
Neuer Bericht: Intercity-Zugtüren sind gefährlicher als angenommen
Eine neue Untersuchung des tödlichen Einklemm- und Mitschleifunfalls eines Zugchefs Anfang August in Baden AG zeigt überraschende Resultate. Sogar für die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust selbst, die gestern ihren Zwischenbericht publizierte.
Untersuchungsleiter Philippe Thürler ging nach dem Unfall davon aus, dem Bund und damit den SBB keine Sofortmassnahmen empfehlen zu müssen. Nun tut es seine Untersuchungsstelle doch. Und hier liegt der Grund: Die Untersuchung offenbart systematische Probleme bei Klemmschutz und Kontrollsystem.
Dass der sogenannte Einklemmschutz bei der Unfalltüre des Intercity-Wagens in jener verheerenden Augustnacht versagt hat, könnte mit grundsätzlichen Sicherheitsproblemen dieses Wagentyps zusammenhängen.
Ein bisschen Technik
Beträgt der Abstand zwischen Tür und Türrahmen weniger als drei Zentimeter, sollte sich der Einklemmschutz eigentlich deaktivieren. Tut er es nicht, verhindert er ein vollständiges Schliessen der Türe. Das System stünde sich gewissermassen selbst im Weg.
Nun aber zeigten die Tests: Manchmal deaktiviert sich der Einklemmschutz bereits bei einer weniger weit fortgeschrittenen Türschliessung, manchmal bereits bei einem Abstand zwischen Tür und Rahmen von sechs Zentimetern. Ein Arm oder ein schmaler Knöchel passt da noch gut dazwischen.
Zudem zeigte die Untersuchung: Manchmal signalisiert das Kontrollsystem dem Lokführer, alle Türen seien geschlossen, obwohl dies gar nicht der Fall ist. Selbst voll funktionstüchtig kann es beim System also zu Fehlern kommen. Und deshalb raten die Unfallexperten dem Bund und den SBB, die Systeme mit zuverlässigeren zu ersetzen.
Der neue Bericht bringt die SBB unter Zugzwang. Bahngewerkschafter verlangen von den SBB Taten. «Da müssen komplett neue und zuverlässigere Systeme her, sowohl was den Einklemmschutz als auch das Kontrollsystem für den Lokführer betrifft», sagt Andreas Menet, Präsident des Zugpersonal-Verbands. In dieselbe Richtung zielt die Eisenbahner-Gewerkschaft SEV.
Systemrelevante Zugwagen
Ein SBB-Sprecher betont, die Empfehlungen der Sust würden in die eigenen Untersuchungen einfliessen. Zu den geforderten neuen Systemen äussern sich die SBB nicht. Bis Ende Woche soll die Sonderkontrolle der grossen Wagenflotte des betroffenen Typs abgeschlossen sein.
Das Problem: Die einstöckigen IC-Wagen machen 12 Prozent der SBB-Wagenflotte aus. Ohne sie liesse sich der Betrieb nicht aufrechthalten. Tausende Bahnkunden werden also weiterhin in diesen Wagen reisen.
Bahngewerkschafter Andreas Menet sorgt sich neben den Zugbegleitern auch um die Kunden. «Was unserem Kollegen widerfahren ist, könnte auch einem Reisenden passieren, der noch schnell in einen Wagen schlüpft, obwohl sich die Türen bereits schliessen», warnt er. «Solange der Einklemmschutz nicht zuverlässig funktioniert, würde ich es unterlassen, in letzter Sekunde in den Zug zu steigen.»