
Rigorose Regeln verhindern Party-Stimmung auf dem Turnfest-Zeltplatz
Der Traktor knattert mitsamt Anhänger und Vereinsfahne auf den Zeltplatz. Die Turnerinnen und Turner schmeissen den Generator an, räumen Bier, Most und Mineral in den Kühlschrank. Auf dem Gasgrill brutzeln schon bald die ersten Bratwürste, im Topf kocht das Wasser für die Spaghetti oder den Kaffee. Was an kleineren Turnfesten Gang und Gäbe ist und zur besonderen Atmosphäre beiträgt, wird in Aarau unmöglich sein. Die Campingplatz-Regeln am Eidgenössischen Turnfest (ETF) in Aarau sind strikt: Aufgrund der Brandschutzauflagen seien keine Generatoren, Gasflaschen, Kühlschränke und Grills gestattet, bestätigt Marco Canonica, der Medienverantwortliche des ETF. Die Brandschutzauflagen erstellen die kantonalen Gebäudeversicherungen.
Auf dem rund 100’000 Quadratmeter grossen Zeltplatz werden bis zu 14’000 Turnerinnen und Turner pro Nacht schlafen. «Dem OK ist es ein Anliegen, einen geordneten Betrieb des Campingplatzes zu gewährleisten. Ebenso möchte das OK das eigentliche Fest auf den Festplatz konzentrieren und dort den Schwerpunkt für das Turnfest-Feeling setzen», führt Canonica aus. «Der Campingplatz soll primär als Unterkunft genutzt werden.»
Der Zeltplatz liegt etwa 20 Minuten Fussmarsch vom Festplatz entfernt, in den Gemeinden Erlinsbach im Kanton Aargau und Erlinsbach im Kanton Solothurn. Er befindet sich an der Aare ausserhalb des Wohngebietes und wird teilweise von einem Wäldchen begrenzt. «Durch die erhöhte Lage des Dorfes über dem Campingplatz sind Emissionen trotzdem nicht auszuschliessen. Diese sollen mit einem geregelten Betrieb in Grenzen gehalten werden», erklärt Canonica. Die beiden Gemeinden hätten aber das Vorhaben von Anfang an unterstützt und die Bewilligungen früh erteilt.
«Die Rückmeldungen von Seiten der Vereine sind grundsätzlich positiv. Es werden viele Fragen gestellt, die geklärt werden können», so Canonica. Auch Vereine mit zahlreichen Mitgliedern campieren, im grössten Zelt finden beispielsweise 160 Personen Platz. Beim Campingplatz gibt es zwar einem Kiosk sowie angrenzend an das Areal einen offiziellen Grillplatz, der bis 23 Uhr geöffnet ist. Selber kochen geht innerhalb des Zeltplatzes aber nicht. Ähnlich sind die Bestimmungen auch bei verschiedenen Open-Airs oder dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Zug (siehe zweite Box am Ende des Artikels).
Eigenen Zeltplatz gefunden
Betroffen von den strengen Regeln ist auch der STV Alpnach. «Die Vorschriften sind nur ein Thema bei Vereinen, die entweder Wagen mitbringen oder selber kochen. Bisher war dies eigentlich immer möglich», sagt Cäcilia Wiese, die für den STV Alpnach die Übernachtungen organisiert. Sie hätten einen «Hobby-Koch» in ihren Reihen, der schon seit Jahren mit ihnen an den Turnfesten teilnehme und auch in diesem Jahr mitkomme. «Dieses Lagerleben hat bei uns Tradition. Deswegen haben wir uns gegen den offiziellen Zeltplatz entschieden. Und es ist teuer, wenn noch ein Spezialfahrzeug-Stellplatz hinzukommt», sagt die Turnerin.
Landwirtschaftliche Fahrzeuge, Anhänger, Liefer- oder Lastwagen müssen nämlich auf einem weiteren Stellplatz für Spezialfahrzeuge für 250 Franken pro Nacht parkiert werden. Diese Fahrzeuge müssen im Voraus angemeldet und vom OK bewilligt werden. Die Bewilligung sei notwendig, damit der Veranstalter die Art, Grösse und Anzahl der Fahrzeuge schon vor dem Anlass kenne. Bis anhin sind gemäss Canonica rund 70 Spezialfahrzeuge angemeldet und bewilligt worden, eines wegen der Grösse und des Gewichtes nicht. Für den Stellplatz gelten ansonsten dieselben Regeln wie für den Zeltplatz.
Der Turnverein Alpnach hat stattdessen bei einem Bauern in Aarau angefragt, ob die 15 Turner auf seinem Land campieren dürfen. «Wir haben uns die Karte angesehen und sind dann im April nach Aarau gefahren», erzählt die Turnerin. «Wir hatten zwei Orte im Blick. Auf einem Hof war niemand da, beim zweiten haben die Besitzer direkt zugesagt», führt Wiese aus. «Wir hatten schon ein wenig Glück.» Die Obwaldner entschädigen den Hofbesitzer für die Nutzung des Landes. «Und natürlich beziehen wir die Milch von ihm», sagt Wiese. Der Verein hat auch eine Toitoi-Toilette bestellt. Persönlich finde sie zwar schon, dass man das Angebot der offiziellen Zeltplätze nutzen sollte, so die Alpnacherin. Schliesslich hätten die Organisatoren einen grossen Aufwand, um alles zu organisieren. «Aber diesmal entspricht das Angebot überhaupt nicht unseren Bedürfnissen.»
Verbotenes wird konfisziert
Manch ein Turner mag sich nun fragen, ob und wie die Zeltplatz-Regeln durchgesetzt werden können. Was passiert, wenn Vereine mit unangemeldeten Spezialfahrzeugen auftauchen? «Dann wird es wohl keinen Platz für diese haben», so Canonica. Das Campinggelände ist abgesperrt und betreut, zudem werden rund um die Uhr Zutrittskontrollen durchgeführt. Die verbotenen Gegenstände, unter anderem eben Generatoren, Kühlschränke, Sofas, Glas, Gasflaschen, Benzin oder Spaten müssen ausserhalb des Campingplatzes abgegeben werden. Gemäss des Medienverantwortlichen betreuen am ersten Wochenende 40 Zivilschützer pro Tag den Zeltplatz, am zweiten Wochenende sind es 60. Zusätzlich sind während den acht Tagen total 128 Helferinnen und Helfer für den Zeltplatz-Betrieb im Einsatz.
Total sind bisher 34’500 Übernachtungen auf dem offiziellen Zeltplatz angemeldet. Eine Übernachtung auf dem Zeltplatz kostet 15 Franken pro Person pro Nacht. Auf einem Teil des Campingplatzes stellt der Organisator selber Zelte auf, die nach dem Turnfest auch gekauft werden können. Auf einem weiteren Stellplatz beim Zeughaus in der Stadt übernachten Turner in Campern und Wohnwagen. Auch diese müssen angemeldet sein. Hier kostet der Stellplatz zusätzlich zur Übernachtung 50 Franken pro Nacht. Weitere Turner und Turnerinnen übernachten in Massenunterkünften wie Turnhallen und Zivilschutzanlagen oder Hotels.