So sieht Einkaufstourismus heute aus: Zum Zahnarzt nach Deutschland – mit Katzenfutter zurück

Das Grenzregime ist zwar gelockert. Einkaufstourismus aber ist nach wie vor verboten. Nur: Wie gut halten sich die Schweizer daran? Das soll ein Augenschein der AZ an den Hotspots jenseits der Grenze zeigen. Zuerst in Bad Säckingen, auf dem Parkplatz vor einem Grossverteiler. Ein Mann aus Oeschgen hat in einem Baumarkt gerade eine Topfpflanze gekauft. Jetzt wolle er noch beim Discounter vorbei und «mal schauen, was so im Angebot ist. Vielleicht nehme ich noch ein bisschen Butter mit», erzählt er und fügt angesichts dieser bescheidenen Mengen an: «Das kann man doch nicht Einkaufstourismus nennen.»

Doch bescheidene Menge hin oder her: Der Mann hatte eigentlich keinen triftigen Grund zur Einreise nach Deutschland. Er wurde nicht erwischt, weil die deutschen Grenzbeamten inzwischen nur noch stichprobenartig kontrollieren. Bei der Rückreise in die Schweiz aber droht ihm eine Busse, sollten ihn die Beamten der Eidgenössischen Zollverwaltung kontrollieren.

Der Mann aus Oeschgen ist ein Beispiel. Der Augenschein vor Ort zeigt allerdings: Die Parkplätze vor den Einkaufstourismus-Hotspots sind nicht nur leerer als vor Corona. Es sind auch deutlich weniger Schweizer Kenn­zeichen zu sehen – an diesem Nachmittag sind es wohl rund zehn Prozent. Und die Autos mit Schweizer Kennzeichen müssen auch nicht unbedingt Schweizern gehören. «Ich bin deutscher Grenzgänger, ich darf hier einkaufen», sagt etwa ein Mann um die 40. Er parkiert seinen weissen Kombi mit Aargauer Nummernschild, seinen Firmenwagen, vor einem Bad Säckinger Lebensmittelmarkt. Ein älteres Ehepaar entsteigt einem Chrysler, ebenso im Aargau zugelassen. «Wir wollen ein Paket auf die Post bringen», erzählen die beiden, die in Stein wohnen. Coronaschutzmasken für die Tochter, die in Dortmund wohnt, seien darin. Einkaufen wollten sie eigentlich nicht, «nur Lakritz und Remouladensauce – das bekommen wir in Stein nicht so.» Aber das gehe in Ordnung, sei mit dem Zoll abgemacht. «Sonst kaufen wir eigentlich immer in der Schweiz ein», beteuert die Frau.

Zoll verteilte rund 100 Bussen an Einkaufstouristen

In badischen Laufenburg beim Einkaufscenter Laufenpark zeigt sich das gleiche Bild. Auch hier sind vereinzelt Schweizer Nummernschilder zu sehen – aber auch hier scheint kaum jemand nur wegen des Einkaufs da zu sein. Oder zumindest gibt das niemand einfach so zu. Eine Deutsche, die in Muri wohnt, hat nach eigenem Bekunden die Grenze wegen eines Zahnarzttermins überschritten. Jetzt nimmt sie, bevor sie wieder den Heimweg antritt, noch eine Packung Katzenfutter aus dem Drogeriemarkt mit. Nur diese Sorte alleine fresse das Tier. «Ich gehe mal davon aus, dass das in Ordnung ist. Ich bin ja nicht nach Deutschland eingereist, um einzukaufen. Sonst hätte ich mich das gar nicht getraut», sagt sie.

Katharina Kessler, Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, gibt ihr Recht: «Die Einreise ist wegen eines Arzt­termins erfolgt. Und deutsche Staatsbürger mit Wohnsitz Schweiz brauchen ohnehin keinen triftigen Grund zur Einreise.» Warum sie in Deutschland waren, interessiert aber beim Zurückkommen die Eidgenössische Zollverwaltung. Erfolgte die Fahrt nach Deutschland ausschliesslich, um dort einzukaufen, ist das verboten. «Dann muss man mit einer Busse in der Höhe von 100 Franken rechnen, unabhängig von der Menge der gekauften Produkte», so Mediensprecher Matthias Simmen. Am Auffahrtswochenende seien gesamtschweizerisch 100 solcher Bussen verhängt worden. Simmen: «Das liegt also auf tiefem Niveau.»

Keine Busse fürchten muss auch ein Mann aus Eiken. Er hat sich in Laufenburg mit Lebensmitteln für sicher über 50 Euro eingedeckt. Und auch er hatte einen triftigen Grund zur Einreise: «Ich musste, weil ich Deutscher bin, auf das Finanzamt in Bad Säckingen.»