
Schweizer Illustrierte liess Ruth Humbel überwachen
Wie wird man zum Detektiv?
Alle Personen, die eine Detektiv- oder Polizeischule besuchten, über zwei Jahre Berufserfahrung verfügen und vom Bundesamt für Sozialversicherungen bewilligt wurden, dürfen gemäss dem neuen Gesetz andere Leute beschatten.
Wird es am 25. November vom Souverän angenommen, dürfen die Detektive in Zukunft von der Strasse aus ihre Ziele auf dem privaten Garten oder Balkon fotografieren und sogar – mit richterlicher Bewilligung – mit einem GPS-Tracker verfolgen.
«Freitag, 2. November 2018. 12.50 Uhr. Bundesplatz Bern. Frau Humbel verlässt das Bundeshaus, roter Mantel, in der linken Hand einen Rollkoffer. Sie geht in der Schauplatzgasse 16 ins Restaurant Della Casa. Sie setzt sich zu einem Mann und einer Frau an den Tisch. Sie essen zusammen. Frau Humbel trinkt ein Glas Rotwein.» Das steht im Protokoll des von der Schweizer Illustrierten angeheuerten Privatdetektivs.
Der Schnüffler heisst Marco Specker: Der 42-Jährige ist schon seit 20 Jahren als Privatdetektiv tätig. Dabei hat er schon vieles erlebt. ««Ein Coiffeur war mal besonders skrupellos. Er war krankgeschrieben und arbeitete 100 Prozent bei der Konkurrenz», sagt er. Doch manchmal hätte er auch Mitleid mit den unter Geldnöten leidenden Leuten, bei denen er «rumschnüffle».
In einem weiteren Protokolleintrag heisst es: «Sonntag, 4. November 2018. 18.19 Uhr. Birmenstorf AG. Der silberne Passat von Frau Humbel bewegt sich Richtung Windisch AG. Das Auto fährt zum Bahnhof Brugg und wieder zurück. Gefahrene Distanz (laut Trackingprotokoll): 9 Kilometer. Dauer: 29 Minuten.»
Bei der Observation fiel auf, dass Humbels Auto des öfteren zum Arbeitsplatz ihres Mannes in Zürich fahre. Das Auto ist aber auf ihren Namen versichert. Auf die Frage des Magazins, warum denn die Versicherung über ihren Namen laufe, erwidert sie: «Wir hatten zuerst beide ein Auto. Dann haben wir eines verkauft.» Später hätten sie gemerkt, dass sie doch zwei Fahrzeuge brauchen. «Wir haben dann ein neues Auto gekauft. Beide sind jetzt auf meinen Namen eingetragen.» Etwas reumütig fügt sie hinzu: «Es wäre schon besser, wenn ich eines auf meinen Mann umändern würde.»
Verletzung der Privatsphäre?
Am 25. November wird in der Schweiz über das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten abgestimmt. Das Gesetz, welches in der Frühjahressession von den Räten verabschiedet wurde, ermöglicht Sozialversicherungen, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive observieren zu lassen. Die Regeln gelten nicht nur für die Invalidenversicherung (IV), sondern auch für die Unfall-, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung. Neben Bild- und Tonaufnahmen sind auch technische Instrumente zur Standortbestimmung erlaubt. Gemeint sind vor allem GPS-Tracker, die an Autos angebracht werden. Anders als bei den Bild- und Tonaufnahmen braucht es dafür eine richterliche Genehmigung.
Am 5. Juli wurden 56’112 Unterschriften, davon 56’025 gültige, vom Referendumskomitee um Autorin Sibylle Berg eingereicht. Dadurch kam das Referendum zustande, das Schweizer Stimmvolk muss über das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten abstimmen.
Lanciert wurde das Referendum im April. Das von den eidgenössischen Räten im beschleunigten Verfahren bewilligte Gesetz stelle die Bevölkerung unter Generalverdacht. Zudem werde die Privatsphäre der Menschen aufs Gröbste verletzt, argumentiert die Gruppierung.