
Schweizer Einkaufstouristen fahren seltener nach Deutschland – Preiserhöhungen rächen sich
Die Kräfteverhältnisse verschieben sich zulasten der süddeutschen Detailhändler. Die Abschwächung des Frankens seit dem Sommer 2017 hat ihre Produkte um 10 Prozent verteuert.
Nun könnte es sich rächen, dass sie zuvor die Frankenstärke für kräftige Preiserhöhungen nutzten. Zudem floss viel Geld in neue Einkaufszentren. Ein Verdrängungswettbewerb steht bevor, die Boomzeiten scheinen vorbei.
Der Schweizer Detailhandel hat aufgeholt. Im Vergleich zu 2008, als die Eurozone in die Krise schlitterte und der Franken sich aufzuwerten begann, sind die Preise deutlich tiefer. Die Frankenstärke bewirkte eine Wende in der Teuerung, wie sie die Schweiz zuvor nur in den 1930er-Jahren erlebte.
Das durchschnittliche Preisniveau liegt heute rund 1,5 Prozent tiefer als 2008, wie der Landesindex für Konsumentenpreise zeigt. In den neun Jahren vor Ausbruch der Eurokrise hingegen stieg das Preisniveau um 12 Prozent.
Insbesondere Produkte wurden günstiger, die Einkaufstouristen gerne shoppen. Alkoholische Getränke kosten heute 1 Prozent weniger als 2008, Bekleidung und Schuhe etwa 2 Prozent, Nahrungsmittel fast 3 Prozent, Möbel und Einrichtungszubehör gar 15 Prozent.
Solche Senkungen sind historisch. Zuvor stiegen die Preise siebzig Jahre lang ständig. Allein von 1999 bis 2008 hatten sich beispielsweise Möbel um 5 Prozent verteuert und Nahrungsmittel um 12 Prozent.
Gegentrend in Deutschland
Anders in Deutschland. In den Jahren vor der Eurokrise schlossen Arbeitgeber und Gewerkschaften einen Pakt zur Lohnmoderation. Die Lohnstückkosten blieben konstant, während sie in den europäischen Nachbarländern zunahmen – das spätere Exportwunder wurde vorbereitet.
In den Jahren ab 2010 zogen in Süddeutschland die Preise an. Die Milliarden, die Schweizer Einkaufstouristen über die Grenze brachten, gaben zusätzlichen Spielraum für Preisaufschläge.
Diese Entwicklung ist deutlich erkennbar im Verbraucherpreisindex des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Im drittgrössten deutschen Bundesland liegen die Preise heute rund 9 Prozent höher als im Jahr 2010. Bei Möbeln beträgt der Aufschlag mittlerweile 6 Prozent, bei alkoholischen Getränken 8 Prozent. Bekleidung und Schuhen kosten 10 Prozent mehr. Für Nahrungsmittel müssen Schweizer Einkaufstouristen heute 18 Prozent mehr abliefern.
Und auch das ganze Drum-und-Dran einer Shoppingtour in Deutschland belastet das Haushaltsbudget von Schweizer Einkaufstouristen heute mehr als früher. In Restaurants und Kaffees werden für die Verpflegung schon 16 Prozent mehr verlangt. Wer gleich noch in einem hübschen deutschen Städtchen in einem Hotel übernachten will, zahlt ebenfalls 16 Prozent mehr.
Durch diese gegenläufigen Trends haben sich die Preise in der Schweiz und in Süddeutschland angenähert. Der preisliche Vorsprung des süddeutschen Handels ist 2018 bei einem Kurs von 1.20 deutlich geringer als noch Mitte 2015. Damals bewegte sich der Frankenkurs noch um die 1.05 und der Schweizer Handel musste seine Preise erst noch senken.
Heute dürften zum Beispiel Möbel in der Schweiz durchschnittlich etwa gleich viel kosten wie in Deutschland. Die Preise von Nahrungsmitteln haben sich angenähert, da diese in Baden-Württemberg rund 18 Prozent teurer würden.
Bei anderen Produkten wie Bekleidung und Schuhen gingen die Preisentwicklungen in der Schweiz und in Süddeutschland weniger stark auseinander, sodass ein gewisser Vorsprung erhalten bleibt.
Diese Preisverschiebungen werden den Detailhändlern in Süddeutschland wehtun. Bereits letztes Jahr hat der schweizerische Einkaufstourismus stagniert oder gar abgenommen. Der Handelsverband Südbaden gab kürzlich bekannt, seit dem Herbst habe die Zahl der Kunden aus der Schweiz signifikant abgenommen.
Die Zahl der grünen Zettel, mit denen Einkaufstouristen die deutsche Mehrwertsteuer zurückerhalten, sei gemäss Zollamt rückläufig. Und das war noch vor der jüngsten Abschwächung des Frankens.
Neue Einkaufszentren erstellt
In Erwartung eines anhaltenden Booms hat der süddeutsche Detailhandel in neue Verkaufsflächen investiert. In Weil am Rhein, nahe von Basel, entsteht ein weiteres grosses Einkaufszentrum. In Singen, nahe von Schaffhausen, wird 2019 ebenso eines eröffnet. «Der Verdrängungswettbewerb wird sich verstärken. Dies können wir überall feststellen», sagt darum Olaf Kather, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden.
Die neuen Einkaufszentren und Shopping Malls würden mit bereits etablierten Standorten konkurrenzieren sowie mit benachteiligten Nebenlagen. Zudem ziehe der boomende Online-Handel beträchtliche Umsätze aus dem stationären Bereich ab.