
Schlechte Prognose: Aerosole und zu tiefe Impfquote könnten uns einen harten Winter bescheren
Normalerweise wird diskutiert, ob es einen weissen Winter gibt oder einen grünen. Jetzt steht der Coronawinter zur Debatte. Und nach den Berechnungen der Covid-19-Taskforce sind die Aussichten alles andere als rosig. «Die kältere Jahreszeit hat begonnen und die Fallzahlen steigen schnell an», hat die Leiterin der Taskforce, Tanja Stadler, diese Woche gesagt. Und die Wissenschafterin kennt die Dynamik der Pandemie: Mit Zeitverzögerung werden auch die Hospitalisationen wieder ansteigen. In ihrem wissenschaftlichen Update hat die Taskforce diese Woche berechnet, dass sich die Fallzahlen alle zwei Wochen verdoppeln werden. «Und das bei einem stagnierenden Impffortschritt. Weniger als 6000 Erstimpfungen werden pro Tag durchgeführt», sagte Stadler.
Bis zu 30’000 zusätzliche Hospitalisationen
Wenn die Zirkulation des Deltavirus nicht gestoppt werde, nehme man in Kauf, dass die Hospitalisationen ansteigen, die Massnahmen nicht zurückgenommen werden können und die Qualität der Gesundheitsversorgung leide. «Wir haben die zukünftige Krankheitslast ermittelt. In der Schweiz gibt es 1,6 Millionen Menschen, die nicht immunisiert sind. Wenn sich diese nicht rechtzeitig impfen lassen, wird es zusätzlich unter den Ungeimpften 15’000 bis 30’000 Hospitalisationen geben», sagte die ETH-Professorin. Zum Vergleich: Seit Beginn der Pandemie hat es 30’000 Spitaleinlieferungen von Covid-Patienten gegeben.
Die Aussichten auf den Winter sind gemäss der Taskforce getrübt, weil Delta deutlich ansteckender ist als die Virus-Varianten im vergangenen Herbst. Die Abschätzungen der Taskforce und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen, dass bei der aktuellen Durchimpfungsrate der Schweiz ein hohes Risiko besteht, dass die Anzahl der Hospitalisationen im kommenden Winter höhere Maximalwerte erreichen könnte als im vergangenen Winter.
Werde die nächste Welle nicht mit der Impfung gestoppt, droht eine Verschlechterung der Qualität der Gesundheitsversorgung. Für Covid-Patienten, aber auch für alle anderen, hält Stadler fest. So könnte es sein, dass Menschen, die einen Skiunfall erleiden, keine genügende Versorgung erhalten, weil die Spitäler voll und das Personal ausgelastet ist. Werde zu wenig geimpft, müssten dann die Massnahmen erweitert werden. Zum Beispiel eine Ausdehnung der Maskenpflicht oder 2G bei grösseren Veranstaltungen.
Impfschutz der Ältesten hat um 10 Prozent nachgelassen
Beobachtet hat die Taskforce auch, dass die Impfschutzwirkung bei über 80-Jährigen etwas nachgelassen hat. Im September lag der Schutz noch zwischen 89 bis 94 Prozent, im Oktober bei 73 bis 87 Prozent. Das sei auch aufgrund der internationalen Daten so erwartet worden. 8 von 10 der Ältesten werden zwar mit der Impfung vor Hospitalisation geschützt. Der Anteil der doppelt geimpften Menschen unter den hospitalisierten Menschen hat bei den über 80–Jährigen aber in den letzten Wochen stark zugenommen und ist inzwischen höher als jener der Ungeimpften. Allerdings muss beachtet werden, dass es in dieser Alterskategorie nur noch wenige Ungeimpfte gibt, weil 90 Prozent geimpft sind.
Am meisten Spitaleinlieferungen bei Menschen im mittleren Alter
Unter der Annahme, dass alle bereits geimpften Personen über 80 Jahren nach dritter Impfdosis zu 96 Prozent geschützt sind anstatt zu 86 Prozent, könnten mit Boostern 6000 bis 12’000 Spitaleintritte langfristig verhindert werden. Rechnet man noch die Booster-Wirkung bei den 60- bis 80-Jährigen dazu, könnten gemäss der Abschätzung der Taskforce insgesamt zwischen 11’000 und 22’000 Hospitalisationen verhindert werden.

Gestartet mit Auffrischimpfungen wird erst Mitte November. Bis alle Seniorinnen und Senioren ihre dritte Impfung haben, wird es noch eine Weile dauern. Die Daten zeigen aber auch, dass zurzeit deutlich am häufigsten Menschen im mittleren Alter zwischen 40 und 60 im Spital landen – und von denen sind es weit mehrheitlich Ungeimpfte.