Seilziehen um Tempo 30 auf Kantonsstrassen: SVP-Grossrat Giezendanner befürchtet Verlangsamung durch die Hintertür

SVP-Grossrat Stefan Giezendanner befürchtet, dass auf den Kantonsstrassen «durch die Hintertür» Tempo 30 eingeführt wird. In Frick beispielsweise würden bei der Aufwertung der Ortsdurchfahrt die Spuren gemäss Planung «dermassen verkleinert und Hindernisse eingebaut, dass faktisch Tempo 20 installiert wird».

Giezendanner verlangte in einer Interpellation Antworten von der Regierung. Er fragte, ob der Regierungsrat weiterhin zu seinem Wort stehe, dass auf Kantonsstrassen auch innerorts weiterhin generell Tempo 50 gelten soll. Ja, antwortet der Regierungsrat nun: «Die gesetzlichen Höchstgeschwindigkeiten sollen möglichst flächendeckend eingehalten werden.» Kantonsstrassen seien verkehrsorientierte Strassen und sollen den Verkehr möglichst rasch überregional weiterleiten.

Bauliche Massnahmen anstatt Tempo 30

Gleichzeitig, so der Regierungsrat, sei er verpflichtet, allfällige Interessen von Dritten im Einzelfall «sorgfältig zu prüfen». Denn abweichende Geschwindigkeiten sind auch auf Kantonsstrassen rechtlich zulässig. Es gelte aber der Grundsatz, die «harte Massnahme» einer tieferen Maximalgeschwindigkeit mit anderen Massnahmen abzuwägen und die mildeste zu wählen.

Als Beispiel für solche milderen Massnahmen führt der Regierungsrat bauliche Massnahmen oder eine Verengung der Fahrbahn auf. Diese führen dazu, dass ein Strassenabschnitt gar nicht erst mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h befahren werden kann, ohne dass aber eine Geschwindigkeitsreduktion über einen ganzen Streckenabschnitt eingeführt werden muss.

Mehr Emissionen wegen Brems- und Beschleunigungsvorgängen

Stefan Giezendanner argumentiert, durch solche «Verlangsamungsmassnahmen» leide einerseits die Verkehrssicherheit; andererseits würden die Brems- und Beschleunigungsvorgänge mehr CO2-Emissionen freisetzen, als es bei fliessendem Verkehr der Fall ist.

Der Regierungsrat hält hingegen fest, die CO2– und Schadstoffemissionen seien vor allem vom Verkehrsfluss und weniger von der Geschwindigkeit abhängig: «Eine richtig eingebettete Temporeduktion kann zur Verstetigung des Verkehrsflusses und zum Abbau von Stau und somit auch zur Reduktion der Emissionen und Lärmbelastung beitragen.»

Bezogen auf die Ortsdurchfahrt in Frick hält der Regierungsrat fest, dass die Fahrbahn mit einer Breite von sechs Metern «sicherlich an der Untergrenze» sei, «schwerwiegende Probleme» auf anderen Strassen mit dieser Breite jedoch nicht bekannt seien.

Ein Auto und ein Lastwagen könnten sich «problemlos» mit Tempo 50 begegnen. Zwischen zwei Lastwagen sei eine tiefere Geschwindigkeit nötig. Bis die Hauptstrasse in Frick saniert wird, dürfte es allerdings sowieso noch dauern: Das Projekt des Gemeinderates, welches Giezendanner kritisierte, wurde an der Gemeindeversammlung mit grosser Mehrheit zurückgewiesen.

Kanton setzt mildeste und nicht gewünschte Massnahme um

Reduzierte Geschwindigkeiten auf den Kantonsstrassen wünschen sich laut Regierungsrat «diverse Gemeinden» auf den Kantonsstrassen in ihren Dörfern. Die Ziele von Kanton und Gemeinden würden sich dabei oft decken. Unterschiedliche Haltungen gebe es jedoch in der Umsetzung, schreibt die Regierung. Der Kanton wahre aber die Verhältnismässigkeit und setze die «mildeste und nicht die gewünschte Massnahme» um.

Das Thema bleibt auch in der kantonalen Politik aktuell. Mitte September haben die Fraktionen der Grünen, der SP und der GLP sowie zwei Grossratsmitlieder von Die Mitte eine weitere Interpellation eingereicht. Sie argumentieren, eine stark befahrene Kantonsstrasse mitten durch den Dorfkern führe dazu, dass die Gebäude entlang der Strasse immer unattraktiver für Geschäfts- und Wohnnutzungen werden. Für die Dorfbevölkerung sei zudem die Verkehrssicherheit und Nutzerfreundlichkeit eingeschränkt.

Wie hält der Regierungsrat von «Tempo 30» während der Nacht?

Die Interpellantinnen und Interpellanten interessiert, ob mit Tempo 30 die vorgegebenen Lärmlimiten ohne kostspielige Lärmschutzwände eingehalten werden könnte oder ob sich der Regierungsrat vorstellen könnte, dass auf gewissen Kantonsstrassen nur zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten Tempo 30 gilt.

Die letzte Idee ist nicht neu. Ende Mai wurde auf der Online-Plattform Petitio eine Petition eingereicht, die auf allen Aarauer Strassen Tempo 30 zwischen 22 und 6 Uhr fordert. Lausanne hat diese Regel als erste Schweizer Stadt kürzlich eingeführt.