
Schweizerischer Gemeindeverband: «Serafe schiebt bei eigenem Versagen die Schuld anderen zu»
Die Serafe AG zieht seit Anfang 2019 die Radio- und TV-Gebühren ein – und verschickt jeden Monat 5000 fehlerhafte Rechnungen (wir berichteten). In der Antwort auf eine Interpellation macht der Bundesrat die Einwohnerdienste für den Dauerärger mit der Serafe verantwortlich. Und deren Sprecher Erich Heynen sagt: «Die Rechnungen können nur so gut sein wie die gelieferte Datenqualität.» Die Serafe, die monatlich rund 350’000 Rechnungen versendet, rühmt die Gemeinden in ihrem Jahresbericht aber auch für stetige Verbesserungen.
Der Vorwurf der Gemeinden: ein Schwarzpeterspiel
Allein: Die Gemeinden empfinden die Darstellung der Billag-Nachfolgerin als mehr oder weniger unverblümtes Schwarzpeterspiel, in das jetzt auch noch der Bundesrat einstimmt. «Die Serafe ist offenbar spezialisiert, bei eigenem Versagen und Unvermögen die Schuld anderen zuschieben», sagt Christoph Niederberger. Der Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes ärgert sich zudem, dass die Gemeinden der Serafe viele detailliertere Daten liefern müssen als ursprünglich vorgesehen. Das beschere den Einwohnerdiensten einen dauerhaften Mehraufwand. Der Gemeindeverband will diesen jetzt in Rechnung stellen.
Ursprung der Fehler
Am Ursprung der fehlerhaften Rechnungen steht ein Systemwechsel. Bei der Billag mussten sich die Haushalte selber anmelden. Seit sämtliche Haushalte, also auch Radio- und TV-Abstinenzler, Gebühren entrichten müssen, verschickt die Serafe die Rechnungen direkt an alle Haushalte aufgrund von Daten, die sie von den Einwohnerdiensten erhält.
Für Carmela Schürmann, Präsidentin des Verbandes der Einwohnerdienste, ist klar, dass das Problem mit der gewählten Erhebungsmethode nie verschwinden wird. Sie weist darauf hin, dass allein die Stadt Zürich jeden Monat über 10’000 neue Zu-, Um- und Wegzüger zählt. «Es kommt damit zu Überschneidungen zwischen neuen und alten Mietern, die überdies zwei Wochen Zeit haben, sich bei den Gemeinden neu anzumelden.»
«Vermeintliche Fehler»
Auf die Schnittstellenproblematik machten die Einwohnerdienste schon in der Vernehmlassung zum neuen Radio- und TV-Gesetz aufmerksam: «Ein Unbehagen besteht darin, dass die Einwohnerdienste mit einer grossen Menge ‹vermeintlicher Fehler› in den Einwohnerregistern konfrontiert werden und daraus ein unnötiger administrativer Aufwand entsteht.» Niederberger vermutet, dass der Bund und die Serafe diese systembedingte Fehlerquelle unterschätzten. Jetzt würden die Folgekosten auf die Gemeinden abgewälzt.
Die Serafe geriet schon kurz nach ihrem Start wegen falsch zugestellten Rechnungen in Schlagzeilen. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) ernannte die Firma darauf zur alleinigen Auskunftsstelle für sämtliche Fragen zur Haushaltsabgabe. Eine Flut von Adressänderungen habe deshalb einen Umweg über die dafür nicht zuständige Serafe gemacht, schreibt die Firma in ihrem Jahresbericht. Sie erhebt nun ihrerseits den Aufwand für die Massnahmen, welche ihr Mehraufwand generierten und rapportiert diesen dem Bakom. In einem zweiten Schritt prüft die Serafe, welche davon über das Pflichtenheft hinausgehen und als Mehraufwand verrechnet werden müssen.
Serafe wird wohl nie der Liebling der Nation
Zum Liebling der Nation wird sich die Serafe allein aufgrund ihrer Aufgabe, dem Einziehen von Gebühren, nie aufschwingen. Für Ärger sorgt sie aber auch, weil etwa auf Rechnungen Personen figurieren, die zwar im gleichen Haus, aber in einem anderen Haushalt wohnen. Ein Leser berichtete, er habe einem Umzug in eine andere Stadt zweimal eine Rechnung für die gleiche Zahlungsperiode erhalten. Eine Leserin kann es kaum glauben, dass ihre Schwester bereits Gebühren für die ersten drei Monate im Jahr 2021 entrichten muss. Kommentatoren in Onlineforen beschweren sich über Mahnungen für nicht erhaltene Rechnungen.
Insgesamt schiebt die Serafe einen Berg von 73 000 hängigen Anfragen zur Haushaltsbildung, zum Inkasso-Rhythmus und anderen Themen vor sich her. Gerade diese Woche teilte sie mit, dass 224 000 Rechnungen doppelt verschickt wurden. Das Problem lag jedoch nicht bei den Daten, sondern bei einem Druckdienstleistungszentrum, das den gleichen Rechnungssatz fälschlicherweise zweifach druckte und verarbeitete. Die Serafe will prüfen, mit welchen Massnahmen sich solche Fehler künftig vermeiden lassen.