
Paradox: Aarburg freut sich über Pleite vor Bundesgericht

Die Spitex Aarburg gibt es nicht mehr. Nach dem Verlust des Auftrags per 1. Januar 2018 der Gemeinde Aarburg mussten die Mitarbeiterinnen entlassen werden. Dennoch hat der Frauenverein Spitex Aarburg noch einen Sieg errungen, einen Sieg vor Bundesgericht.
Ursprünglich gelangte der Verein ans kantonale Verwaltungsgericht, weil er mit den Kriterien des Verfahrens der Gemeinde nicht einverstanden war. Diese hatte mehrere nicht gewinnorientierte Spitex-Anbieter zu Offerten eingeladen und sich am Ende für die deutlich günstigere Lindenhof-Spitex aus Oftringen entschieden. Bei der Vergabe des Auftrags gewichtete die Gemeinde den Preis mit 80 Prozent und die übrigen Faktoren lediglich mit 20 Prozent.
Das Verwaltungsgericht sah sich aber nicht zuständig, weil das Vergabeverfahren seiner Ansicht nach nicht dem öffentlichen Beschaffungswesen unterstand. Bei Aufträgen an nicht gewinnorientierte Organisationen sieht das Gesetz eine Ausnahme vor. Da ist nun das Bundesgericht im konkreten Fall anderer Meinung.
Da die Gemeinde Aarburg die finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte bei der Auftragserteilung sehr hoch gewichtete, unterliegt diese laut dem Bundesgericht dennoch dem öffentlichen Vergaberecht. Es hat den Fall deshalb der Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückgewiesen.
Paradoxerweise freut dieser Entscheid auch die Vertreterin der unterlegenen Partei, die Aarburger SVP-Gemeinderätin Martina Bircher: «Ich begrüsse diesen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts und bin froh, dass so noch mehr Bewegung in die Sache kommt und die Gemeinden die Spitex-Aufträge öffentlich ausschreiben müssen.» Falls das Verwaltungsgericht nun tatsächlich zum Schluss komme, dass das Aarburger Einladeverfahren nicht ausreichend war und es eine öffentliche Submission brauche, würde sich laut Bircher für Aarburg nicht viel ändern, ausser dem Mehraufwand, den eine öffentliche Ausschreibung mit sich bringe. Bircher sieht den Bundesgerichtsentscheid eher als Schritt zur Kommerzialisierung der Spitex: «Die Champagnerkorken knallen heute wohl beim Verband der privaten Spitex ASPS, und das ausgerechnet aufgrund einer Beschwerde einer gemeinnützigen Organisation.»
«Klärung einer offenen Rechtsfrage»
Die Vizepräsidentin des Frauenvereins Spitex Aarburg, Elisabeth Widmer, pflichtet bei, dass öffentliche Ausschreibungen natürlich die Türe für private Anbieter aufmachen würden. «Wir sind dennoch der Ansicht, dass Ausschreibungen mit klaren Kriterien die richtige Form für solche Vergaben sind», sagt Widmer und fügt an: «Es ging uns um die Klärung der offenen, grundsätzlichen Rechtsfrage und nicht ums Gewinnen oder Verlieren.»