Tschechiens Schock-Therapie verfehlt ihre Wirkung: Würde die Horror-Foto-Kampagne in der Schweiz funktionieren?
Tschechiens Schock-Therapie verfehlt ihre Wirkung: Würde die Horror-Foto-Kampagne in der Schweiz funktionieren?
Die Prager Horror-Inserate haben heftige Debatten ausgelöst. Ihre Wirkung haben sie bislang aber verfehlt. Ändert sich das jetzt?
Die tschechische Schocktherapie hat ihre Wirkung verfehlt. Vor einer Woche startete die Regierung in Prag mit einer landesweiten Kampagne und liess in den Medien Fotos von verstorbenen Covid-Patienten mit griffigen Überschriften wie «Er glaubte den Fehlinformationen» publizieren. Ziel war es, die tiefe Impfrate von gerade mal 57 Prozent zu erhöhen und die Spitäler vor einem Kollaps zu bewahren.
Gebracht hat die gut gemeinte Horrorshow bislang ähnlich wenig wie die vergleichsweise äusserst brave Impfwoche in der Schweiz. In den letzten sieben Tagen ist die tschechische Impfquote um 0,5 Prozent gestiegen. Deutlich rascher schiessen währenddessen die täglichen Neuansteckungen (derzeit mehr als 11500, 2500 mehr als vor einer Woche) in die Höhe.
Die Armee hilft in acht Spitälern aus, die am Rande des Kollapses stehen. Und mobile Impfteams werden vor allem im Osten des Landes immer wieder hart beschimpft oder gar mit Steinen beworfen, wie Betroffene dem englischsprachigen Radio Prague International erzählten.
Bern will weiterhin auf «Furchtappelle» verzichten
Ausgelöst hat die Kampagne vor allem eines: heftige Debatten über die Grenzen des Sag- und Zeigbaren. Vojtech Petracek, der Rektor der technischen Universität Prag, beklagt in einem offenen Brief die «geschmacklose» Kampagne, die man stoppen müsse, um «psychologische Schäden» zu verhindern.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Bern sieht im tschechischen Vorgehen ebenfalls kein Vorbild. «Furchtappelle erregen hohe Aufmerksamkeit, gleichzeitig laufen sie Gefahr, bei einem Teil der Bevölkerung auf Ablehnung zu stossen», teilt das BAG auf Anfrage mit. Man setze deshalb weiterhin auf Fakten und positive Botschaften.
Adam Vojtech, der tschechische Gesundheitsminister, glaubt nicht, dass dieser Ansatz reicht. Im tschechischen Radio sagte er:
«Wir müssen allen, die in ihrer Komfort-Zone hocken, die schlimme Realität in den Spitälern zeigen.»
Zu Hilfe eilte ihm Jan Krajhanzl von der Masaryk-Universität. «Wenn einer aufs Deck der Titanic rennt und ruft: «Das Schiff sinkt!», werden wir den dann beschimpfen, weil er die gute Stimmung kaputt macht?», fragte der Psychologe.