
Verein unterstützt Familien beim Trauern um Angehörige, denn «Kinder trauern anders»
Die Morgensonne erhellt die kleinen bunten Windräder. Der Wind lässt sie in Ruhe. Sie stecken in Kindergräbern des Friedhofs Friedental in Luzern. Vor ihnen liegen Spielzeugautos. Ein Symbol dafür, wie Familien um verstorbene Kinder trauern. Und ein Symbol für die Arbeit des Vereins familientrauerbegleitung.ch.
Einige hundert Meter von den Gräbern entfernt hat der Verein mit Sitz in Luzern eine Stunde zuvor zur Medieninformation in der Abdankungshalle geladen. Der zweijährige Verein will an diesem Ort auf das Problem fehlender Betreuung trauernder Familienmitglieder aufmerksam machen, und im Besonderen für eine enge Begleitung von trauernden Kindern sensibilisieren.
Angebote nur für Erwachsene
Ein Szenario könnte sich beispielsweise so abspielen: Der Vater von Daniel (11) und Vivianne (8) stirbt nach langer Krankheit. Die Mutter, erschöpft von den vergangenen Wochen der Pflege und erschüttert vom Tod ihres Mannes, muss sich um die Formalitäten und die Organisation der Beerdigung kümmern. Die Kinder werden dabei in ihrer Trauer sich selbst überlassen.
Der Verein möchte solchen Situationen beikommen. «Wir wollten damit eine grosse Lücke schliessen», sagt Eliane Bieri, die Präsidentin des Vereins. Ähnliche Angebote gebe es bisher lediglich für Erwachsene. «Doch Kinder trauern anders. Sie machen das sprunghaft», sagt Bieri. An einer Beerdigung wollen sie vielleicht lieber herumspringen und nicht auf Knopfdruck trauern.
Der Verein sieht sich als Ergänzung zur Seelsorge und als niederschwelliges Angebot, das allen Familien offen steht. Eliane Bieri betont, dass das Angebot des Vereins konfessionell sowie parteipolitisch neutral sei. Die Gründerinnen haben zusammen eine Weiterbildung zur Familientrauerbegleiterin in Luzern absolviert. Der Sitz des Vereins ist in Luzern, er versteht sich aber als deutschschweizerisches Angebot.
Trauer ist normal
«Kinder erleben Verlustsituationen immer wieder neu, auch Jahre später», sagt Eliane Bieri. Deshalb rät sie Eltern, ihre Kinder bewusst mit dem Tod zu konfrontieren und auf Beerdigungen oder in die Abdankungshalle mitzunehmen. Kinder sollen sich von Angehörigen verabschieden – auch auf ihre eigene Weise wie beispielsweise durch das Bemalen des Sarges oder das Verschenken des Spielzeugautos. «Es ist falsch, wenn man das Kind vor Trauer schützen will; wenn es nicht miteinbezogen wird, ist es verunsichert.» Man könne den Kindern die Trauer nicht wegnehmen, Trauer sei normal.
Neben Einzelberatung bietet der Verein auch Gruppenbetreuung an. Damit seien Familien mit ihrem schweren Verlust und ihrer Trauer nicht alleine, sagt Bieri, und so fänden sie im begleiteten Austausch Ideen zum Weitergehen. «Es ist wichtig, zu erfahren, dass andere das Gleiche erleben.»
Der Verein will mit seinem Engagement das Trauern wieder mehr in die Öffentlichkeit rücken. Viele trauerten heute alleine, oder gar nicht. Bei einem Kaffee im Anschluss an die Medieninformation sprechen die Vorstandsmitglieder über einen Trauerzug durch ein kleines Dorf in Italien, wo alle Anrainer kondoliert hätten. Oder beispielsweise über die eindrücklich geschmückten Kindergräber wenige hundert Meter entfernt.