
Trotz der Konkurrenz aus dem Internet weiterhin auf Sendung: Ladys and Gentlemen, Rock’n’Roll
Der einflussreichste Musiksender der Welt begann stilbewusst mit den Worten: «Ladys and Gentlemen, Rock’n’Roll.» Und umso selbstironischer folgte die britische New-Wave-Band The Buggles mit dem Song «Video Killed The Radio Star». Vor 40 Jahren ging mit MTV das erste reine Musikfernsehen an den Start. Es sollte die Industrie revolutionieren und Musiker zu Weltstars machen – doch bekam es in den letzten Jahrzehnten übermächtige Konkurrenz.
Als hingen die VJs daheim mit Kumpels ab
Dass MTV damals anders war als die gängige spröde TV-Landschaft, wurde dem Publikum am 1. August 1981 schon in den ersten Minuten klar. Junge, hippe Moderatoren – Videojockeys oder kurz VJs genannt – sprachen da mit einem Selbstverständnis in die Kameras, als hingen sie im Wohnzimmer mit Kumpels ab. Mark Goodman – unverschämt dichte Locken und drei offene Hemdknöpfe – machte den Anfang: «Vor wenigen Augenblicken haben alle VJs und die Crew hier bei MTV gemeinsam unserer Produzentin Sue Steinberg eine Flasche Champagner über den Kopf geschlagen» – und siehe da, ein neues Konzept ist geboren!
Das Internet zieht MTV den Stecker
Dem Aufsehen der ersten Stunden folgten recht schwierige erste Jahre. Zum einen lag das daran, dass Musikvideos noch kein Standard waren, sodass das 24-Stunden-Programm irgendwann recht eintönig wurde. Zum anderen konnte MTV als Kabelsender in den USA zunächst nur von einer begrenzten Zahl von Menschen empfangen werden. MTV antwortete damit, sich vom Rock-Fokus zu verabschieden und verstärkt auch R’n’B zu spielen. Auch Videos zu Liedern wie «Billie Jean» und «Beat It» von Michael Jackson schlugen ein. Der grosse Einfluss von MTV trieb die Karrieren von Musikerinnen wie Madonna voran.
Diese goldenen Jahre von MTV brachten schliesslich mehrere Schwesterkanäle und 1987 den Ableger MTV Europe in die Welt. Der deutschsprachige Konkurrenzsender Viva übte dann sogar so viel Druck auf das Original aus, dass 1997 MTV Germany startete. In dieser Zeit begann der Sender auch in den USA damit, mehr Inhalte ohne Musik zu senden: Plötzlich liefen Seifenopern, Quiz, Realityshows und Cartoons – Musik als Grund einzuschalten, wurde immer nebensächlicher.
Bis heute ist MTV auf Sendung, die von MTV vergebenen Auszeichnungen bei üppigen Award-Shows versprühen noch etwas Glanz. Doch zur Avantgarde gehört der Musiksender längst nicht mehr, und so dürfte der 40. – ohnehin nicht mit grösstem Enthusiasmus erwartete – Geburtstag wohl nicht mehr besonders gross ausfallen.
Grund für den Niedergang von MTV ist hauptsächlich das Internet. Schliesslich wartet heute absolut niemand mehr darauf, dass ein bestimmter Song im Fernsehen kommt, wenn jeder mögliche Inhalt online auf Abruf steht. Es entbehrt nicht gewisser Ironie, dass die ersten Stunden des Senders auf der Video-Plattform Youtube verfügbar sind.