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Sollen die Parlamente zurück ins alte Zürcher Rathaus?

Sollen die Parlamente zurück ins alte Zürcher Rathaus?

Seit Corona tagen der Zürcher Kantonsrat und der Gemeinderat im Oerliker Exil. Nun stellt sich die Frage: Wie weiter mit den Parlamenten?

Matthias Scharrer

Zwischen Limmatquai und Rathausbrücke thront das von den Parlamenten seit Corona verlassene Zürcher Rathaus.

Matthias Scharrer

Altehrwürdig sei es: Auf diese Beschreibung stösst immer wieder, wer sich mit dem Zürcher Rathaus befasst. Nun, alt ist es ganz sicher: 1692 bis 1700 erbaut, floss schon viel Limmatwasser unter dem Gebäude inmitten der Altstadt durch, während oben im Ratssaal Politik gemacht wurde. Dann kam Corona. Und nach einer kurzen Schockstarre ohne Parlamentssitzungen wichen der Zürcher Kantons- und der Gemeinderat nach Oerlikon aus. Seither tagen die Parlamente in einer grossen, seelenlosen Messehalle im Norden der Stadt. Doch einige zieht es zurück ins enge, altehrwürdige Rathaus an der Limmat. Und zwar schnell. Trotz Corona.

Weil nun fast alle Parlamentsmitglieder geimpft seien, wäre dies machbar, heisst es in einem Vorstoss von FDP und AL, der für die Gemeinderatssitzung am Mittwoch traktandiert ist. Unterschrieben haben ihn 40 von 125 Mitgliedern des Stadtparlaments. Im Kantonsrat ist ebenfalls ein Vorstoss hängig, der eine rasche Rückkehr ins Rathaus fordert. Er stammt von Hans-Peter Amrein (SVP).

Renovationspläne für das alte Rathaus

Doch gleichzeitig stellen sich viele Parlamentsmitglieder die Frage: Wie zeitgemäss ist dieser barocke Bau für ein modernes Parlament überhaupt noch? Anders formuliert: Wie muss ein modernes Parlament aussehen? Die Frage ist nicht aus der Luft gegriffen, denn in den nächsten Jahren soll das Rathaus ohnehin zusammen mit der Rathausbrücke rundum erneuert werden; die Zürcher Parlamente werden derweil ab 2023 in der Kirche Hard an der Bullingerstrasse im Zürcher Kreis 4 tagen.

Eines vorweg: Eine rasche Rückkehr ins alte Rathaus noch vor der Renovation wäre im Kantonsrat – Stand jetzt – wohl nicht mehrheitsfähig. Dies ergab eine Mailumfrage dieser Zeitung, bei der alle 180 Kantonsratsmitglieder um ihre Meinung gefragt wurden.

Nur bei der SVP ist eine Mehrheit derer, die Stellung nahmen, für eine rasche Rückkehr. FDP, GLP und die Mitte sind zwar gespalten, aber tendenziell gegen eine baldige Rückkehr. SP, AL, Grüne und EVP sprechen sich deutlich für den vorläufigen Verbleib in der weitläufigen Messehalle aus. Die epidemiologische Lage mache dies notwendig, so der mehrheitliche Tenor. Im Rathaus wären die Platzverhältnisse insbesondere für den 180-köpfigen Kantonsrat zu eng; beim 125-köpfigen Gemeinderat sehe dies womöglich anders aus.

Im Zürcher Rathaus sind die Platzverhältnisse eng.

Chris Iseli

«Haus der Demokratie» wurde abgelehnt

Links der Mitte plädieren die meisten Kantonsratsmitglieder, die sich an der Umfrage beteiligten, indes sogar dafür, auch langfristig nicht mehr ins alte Rathaus zurückzukehren. Schon 2019 hatten SP und EVP per Motion ein neues «Haus der Demokratie» gefordert. Damals fand der Vorstoss über die SP, EVP und ein paar Grüne hinaus allerdings keine Unterstützung und scheiterte.

Stimmen für Reformen mehren sich

Dieser Entscheid dürfte vorerst Bestand haben. Allerdings mehren sich die Stimmen, die trotzdem kein «Weiter wie vor Corona» im alten Rathaus wollen. So hält etwa Sonja Gehrig (GLP, Urdorf) fest:

«Aus meiner Sicht ist das Rathaus jetzt und auch in Zukunft zu eng, ungeachtet seines Charmes und so altehrwürdig es auch ist.»

Selbst aus den Reihen der FDP und SVP, die sich langfristig klar für eine Rückkehr ins alte Rathaus aussprechen, kommt der Ruf nach Reformen. FDP-Kantonsrätin Arianne Moser fände es ideal, den Kantonsrat von 180 auf 120 Personen zu verkleinern. Dies verbessere die Raumsituation und ermögliche dem Parlament ein effizienteres Arbeiten. SVP-Kantonsrat Stefan Schmid meint dazu: «Sollte die Mehrheit der Meinung sein, dass der Platz für 180 Sitze nicht mehr ausreicht, wäre meines Erachtens eine Redimensionierung des Kantonsrates auf 120 bis 150 Sitze eine Option.»

Wie sich die Situation bislang im Rathaus darstellte, schildert Urs Dietschi, Kantonsrat der Grünen: «Will ich im Rathaus wegen eines Gesprächs aus der Sitzreihe, so quetsche ich mich an meinen Sitznachbarn vorbei – oder diese müssen zuerst aus der Reihe treten, um mich rauszulassen.»

Zweifel an der Modernisierbarkeit

Gespräche mit anderen Parlamentsmitgliedern wie auch mit Presseleuten seien in einem grosszügig-modernen Raum besser möglich, betont auch der Schlieremer Stadtpräsident und SP-Kantonsrat Markus Bärtschiger. Er folgert: «Deshalb kann das Rathaus langfristig kaum mehr als sinnvoller Tagungsraum für die Ratssitzungen dienen.»

Anders sieht es Pierre Dalcher (SVP, Schlieren):

«Wir sind überzeugt, dass das Gebäude modernisiert werden kann für eine stimmungsvolle Debatte.»

Eine Modernisierung hat der Regierungsrat bereits beschlossen: Die noch zu beschaffende Anlage für Videoübertragungen aus der Kirche Hard, wo der Kantonsrat während der Renovation des Rathauses bis mindestens 2027 tagt, soll künftig auch im Rathaus zum Einsatz kommen. Vor Corona gab es dort noch keine Online-Liveübertragungen. Das altehrwürdige Haus ist im Wandel.

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