine Hypothek zu reden.»

Die grossen Immobilienentwickler unterliegen eigenen ökonomischen Zwängen. Mietwohnungen haben sie schnell gebaut, noch schneller verkauft, erklärt Hasenmaile. Planten sie eine Überbauung, stünden tags darauf vor der Türe zehn kaufwillige Pensionskassen, einen Tag später ist das Geld überwiesen. Sie müssen noch bauen, aber können zugleich bereits das nächste Projekt angehen.

Mietwohnungen und grosse Überbauungen werden von den Pensionskassen schnell aufgekauft. Anders verhält es sich bei den Eigenheimen.

Mietwohnungen und grosse Überbauungen werden von den Pensionskassen schnell aufgekauft. Anders verhält es sich bei den Eigenheimen.

Bild: Stefan Kaiser

Mit Eigenheimen hingegen ist alles zäher und träger. Erst muss eine Hypothek her. Die Bank braucht Sicherheiten. Von 100 Wohnungen müssen 50 oder 60 vorverkauft sein. Käufer müssen her. Die finden sich nicht so schnell, weil eben vielen das Geld fehlt. So können rasch zwei Jahre vergehen. Somit sei klar, so Hasenmaile: «Die grossen Immobilienentwickler bauen lieber Mietwohnungen.»

Das 1000-Milliarden-Franken-Problem

Trotz allem gelangen neue Eigenheime auf den Markt. Doch 20 Prozent davon schnappen sich jedes Jahr vermögende Haushalte weg, die selbst schon ein Eigenheim haben. Sie wissen nicht, wohin mit dem Geld. Bei der Bank erhalten sie keinen Zins, werden ihnen nur Gebühren abgezwackt. Also kaufen sie und vermieten, und zwar vorzugsweise in den Städten, wo sich leichter Mieter finden. So bleiben weniger Eigenheime übrig.

Die Schweiz hat eine starke Altersvorsorge, in deren drei Säulen zig Milliarden Franken lagern. Allein in der zweiten sind es über 1’000 Milliarden. Wohin damit? Der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank ist seit über 5 Jahren negativ. Auf Immobilien hingegen gibt es bislang zuverlässig Renditen in einer vertretbaren Höhe. Aber es müssen Mietwohnungen sein. Da ist das Geld versorgt, jeden Monat kommen Mieten rein. Eigenheime hingegen lösen das Anlageproblem nicht. Sind sie gebaut und verkauft, fängt die Suche von vorne an. Darum gilt, wie Hasenmaile sagt: «Solange die Zinsen so niedrig sind, ist es wohl so: Eigenheime bleiben Mangelware».