Rücktritt von Ueli Maurer? Wer den amtsältesten Bundesrat beerben könnte

Am Mittwochmorgen verbreitete sich das Gerücht im Parlament: Bundesrat Ueli Maurer erkläre am Freitag seinen Rücktritt. Über den Zeitpunkt seines Abgangs werden seit geraumer Zeit Mutmassungen angestellt; einige Politiker meinen nun, es gebe klare Anzeichen dafür, dass Maurers Nachfolgerin oder Nachfolger in der Wintersession gewählt werde.

Gibt Ueli Maurer am Freitag seinen Rücktritt bekannt? «Ich äussere mich nicht zu diesem Thema», sagt sein Mediensprecher Peter Minder.

Maurer feiert im Dezember seinen 71. Geburtstag; er ist dann seit 12 Jahren Mitglied der Landesregierung. Nicht viele Bundesräte bleiben so lange im Amt. Es zeichnet sich ab, dass die Coronakrise den Bundeshaushalt nicht so stark belastet wie anfänglich befürchtet. Der Bund erzielt wohl bald wieder satte Überschüsse. Für den Finanzminister wäre das kein schlechter Zeitpunkt, um abzutreten.

Grüters Vorteil: Er kommt aus der Zentralschweiz

Ueli Maurer stellt sich selber ein gutes Zeugnis aus; er tat dies in seiner umstrittenen Rede, die er am 12. September an einer SVP-Veranstaltung im Zürcher Oberland hielt. Was die Finanzen anbelange, habe die Regierung die Krise gut gemeistert. Im «gesundheitspolitischen Teil» hätten der Bundesrat und die Behörden aber versagt.

Maurer attackierte damit Gesundheitsminister Alain Berset (SP). Wie man hört, will Maurer nicht, dass Berset ins Finanzdepartement wechselt. Berset wird seit einiger Zeit nachgesagt, dass er sich dafür interessiere, auf Maurer nachzufolgen – wenn dieser die Zuständigkeit für den Bundeshaushalt abgebe.

Ueli Maurers Auftritt im langärmligen Leibchen der corona-skeptischen «Freiheitstrychler» ist von einigen Politikern als Abschiedsgruss interpretiert worden. Ein letztes Mal habe Maurer seinen Nonkonformismus, seine Widerborstigkeit als Mitglied der Landesregierung beweisen wollen. Ob diese Deutung richtig ist, stellt sich am Freitag heraus.

Wer würde auf Maurer nachfolgen? Im Bundeshaus gibt es zurzeit einen ziemlich klaren Favoriten. Es ist Nationalrat Albert Rösti (BE). Er führte die Partei von 2016 bis 2020. Er gilt als intelligent, dossiersicher und umgänglich.

Unter Röstis Leitung fiel die SVP allerdings in den Wahlen von 2019 zurück. Christoph Blocher kritisierte Rösti danach in einer Parteisitzung dermassen scharf, dass dieser kurz darauf zermürbt seinen Rücktritt als SVP-Präsident erklärte. Blocher warf Rösti vor, dass er die kantonalen Parteisektionen zu wenig auf Trab gehalten habe. «Rösti scheut sich, den Leuten auf die Füsse zu treten», hiess es damals in der SVP.

Als aussichtsreicher Anwärter gilt auch Nationalrat Franz Grüter (LU). Er ist Unternehmer, Vizepräsident – und unterstützt den Parteipräsidenten Marco Chiesa als Stabschef. Grüter soll darüber wachen, dass die kantonalen Sektionen nicht wieder einschlafen. Seine Herkunft könnte ihm im Wettbewerb mit Rösti helfen: Der Kanton Bern ist im Bundesrat in der Person Simonetta Sommarugas bereits vertreten. Einen Zentralschweizer gibt es in der Regierung hingegen nicht.

Tritt Maurer ab, ist es unvermeidlich, dass über Magdalena Martullo-Blocher gesprochen wird. Bewirbt sie sich um einen Sitz im Bundesrat? Im Parlament sagen viele, dass ihre Wahlchancen nicht gross wären. Der Name Blocher löse nach wie vor Abwehrreaktionen aus. «Und Martullo-Blocher ist mehr Unternehmerin als Politikerin», meint ein Nationalrat.

Aussichtsreicher scheint da eine Kandidatur von Nationalrätin Diana Gutjahr (TG). Sie profilierte sich in Abstimmungskämpfen, zum Beispiel gegen die Konzernverantwortungsinitiative. «Es wäre gut, wir wären auch einmal mit einer Frau im Bundesrat vertreten», sagt ein SVP-Nationalrat. Er würde eine Kandidatur Gutjahrs unterstützen.

In der Volkspartei ist eine Frage noch immer von hohem Interesse: «Und was sagt Herrliberg?» Blocher ist bald 81, aber sein Einfluss bleibt gross. Wie man hört, wäre ihm am liebsten, wenn Toni Brunner (SG) auf Ueli Maurer folgte. Blocher versuchte Brunner schon einmal, zu einer Bundesratskandidatur zu bewegen. Brunner wollte nicht, und vor zwei Jahren zog er sich aus der Politik zurück. Es wäre eine Überraschung, würde er sich nun mit Ambitionen für die Exekutive zurückmelden.

Die Strategie der Partei geht nicht immer auf

Eine gewisse Distanz zu Blocher könnte für Nationalrat Gregor Rutz (ZH) zum Problem werden. Rutz war Generalsekretär der SVP, als Ueli Maurer die Partei führte. Die beiden waren ein eingespieltes Team und unermüdlich im ganzen Land für die Partei unterwegs. Im Wahlkampf 2007 kam es aber zu Differenzen zwischen dem damaligen Bundesrat Blocher und der Parteileitung. Ein Beobachter erzählt, dass der Doyen seither über Rutz nicht mehr so positiv rede wie zuvor.

Aussenseiterchancen werden den Regierungsräten Natalie Rickli (ZH) und Jean-Pierre Gallati (AG) eingeräumt. Beide stellen sich als Gesundheitsdirektoren ihrer Kantone aber quer zum Coronakurs der SVP und dürften es darum schwer haben, auf das Ticket zu kommen. Einige Parteigänger sagen dem Berner Juristen Lars Guggisberg eine steile Karriere in der SVP voraus. Guggisberg sitzt aber erst seit 2019 im Nationalrat – es ist für ihn wohl zu früh für eine Bundesratskandidatur.

Wer auch immer antritt – ein SVP-Parlamentarier hofft, dass die Strategie der Partei diesmal aufgehe. «Beim letzten Mal fielen wir auf die Nase.» Christoph Blocher habe Thomas Aeschi im Bundesrat gewollt. Also habe die Partei neben Aeschi zwei Politiker aus der lateinischen Schweiz nominiert. Im Bundesrat waren damals mit Alain Berset und Didier Burkhalter bereits zwei Romands. Die Parlamentarier fanden das Kalkül der SVP allzu durchsichtig – und wählten nicht Aeschi, sondern einen dritten Westschweizer, Guy Parmelin.