Überheblichkeit

«Bei diesem Wetter kann ich das Homeoffice nachmittags auf der Terrasse erledigen. Sonne bekommt mir nämlich gut … Als ich schnell durch den Coop huschte, um Nikotin-Nachschub zu besorgen.» Was für den Kommentator im Zofinger Tagblatt vom 19. März offensichtlich keine Überheblichkeit, sonder pure Notwendigkeit war.

Auf der anderen Seite sieht er Senioren in Kleingruppen, die sich verantwortungsvoll und gesundheitsfördernd, dem Rat des Basler Kantonsarztes folgend, an der Sonne bewegen. Das stört ihn. Sie spricht er in aus meiner Sicht überheblich mit «Liebe Seniorinnen und Senioren» an, deren Wohl ihm so sehr am Herzen liege. Die Senioren ab 65 als Risikogruppe zu bezeichnen, mag angehen. Nikotinabhängige davon auszunehmen geht gar nicht. Dass man die Alten nicht auf den Intensivstationen will, um Platz für wichtigere Leute zu haben, für jüngere aus Risikogruppen zum Beispiel, kann man knapp nachvollziehen. Mit Schützen der älteren Generation hat das allerdings nichts zu tun.

Zwischenfazit: Ein Redaktor dieser Zeitung liegt auf dem Balkon beim Homeoffice und schreibt eine Kolumne. Zwischendurch huscht er auf der Suche nach Stoff durch den Coop, Senioren beobachtend, die seiner Ansicht nach nicht dort sein sollten. Dabei hat er wichtige Aufgaben zu erfüllen, weswegen er keine Zeit hat, darüber nachzudenken, warum die dort sind und warum sich Senioren einen gesundheitsfördernden Aufenthalt an der Sonne gönnen.

Wenn man sich vor Augen hält, dass mehrtägige Aufenthalte in der eigenen Wohnung, ohne Bewegung und ohne nach draussen an die frische Luft und an die Sonne gehen zu dürfen, ganz bestimmt krank machen, wäre das vielleicht eine Überlegung wert gewesen. Dies vor allem wenn man bedenkt, dass alle diejenigen, die, wie er meint, «die Füsse stillhalten» sollen, damit einen Beitrag leisten, Krankheitskosten im Allgemeinen und aktuell Überbelegungen in Spitälern im Besonderen zu reduzieren. Persönlich werde ich es mir nicht nehmen lassen, Vorsorge in der Natur zu betreiben. Dabei werde ich es tunlichst vermeiden, Leuten ohne Willen zum Nachdenken zu begegnen. Durchaus offen für die allermeisten Massnahmen in dieser speziellen Situation, bin ich entsetzt, wie jemand mit nicht durchdachten Äusserungen den Generationenvertrag belastet.

Bruno Hostettler, Zofingen