Testpflicht am Arbeitsplatz: «Der Arbeitgeber bekommt plötzlich Einsicht in die Gesundheitsdaten seiner Mitarbeiter»

Wie funktioniert sie genau, die neue Testpflicht für die Mitarbeiter von Unternehmen, die ab dem 31. Mai das Homeoffice aufheben wollen?

Genauso wie im Parlament? Dort spuckt jeder National- und Ständeräte in sein Röhrchen. Dieses geht ins Labor. Dort werden die Röhrchen in Zehnergruppen gepoolt. Ist ein Pool positiv, müssen alle zehn Getesteten zum PCR-Test und in Quarantäne, bis klar ist, wer positiv getestet wurde.

In etwa so stellen sich Parlamentarier, die selbst Unternehmer sind, das Prozedere vor. Falls am 31. Mai aus der Homeoffice-Pflicht tatsächlich eine Empfehlung wird. Und die Firmen die Mitarbeitende testen müssen, die ins Büro kommen.

Es gibt viele Fragen, die Skepsis ist gross – und einzelne Parlamentarier lehnen die Testpflicht rundweg ab. Wie etwa FDP-Ständerat Ruedi Noser.

Ruedi Noser (FDP): Jeder soll selbst entscheiden, ob er sich krank fühlt

«Die Idee mit dem Testen am Arbeitsplatz ist wenig durchdacht und kaum umsetzbar», sagt der Mitbegründer und Verwaltungsrat der Noser-Gruppe, die 600 Angestellte an zehn Standorten zählt . «Mitarbeitende sollen sich zuhause testen und selbst entscheiden, ob sie ins Büro gehen können oder nicht.» Genauso, wie sie das auch tun, «wenn sie sich krank fühlen», sagt Noser. «Der Bund soll die Homeoffice-Pflicht ohne weitere Auflagen aussetzen.»

Noser weist auch noch auf eine Ungleichbehandlung hin. «Wenn sich jetzt jene Angestellten testen lassen müssen, die aus dem Homeoffice an den Arbeitsplatz zurückkehren», sagt er, «dann müssten künftig auch alle Lehrer, Bauarbeiter, Buschauffeure und Supermarkt-Mitarbeiter getestet werden.» Die Homeoffice-Angestellten seien ja keine definierte Gruppe und damit «nicht unterscheidbar von Mitarbeitern, die nicht im Homeoffice waren».

Noch etwas verwundert Noser: die Datenschutz-Situation. «Damit bekommt der Arbeitgeber plötzlich Einblick in die Gesundheitsdaten seiner Mitarbeiter», sagt er. «Diese sind aber persönlich und geschützt. Der Arbeitgeber hat kein Recht darauf, sie zu kennen.»

Fabio Regazzi (Mitte): «Für Kleinstunternehmen problematisch»

«Wir kritisieren diese Teststrategie:» Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi.

«Wir kritisieren diese Teststrategie:» Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi.

Keystone (Granges-Paccot FR, 28. Oktober 2020)

Ähnlich kritisch beurteilt Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi die Testpflicht. Er ist Präsident des Gewerbeverbandes und Verwaltungsratspräsident der Regazzi SA, die auf dem Gebiet des Maschinenbaus und der Metallverarbeitung tätig ist. «Wir kritisieren diese Teststrategie», sagt er. «Sie ist gerade für Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern organisatorisch und logistisch problematisch. Diese Unternehmen haben zurzeit ganz andere Sorgen.»

Der Gewerbeverband wolle, dass die Homeoffice-Pflicht «ganz abgeschafft» werde, sagt Regazzi. Sein Familienunternehmen schickte die Mitarbeitenden «so weit wie möglich» ins Homeoffice. Zehn von 130 Mitarbeitenden waren zuhause, der Grossteil arbeitete im Werk oder auf Montage.

Gerhard Andrey (Grüne): «Nicht klar, was dies für Geimpfte bedeutet»

«Die Analyse braucht Zeit»: Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (rechts), hier mit GLP-Nationalrat Jörg Mäder.

«Die Analyse braucht Zeit»: Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (rechts), hier mit GLP-Nationalrat Jörg Mäder.

Keystone

Positiver als Noser und Regazzi beurteilt der grüne Nationalrat Gerhard Andrey die Situation. Aber er hat viele Fragen. «Es braucht nun ein paar Tage Zeit, um zu analysieren, was die Testpflicht für unser Unternehmen genau bedeutet», sagt er. «Auch ist noch nicht klar, was dies für Geimpfte und Genesene bedeutet.»

Andrey ist Mitgründer des Unternehmens Liip. Die IT-Firma entwickelt Internet- und Mobile-Applikationen und begleitet Unternehmen in der digitalen Transformation. Sie zählt heute 188 Mitarbeitende an sechs Standorten und setzt die Pflicht zu Homeoffice strikt um.

Jacqueline Badran (SP): «Sind froh, dass die Pflicht zu Homeoffice fällt»

«Froh, dass Homeoffice-Pflicht fällt»: SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (Mitte) mit den Co-Präsidenten Cédric Wermuth und Mattea Meyer.

«Froh, dass Homeoffice-Pflicht fällt»: SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (Mitte) mit den Co-Präsidenten Cédric Wermuth und Mattea Meyer.

Keystone (Bern, 8. Mai 2021)

«Wir sind grundsätzlich froh darüber, wenn auf irgend eine Art die Pflicht zu Homeoffice fällt», betont SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie ist Geschäftsführerin, Verwaltungsratspräsidentin und Mitinhaberin einer IT-Firma mit 30 Mitarbeitern. «Mit einer Ausnahme wollen die Mitarbeitenden wieder ins Büro. Der Austausch und der Fun-Faktor fehlen.» Bei Zeix habe man zwar Online-Kaffeepausen eingeführt. «Doch sie konnten das reale Büroleben nie ersetzen.» Auch Badran fehlt das Büro. «Wir leben vom Knowhow-Austausch per Zuruf.»

Deshalb will die Unternehmerin auch das Testen umsetzen. Wie genau, weiss sie noch nicht. «Das ist vorerst eine Idee, die viele Fragen aufwirft», sagt sie. «Wer holt die Tests ab? Der Velokurier? Wohin gehen sie – an eine Logistikstelle?» Das alles müsse wohl der Kanton Zürich klären. Eines hingegen ist für sie klar: Es müssen PCR-Spucktests sein und nicht Selbsttests. «Diese sind mir viel zu wenig genau», sagt sie. Gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind allerdings sowieso nur Spuck- und Antigen-Tests erlaubt.

Nur zehn Personen im dreistöckigen Arbeitsgebäude erlaubt

Badran machte in ihrem Unternehmen von Anfang an strikte Pandemie-Vorgaben. Die Plätze im Sitzungszimmer sind mit Plexiglas voneinander abgetrennt – wie in den Kommissionszimmern des Parlaments. Auch alle Büros mit mehr als einem Platz haben eine Plexiglas-Trennwand. Pro Raum dürfen sich nur vier Personen aufhalten – und im ganzen dreistöckigen Arbeitsgebäude nur zehn Personen.

«Ich habe noch eine zweite Kaffeemaschine gekauft, damit sich die Mitarbeitenden beim Kaffee holen nicht zu nahe kommen», erzählt sie. Bis heute haben aber, auch vor der Pflicht, fast alle zu Hause gearbeitet. Nur wer bestimmte Software oder speziell grosse Bildschirme benötigte, ging ins Büro. Oder wem die Decke auf den Kopf fiel.