
Tourismusdirektor Marcel Perren: «Luzern braucht mehr Betten im Luxusbereich»
Dieses Frühjahr tagten Tourismusdirektoren in Luzern zum Thema Tourist Office 3.0. Was bedeutet die Digitalisierung für den Tourismus jenseits einer Onlinebuchung?
Marcel Perren: Die Menschen sind zunehmend mit Smartphones unterwegs und erledigen darauf alles. Wir haben letztes Jahr die Tourist-Info im Bahnhof Luzern umgebaut und fragten uns, ob eine örtliche, physische Touristeninfo noch notwendig ist, respektive ob die Gäste nach wie vor einen Ort besuchen würden. Grundsätzlich sind alle Informationen auch digital abrufbar. Wir tendierten, alles zu digitalisieren, doch Fakt ist: Die sechs Schalter zählen jährlich über 300 000 Besucher. Obschon Ferien und Hotels weitestgehend online gebucht werden, schätzen die Gäste den persönlichen Kontakt vor Ort. Luzern Tourismus strebt daher ein sinnvolles Miteinander an: Wir nutzen neue Technologien und pflegen zugleich den persönlichen Kontakt.
Luzern Tourismus hat Ende 2017 die digitale Gästekarte lanciert. Wie ist diese angelaufen, gibt es erste Zahlen?
Die digitale Gästekarte ist zukunftstragend. Erste Rückmeldungen bestätigen uns darin. Sobald der Gast eincheckt, steht ihm eine digitale Gästekarte zur Verfügung, die er unter anderem für den öV, also für die Zone 10 in der Stadt Luzern, nutzen kann. Er kann zudem das Wireless im öffentlichen Raum nutzen und erhält verschiedene Vergünstigungen. Die Erfahrungen sind sehr positiv. Wichtig war, dass alle Partner mitmachen. Die Hotellerie ist sehr offen. In einer zweiten Phase wollen wir das weiterentwickeln. Ziel ist, den Statistikbereich, etwa die Meldescheine der Kurtaxe, zu digitalisieren.
Wo sehen Sie Gefahren und Vorteile sozialer Medien?
Soziale Medien sind im Vormarsch und damit auch das digitale Empfehlungsmarketing. Deshalb gehen wir diesen Weg gezielt mit. Unser Social Media-Manager bei Luzern Tourismus spürt Trends auf und betreut die Plattformen professionell. Die Chancen sind riesig: Touristen machen Fotos und teilen sie mit ihren Bekannten. Das ist die glaubwürdigste Kommunikation. Zudem sind Touristen sehr gute Botschafter für eine Destination. Sie erzählen ihre Erlebnisse weiter. Gewiss, die Eindrücke fallen subjektiv aus. So kann es bei Bewertungsplattformen auch zu Ausreissern kommen, die einzelne Betriebe in eine schiefes Licht stellen. Erfahrungsgemäss fallen die Bewertungen ausgewogen aus, sofern sich genügend Leute daran beteiligen. Die Social-Media-Chancen sind in jedem Fall grösser als die Risiken.
Luzern ist in den Top Five der Places to Go 2018 der New York Times. Was nützen solche Auszeichnungen klassischer Medien?
Auf eine renommierte Nennung wie in der New York Times werden wir viel angesprochen. Dass wir in diesen Medien so positiv stattfinden, ist das Verdienst der Leistungsträger. Sie agieren sehr aktiv und innovativ in der Zentralschweiz. Der Produktemix ist auf hohem Niveau einmalig. Deshalb berichten die Medien darüber. Eine renommierte Zeitung wie der New York Times und andere klassische Medien besitzen eine hohe Glaubwürdigkeit. Ihre Aussagen bewegen Menschen, unsere Region zu besuchen.
2017 hat Luzern Tourismus das beste Geschäftsjahr verzeichnet, eine Rekordzahl an Übernachtungen. Wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg?
Eine wichtige Basis ist unser Kooperationsmodell in der Region Luzern Vierwaldstättersee. Es ist sinnvoll, dass wir als Vermarktungsorganisation das internationale Marketing koordinieren. Die umliegenden Kantone und die Leitungspartner bearbeiten zusammen mit uns die Märkte. Die vielen starken Bergbahnen, alle Juweliere und die Schifffahrtsgesellschaft sind unteranderen Aktionärspartner von uns. Hinzu kommen beispielsweise auch die neuen Grossinvestoren in unserer Tourismusregion: Andermatt Swiss Alps und die Bürgenstock-Gruppe. Der Glaube an unsere Tourismusregion fördert die Investitionen. Den Rückgang am europäischen Markt durch den starken Schweizer Franken konnten wir durch Wachstumszahlen von amerikanischen und asiatischen Gästen überkompensieren. Von diesem Erfolg profitierte nicht nur die Stadt Luzern, sondern die gesamte Erlebnisregion mit ihrem breiten und komplementären Erlebnisangebot.
Der Anteil der Asiatischen Gäste liegt mittlerweile bei 33 Prozent. Sehen Sie das nicht als Klumpenrisiko?
Die asiatischen Gäste stammen aus vielen verschiedenen Nationen, daher bleibt das Klumpenrisiko klein. Auch weisen die asiatischen Märkte ein hohes Wachstumspotenzial aus. China als stärkster Markt kommt auf rund 10 Prozent. Auch der indische Markt boomt. Hingegen haben wir beispielsweise aus Japan in den vergangenen Jahren viele Gäste verloren.
Der Wegbruch des US-Marktes wäre wohl das grössere Problem?
Vom Volumen her betrachtet ist die USA der wichtigste ausländische Gästemarkt. Im letzten Jahr verbuchten wir 217 000 Logiernächte, was weniger als 20 Prozent entspricht. Der wichtigste und wenig riskanteste Markt ist der Heimmarkt. Für Schweizerinnen und Schweizer sind Währungs- und Wirtschaftsentwicklungen viel weniger wichtig als bei ausländischen Märkten.
Sie verfolgen ja in erster Linie eine Premiumstrategie. Haben Sie für Budgettouristen genügend Kapazitäten?
Es gibt sicherlich noch Potenzial für das eine oder andere Hotel in oder um Luzern. Bei uns war der letzte grosse Hotelbau das Radisson Blu im Jahr 2006. In der Stadt Luzern ist aber auch nicht viel Bauplatz an Toplagen verfügbar. Ibis Budget und kleinere Betriebe sind erfolgreich im Budgetsegment tätig. Im Jahr 2021 wird die neue Jugendherberge beim Verkehrshaus realisiert sein, die grosse Kapazitäten verspricht. Wir sind froh, um Erweiterungen des Angebotes. Insgesamt konnten sich die Hotelpreise positiv entwickeln, wohingegen in anderen Städten teils hoher Preisdruck herrscht durch viele neue Hotelinvestitionen.
Wie ist das Bürgenstock-Resort angelaufen?
Wir führen seit der Planungsphase eine enge Kooperation mit dem Bürgenstock Resort. Solche Grossprojekte bringen positive Synergien für die Gesamtregion Vierwaldstättersee. Für uns war die Shuttle-Anbindung nach Luzern sehr wichtig, um vom Wertschöpfungspotenzial zu profitieren.
Wer profitiert mehr: Die Stadt oder das Resort?
Beide. Es ist ein Austausch. Für die Gäste vom Bürgenstock ist die Stadt mit ihren Kultur-, Shopping- und Essangeboten sehr attraktiv. Und bis Mitternacht hat man die Möglichkeit, zurück zu reisen. Der Shuttle bietet ein schönes Erlebnis für sich, wie die ausgezeichnete Auslastung an Wochenenden belegt. Unter der Woche gibt es noch gewisses Steigerungspotenzial. Erfahrungsgemäss braucht es drei Jahre, bis ein Resort in dieser Grösse die gewünschten Zahlen erreicht. Gemäss unserer Einschätzung liegt das Resort gut auf Kurs. Der Bürgenstock war schon immer wichtig für Luzern. Jetzt stellt er erneut eine Bereicherung dar.
Das Palace Luzern wird für 100 Millionen Franken renoviert – gibt’s mit dem Bügenstock bald ein Überangebot im Luxussegment?
Luzern braucht noch Betten im Luxusbereich. Als Destination mit 1,3 Millionen Logiernächten haben wir im Vergleich zu Zürich oder Genf und anderen Städten im Top-Segment noch Potenzial. In der Erlebnisregion haben wir aber insgesamt auch im Luxussegment einiges zu bieten. Wir haben auch hier die Kräfte in einem Cluster gebündelt und preisen die Lake Lucerne-Luxury-Hideaways als Kooperation aller 5-Stern-Häuser gemeinsam an.
Das Palace Luzern ist in chinesischer Hand, das Bürgenstock Resort hat katarische Investoren, das Gütsch gehört (noch) einem Russen. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?
Unsere Tourismusregion ist auch für internationale Investoren interessant. Das ist überaus erfreulich. Dem Gast vor Ort interessiert nicht, ob das Palace Luzern chinesischen Investoren gehört, der Bürgenstock den Katarern oder im Parkhotel in Vitznau einem Österreicher. Es kommt auf das Gästeerlebnis an. Für uns ist wichtig, dass diese Investoren auch aktiv mit uns zusammenarbeiten und sich konstruktiv einbringen. Dank den Investitionstätigkeiten von Herrn Sawiris war beispielsweise in Andermatt eine sehr erfreuliche Tourismusentwicklung einer gesamten Destination möglich.
2021 findet die Universiade in der Innerschweiz statt. Als Organisator hat man da auch Sperrkapazitäten bei den Hotels. Wie bringen Sie den klassischen Tourismus an der Universiade vorbei?
Im Winter verfügen wir über genügend freie Kapazitäten und wollen just in der Wintersaison noch zulegen. Zusammen mit den Veranstaltern haben wir im letzten Jahr bereits mit allen Hotels Kontakt aufgenommen. In der Stadt sind viele Hotelpartner bereit, Zimmer zu Sonderkonditionen zur Verfügung zu stellen. Bei der Planung nahmen wir auf Anlässe wie die Fasnacht und das chinesische Neujahr Rücksicht und besetzten das Zeitfenster mit der tiefsten Hotelauslastung in Luzern mit diesem Grossanlass.