
Sexismus-Debatte im Verkehr: Genfs Strassenschilder haben nun ein Geschlecht
Genfs Stadtpräsidentin macht den Strichmännchen einen Strich durch die Rechnung. Sandrine Salerno hat beschlossen, die Strassenbeschilderungen in der Stadt femininer zu gestalten. 250 Piktogramme, die bisher ein schwarzes Strichmännchen beim Überqueren der Strasse zeigten, werden abmontiert und durch feminine Sujets ersetzt: Frauen mit Babybauch, ältere Frauen mit Gehstock, zwei Frauen Hand in Hand, Frauen mit Locken, dünnere und dickere Frauen. 250 Schilder überleben das Strichmännchen-Massaker. So erreicht die Stadt eine ausgewogene Gender-Beschilderung. Halb männlich, halb weiblich.
Salerno betont, wie wichtig Symbole im Alltag seien, da sie Werte in der Gesellschaft beeinflussen. Dazu gehöre auch der öffentliche Raum. Frauen würden sich auf Trottoirs und Strassen viel zurückhaltender und zielgerichteter bewegen, insbesondere wenn es dunkel wird, während Männer das Gefühl hätten, sie könnten sich überall frei bewegen. «Mit den Schildern wollen wir die Vielfältigkeit der internationalen Genfer Gesellschaft widerspiegeln.»
56000 Franken kostet die Aktion
Den Ersatz der 250 Schilder lässt sich die Stadt 56’000 Franken kosten – 224 Franken pro Schild. «Das macht Sinn», sagt Dal Busco. Genf leiste hier Pionierarbeit leiste. Die Strichmännchen in den Rot-Grün-Ampeln könne man allerdings nicht ändern, da man hier gewisse Normen erfüllen müsse.
Die Stadtregierung hat sechs weibliche Sujets kreiert. Was auffällt: Frauen mit Behinderungen sind nicht abgebildet. Das sorgt bei der Organisation Inclusion Handicap für Kopfschütteln: «Die neue Beschilderung in Genf will nicht nur Frauen, sondern auch die Diversität in der Gesellschaft abbilden», sagt ein Sprecher. «Dass dabei nicht auch eine Frau mit Behinderungen abgebildet wird, ist schade. Da wurde ein Chance verpasst.» In der Schweiz leben rund 1.7 Millionen Menschen mit Behinderungen. Wolle man die Diversität der Gesellschaft abbilden, gehören auch Menschen mit Behinderungen dazu, so der Sprecher des Dachverbands der Schweizer Behindertenorganisationen. «Die Schilder zeigen symbolisch auf, dass Menschen mit Behinderungen häufig vergessen gehen.»
Zebrastreifen in Regenbogen-Farben
Julia Nentwich, Titularprofessorin für Psychologie und Expertin für Gleichberechtigungsthemen, begrüsst die Genfer Offensive. «Heutige Piktogramme sind nun mal in der Regel männlich. Das bestätigt die Männlichkeit als Norm, während die Weiblichkeit zur Abweichung der Norm wird.» Das Ändern der Strassensymbole sei ein kleiner, aber wesentlicher Beitrag auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. «Für manche Leute mag es lächerlich erscheinen, aber das ist bei einzelnen Baustellen oft der Fall.» Die Gleichberechtigung habe nach wie vor hunderte von Baustellen vor sich. «Alle zusammengenommen machen schlussendlich den Unterschied.» Es sei wichtig, weiter auf die Gleichstellung von Frau und Mann hinzuarbeiten, da noch immer Frauen in der Gesellschaft in vielen Bereichen diskriminiert würden, wie wissenschaftliche Studien zeigten.