SVP-Knecht warnt vor hohen Flüchtlings-Kosten: Wer zahlt für die irakische Familie?

Das Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ermöglicht schutzbedürftigen Menschen die legale Flucht und eine dauerhafte Niederlassung im Zielland. Darunter fallen zum Beispiel Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, oder Familien aus syrischen Kriegsgebieten. Sie durchlaufen kein Asylverfahren und erhalten direkt die Aufenthaltsbewilligung B.

Im Aargau leben momentan rund 165 Resettlement-Flüchtlinge aus Syrien. Sie kamen in den letzten drei Jahren in die Schweiz. Nach ihrer Ankunft werden sie zuerst in kantonalen Asylunterkünften untergebracht. Zudem bekommen sie von der Caritas einen Coach zur Seite gestellt. Dieser ist zwei Jahre für die Flüchtlinge zuständig. Er macht sie mit Schweizer Regeln und Moralvorstellungen bekannt und hilft ihnen, ein eigenständiges Leben zu führen. Laut Caritas ist es ein grosses Ziel, dass die Flüchtlinge möglichst rasch eine eigene Wohnung beziehen.

«Wer zahlt, befiehlt»
Genau darin sieht Hansjörg Knecht, SVP-Nationalrat aus Leibstadt, den drohenden Ruin von Aargauer Gemeinden. Knecht befürchtet, dass die Gemeinden mit zusätzlichen Sozialkosten belastet werden. Deswegen reichte er im Nationalrat einen Vorstoss ein, der verlangt, dass der Bund zur Finanzierung des Resettlement-Programms Stellung nehmen soll. «Die finanz- und sozialpolitischen Auswirkungen für die aufnehmenden Gemeinden wurden zu wenig bedacht», schreibt Knecht. Es stelle sich die Frage, ob Resettlement-Flüchtlinge schwerer zu integrieren seien. Zudem seien auch ältere Menschen darunter, die gar nicht erwerbstätig sein können. Die Konsequenz: «Nachdem die Übergangsfrist vorbei ist und der Bund aufhört, für die Flüchtlinge zu zahlen, muss die Gemeinde für die Personen aufkommen». Das verstosse gegen das Prinzip «wer zahlt, befiehlt», findet Knecht. Auf Nachfrage der AZ erklärt er den Auslöser für seinen Vorstoss: «In Leuggern bezog eine 11-köpfige Familie aus dem Irak zwei Wohnungen.» Die Personen seien via Resettlement hierhergekommen. Leuggern habe aber schon viele Flüchtlinge aufgenommen und sei mit der erneuten Belastung überfordert.

Recht auf freie Wohnungswahl
Sandra Stamm ist Leiterin der Sektion Öffentliche Sozialhilfe des Departements Gesundheit und Soziales im Aargau. Sie sagt: «Resettlement-Flüchtlinge haben das Recht auf freie Wohnsitzwahl im Bewilligungskanton.» Der Bund teilt diese Flüchtlinge zuerst gemäss Verteilschlüssel den Kantonen zu. Aber: «Der Kanton kann weder Resettlement-Flüchtlinge noch andere anerkannte Flüchtlinge mit B-Ausweis den Gemeinden zuweisen», so Stamm. Bei der Wohnungssuche bekommen die Resettlement-Flüchtlinge Unterstützung des Caritas-Coaches. Trotzdem würden «die Mietverträge nicht vom Kanton oder der Caritas unterzeichnet.» Die Mietparteien seien der Liegenschaftsbesitzer und die Flüchtlinge, so Stamm.

Leuggern am Limit?
Die 11-köpfige Flüchtlingsfamilie aus dem Irak besteht aus sieben Kindern, den Eltern und Grosseltern. Sie wohnen seit Anfang Januar in der 2100-Einwohner- Gemeinde Leuggern. Susanne Keller (parteilos) ist dort Vizeammann und für das Sozial- und Asylwesen zuständig. Mit der Nachricht der Caritas, dass die Familie nach Leuggern ziehen werde, sei man vor vollendete Tatsachen gestellt worden, sagt sie. «Caritas hat uns zwar informiert, aber der Gemeinderat wurde nie gefragt, ob Leuggern eine zusätzliche finanzielle Belastung tragen kann.» Die Gemeinde sei auch profitgierigen Vermietern ausgeliefert, die ihre teils schlecht unterhaltenen Wohnungen an Flüchtlinge vermieten.

«Die finanzielle Regelung bei Resettlement-Flüchtlingen ist sehr unklar formuliert», kritisiert sie. Eine Nachfrage beim Staatssekretariat für Migration zeigt: Für diese Flüchtlinge gibt es 6000 Franken als Integrationspauschale. Zudem könnten die Kantone im laufenden Resettlement-Programm 2017 bis 2019 die Integrationsmassnahmen mit einem zusätzlichen Bundesbeitrag von 11 000 Franken intensivieren. Weiter zahlt der Bund fünf Jahre lang pro Flüchtling eine Globalpauschale von rund 1500 Franken pro Monat. Sind die Flüchtlinge dann immer noch auf Sozialhilfe angewiesen, muss die Gemeinde die Kosten übernehmen. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen der Bund die Globalpauschale länger als fünf Jahre bezahlt. Laut Staatssekretariat für Migration ist das der Fall bei Resettlement-Flüchtlingen, die bei der Einreise behindert, krank oder betagt sind oder als unbegleitete Minderjährige in die Schweiz kommen. Dann zahlt der Bund längstens bis zur erstmaligen wirtschaftlichen Selbständigkeit.

Was gilt für die Grosseltern?
Bei der Flüchtlingsfamilie in Leuggern fallen die Grosseltern unter dieses Kriterium. Gemeinderätin Keller ist aber nicht sicher, wer später für sie zahlt. Rentner, die mit dem Resettlement-Programm in die Schweiz einreisen, seien wegen ihres Alters gar nicht mehr in den Arbeitsmarkt integrierbar. «Sie haben jedoch auch keinen Anspruch auf eine AHV-Rente, da sie keine Beiträge in der Schweiz entrichtet haben», sagt Keller. Ob es für sie Ergänzungsleistungen gebe, sei nicht klar und werde sich erst in fünf Jahren zeigen.

Auch der Kanton kann keine Klarheit schaffen. Aus dem Departement Gesundheit und Soziales heisst es, dass der Bund nicht genau formuliert habe, was «krank» bedeute und in welchen Krankheitsfällen er die Kosten übernehmen würde. Ausserdem seien die ersten Resettlement-Flüchtlinge erst 2015 in den Aargau gekommen. Daher sind die fünf Jahre, in denen der Bund zahlt, noch nicht abgelaufen.

Die sieben Kinder der Familie in Leuggern wurden kürzlich eingeschult. Das sei eine grosse Herausforderung für Schule und Lehrpersonen, sagt Susanne Keller. Doch sie sieht auch positive Aspekte: «Die Kinder werden später sicher erwerbstätig sein, und die Eltern machten den Eindruck, als wollten sie sich möglichst schnell integrieren und arbeiten.»