Reglement verschlimmbessert: Gebühren für Beizer jetzt höher als gewollt

Endlich ist klar, wie die Gebühren für das Betreiben von Boulevardbeizen in Aarau künftig berechnet werden sollen. Und alle sind offenbar zufrieden; jedenfalls hiess der Einwohnerrat das Reglement über die Nutzung des öffentlichen Raums letzten Endes oppositionslos gut. Ende gut, alles gut?

Offenbar nicht. In einem Leserbrief von FDP-Fraktionspräsidentin Martina Suter in der gestrigen AZ scheint auf, wo das Problem liegt: Bei dem vom Einwohnerrat mit 26 zu 13 Stimmen gutgeheissenen Antrag der SP-Fraktion, die Sommersaison von achteinhalb Monaten auf die fünf Monate zwischen 1. Mai und 30. September zu beschränken. Eine gut gemeinte Änderung, die Beizern hilft, das Schlechtwetter-Risiko zu reduzieren. Schliesslich müssen sie im Voraus angeben, während welcher Zeitspanne sie im kommenden Jahr hinausstuhlen wollen, und wenn es im März schneit oder Bindfäden regnet, bezahlen sie die Gebühren für die Katz.

Daran ändert sich zwar auch nichts, wenn die meteorologisch unsicheren Monate zur Wintersaison gehören, doch die Kosten sind wenigstens bescheidener, weil das Reglement für die Wintersaison einen niedrigeren Tarif kennt als für die Sommersaison.

Rund 40 Prozent teurer
Das Problem der viel zu lange dauernden Hochtarif-Sommersaison ist dank dem Änderungsantrag der SP nun behoben. Nur, was nicht bedacht wurde: Das Reglement nennt lediglich Tarife für die ganze Saison. An diesen wurde nichts geändert. Sprich: Der Sommertarif, der im Reglementsentwurf für achteinhalb Monate galt, ist nun für die fünf Monate von Anfang Mai bis Ende September zu entrichten. Noch einmal anders gesagt: Das Ganze verteuert sich massiv. Ein Beizer, der sechs Monate auf der Gasse wirten will, bezahlt nun für die ganze Sommersaison und für einen Monat der Wintersaison. Das kostet ihn rund 40 Prozent mehr, als er ohne den Abänderungsantrag der SP-Fraktion bezahlt hätte.

Fragt sich bloss: Ist das im Sinne des Erfinders? War das die Absicht der Antrag stellenden SP-Fraktion? Die Antwort auf diese nicht unwesentliche Frage bleibt der Leserbrief von Martina Suter schuldig. Beantworten kann sie Einwohnerrat Nicola Müller, der bei diesem Geschäft Sprecher der SP-Fraktion war. Und Müller verneint ganz klar: Es sei nie die Absicht der SP-Fraktion – und der Ratsmehrheit – gewesen, die Boulevard-Restaurants stärker zu belasten. Ziel sei es gewesen, das Schlechtwetter-Risiko zu verringern. Er könne garantieren, dass das nun entstandene Problem beseitigt werde, sagt Nicola Müller. Der Gebührentarif müsse noch angepasst werden.

Ändern ja, fragt sich nur: wie
Offenbar waren die Konsequenzen des Änderungsantrags bereits an der Legislaturschlussfeier am Montagabend im KiFF ein Thema. Am Dienstagmorgen, so Müller, habe er sich daher als erstes mit der Stadt in Verbindung gesetzt, um abzuklären, wie die nötige Korrektur vorgenommen werden könne. Offen sei derzeit noch, ob der Tarif rein redaktionell geändert werden könne. Das könnte dann der Fall sein, wenn sich etwa aus der Begründung des SP-Antrags eine Absicht herauslesen lässt, die Gastrobetriebe zu entlasten – und nicht zusätzlich zu belasten.

«Absicht war eindeutig»
Genau dieser Auffassung ist Nicola Müller. Die Absicht des Antrags sei eindeutig gewesen. Müller räumt ein, dass sich der Antrag über eine entsprechende Anpassung der Gebührentarife ausschwieg. Der Wortlaut allein sei aber für die Auslegung des Antrags nicht massgebend. «Nach Sinn und Zweck, so wie sich dieser klar aus der Begründung unseres Antrags und aus meinen beiden Voten im Rat ergibt, sollten die Gastrobetriebe durch die Änderung ent- und nicht etwa belastet werden.»

«Entsprechend», so Müller weiter, «sollten die Gebührentarife im Sinne des Antrags angepasst und die nicht explizite Erwähnung der Gebührentarife als redaktionelles Versehen interpretiert werden.»

Sollten die Juristen im städtischen Rathaus entgegen Müllers Erwartung zu einem andern Schluss kommen, müsste das Reglement noch einmal im Einwohnerrat auf den Tisch kommen. «Dann», so Müller, «werden wir in der Februarsitzung mit einem korrigierenden Vorstoss vorstellig werden.» Die logische Lösung wäre dann eine dringliche Motion.

von Ueli Wild — Schweiz am Wochenende