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Polizist soll Velofahrer bei Kontrolle beschimpft haben – hat er sein Amt ausgenützt?

Polizist soll Velofahrer bei Kontrolle beschimpft haben – hat er sein Amt ausgenützt?

Taten die Polizisten nur ihre Arbeit oder ging der eine über die Grenzen, weil er wusste, dass ihn sein Amt schützen würde? Diese Frage wirft ein Fall von Beschimpfung auf, der am Dienstag in Lenzburg verhandelt wurde. 

Ann-Kathrin Amstutz

Sind Polizisten durch ihr Amt geschützt, falls sie sich nicht ganz an die Regeln halten? (Symbolbild)

Severin Bigler

Es geht um eine Szene, die sich im Mai 2020 auf dem Veloweg zwischen Möriken und Brunegg ereignete. Michael (alle Namen geändert) war auf dem Velo unterwegs. Plötzlich traf der 62-Jährige auf ein Hindernis – ein Auto, das halb auf dem Veloweg parkiert war. Es gehörte zwei Polizisten, die mit einem Lasermessgerät Geschwindigkeitskontrollen durchführten.

Michael regte sich darüber auf, dass das Auto den Veloverkehr behinderte, und äusserte seinen Unmut. So kam es zum Wortgefecht mit Cedric, einem der Polizisten. So weit, so unbestritten. Was aber die Details betrifft, darüber gehen die Versionen der beiden auseinander.

Während Michael den Polizisten Cedric einen Trottel genannt hat – und dafür per Strafbefehl bereits rechtskräftig verurteilt ist – soll Cedric den Velofahrer Michael als «niveau- und charakterlos» betitelt haben. Deshalb stand der 39-jährige Cedric nun wegen Beschimpfung vor dem Bezirksgericht Lenzburg.

Dass Polizisten den Weg blockierten, störte den Velofahrer besonders

Einzelrichterin Danae Sonderegger hörte sich die Version von beiden an. Zuerst war Michael an der Reihe, der als Strafkläger auftrat. Er sei zweimal auf dem Veloweg an den Polizisten vorbeigekommen. Schon das erste Mal störte ihn das Auto, das auf dem Weg stand – «besonders, als ich sah, dass es Polizisten sind, die so parkieren. Der ganze Veloweg war blockiert», erklärte Michael. Er habe den Kopf geschüttelt und sei weitergefahren.

Doch als er eine halbe Stunde später zurückkam und das Auto immer noch genau gleich dastand, habe er mit der Hand leicht auf die Motorhaube des Autos geschlagen. Daraufhin habe ihn das Polizeiauto verfolgt und schliesslich quer über den Veloweg parkiert, um ihn anzuhalten. «Der Polizist kam auf mich zu und beschimpfte mich, er warf mir alle möglichen Sachen vor», sagte Michael vor Gericht. Cedric sei derart aufgebracht gewesen, dass er ohne Maske sehr nahe gekommen sei:

«Er hat seine Aerosole in meinem Gesicht verstreut. Das war sehr störend und unangenehm, zumal die Corona-Lage gerade akut war.»

Dann legte Cedric, der seit 15 Jahren Polizist ist, seine Sicht der Dinge dar. Er könne sich nicht erinnern, Michael als charakterlos bezeichnet zu haben. Er habe bloss gesagt: «Wenn man als erwachsener Mann auf ein Polizeiauto schlagen und einen Polizisten ‹Trottel› nennen muss, ist dieses Verhalten niveaulos.» Er sei nicht aufgebracht gewesen, sondern sehr kontrolliert, so Cedric:

«Ich habe immer wieder solche Fälle, wegen so was rege ich mich schon lange nicht mehr auf.»

Im Plädoyer nannte Cedrics Anwalt das Ganze eine «leidige Geschichte, die nur auf der nicht nachvollziehbaren Anzeige» von Michael beruhe. Das Polizeiauto habe den Veloweg nicht blockiert, dieser sei jederzeit passierbar gewesen. Als der Velofahrer das Auto «mit einem festen Schlag» traktiert habe, hätten die Polizisten entschieden, Michael anzuhalten und ihn zu kontrollieren. Doch dieser habe sich widersetzt – mit der Begründung, das sei blosse Schikane, als Velofahrer müsse er keinen Ausweis zeigen. Daraufhin hätten die Polizisten eine zweite Equipe als Verstärkung angefordert, so Cedrics Verteidiger.

Cedric sei nie ausfällig geworden, er sei bloss bestimmt aufgetreten, weil die Situation und Michaels Verhalten dies erforderten. Auch den Abstand habe Cedric zu jeder Zeit eingehalten, was auch der zweite Polizist bestätigte. «Er hat in keiner Weise die Regeln missachtet oder sich der Beschimpfung schuldig gemacht», schloss der Verteidiger und forderte einen Freispruch.

Der Kläger vermutet polizeiliche Willkür

Darauf erwiderte Michael, es sei schon klar, dass der zweite Polizist seinem Kollegen nicht in den Rücken falle. Dabei sei Cedric von Anfang an auf Provokation aus gewesen, so Michael: «Er trat überheblich auf und gab mir zu verstehen, dass ich mit einer Anzeige keine Chance hätte.» Cedric habe sogar gesagt:

«Was glaubst du, wem man später vor Gericht glauben würde – dem Polizisten oder dir?»

Cedric habe von Anfang an gewusst, dass er im Vorteil sei, wenn Aussage gegen Aussage stehe. Als man sie bei einer Einvernahme fragte, ob sie sich nicht aussergerichtlich einigen wollten, habe Cedric gesagt: «Das ist mir egal, für mich ist es sowieso Arbeitszeit und alle Kosten werden von meinem Arbeitgeber getragen.» Dies zeige auf, wie der Polizist ihm, Michael, und der Allgemeinheit gegenüber auftrete.

Einzelrichterin Sonderegger spricht den Polizisten frei

Diese Vorwürfe bezeichnete Cedrics Verteidiger als «unwahre Behauptung». Wessen Aussage glaubhafter ist, musste Einzelrichterin Danae Sonderegger entscheiden. Nach kurzer Beratung sprach sie den Polizisten frei.

Es sei eine klassische Situation von Aussage gegen Aussage, doch es gebe mit dem zweiten Polizisten einen Zeugen, der klar und detailliert ausgesagt habe. «Deshalb geht das Gericht davon aus, dass sich der Polizist an die Regeln gehalten hat und den Ausdruck ‹niveaulos› nur auf das Verhalten des Klägers bezogen hat», so Sonderegger. Dies sei nicht als ehrverletzend zu werten.

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