
Vier Departemente erhalten neue Chefs – besonders die CVP dürfte das Ergebnis schmerzen
Die sieben Departemente und ihre grössten Herausforderungen
Eidgenössisches Departement des Innern (EDI)
Alain Berset (SP)
Das wichtigste Sozialwerk, die AHV, gerät zunehmend in Schieflage. Zwar erhält die AHV einen Zustupf à 2 Milliarden Franken. Doch tun strukturelle Reformen not, damit auch in 20 Jahren noch Renten ausbezahlt werden können. Auch die berufliche Vorsorge muss reformiert werden, um eine Umverteilung zwischen jung und alt zu stoppen. Und schliesslich stehen im Gesundheitswesen stürmische Zeiten an: Alle Parteien haben für das Wahljahr das Thema Gesundheit für sich entdeckt und bringen neue Vorschläge ein. Gleichzeitig will der Bundesrat eigene Massnahmenpakete umsetzen
2450 Vollzeitstellen und 18,4 Mrd. Franken sind im EDI für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD)
Ueli Maurer (SVP)
Dem Finanzminister stehen 2019 die grössten Herausforderungen bevor. Will die Schweiz als Firmenstandort für internationale Unternehmen attraktiv bleiben, muss sie neue Steuerregeln schaffen. Die letzte Reform ist krachend gescheitert, im zweiten Anlauf muss es aus Sicht des Bundesrats im Mai gelingen. Parallel dazu ist Ueli Maurer als Bundespräsident verantwortlich für die Europapolitik: Er muss zusammen mit Aussenminister Ignazio Cassis und Wirtschaftsminister Guy Parmelin eine Lösung im Streit um das Rahmenabkommen finden. Pikant: Seine Partei bekämpft beide Projekte.
8760 Vollzeitstellen und 15,4 Mrd. Franken sind im EFD für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Dep. für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek)
Simonetta Sommaruga (SP)
Nachdem Vorgängerin Doris Leuthard die Energiewende eingeläutet hat, die beiden Fonds für Strasse und Bahn für die Zukunft gesichert hat, sind viele Pflöcke eingeschlagen. Die grossen Linien sind vorgegeben. Es bleibt Sommaruga die Umsetzung dieser Weichenstellungen, aktuell beispielsweise das CO2-Gesetz. Als grosses offenes Geschäft bleibt das ungeliebte Mediengesetz, mit dem der Bundesrat namentlich elektronische Medien fördern will. Da es mehr Kritik als Zuspruch geerntet hat, kommt der Wechsel rechtzeitig. Vielleicht gelingt ihr eine Lösung mit einem neuen Wurf?
2263 Vollzeitstellen und 13 Mrd. Franken sind im Uvek für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Dep. für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)
Guy Parmelin (SVP)
Überspitzt formuliert, liegt die Zukunft dieses Landes in Guy Parmelins Händen. Stichwort: flankierende Massnahmen. Ihm obliegt es, mit den Sozialpartnern die Blockade in der Europapolitik aufzulösen. Einen Ausweg muss er auch mit den Bauern finden. Wenn der Exportmarkt weiterhin wachsen soll, führt kein Weg an tieferen Agrar-Zöllen vorbei. Schliesslich steuert Parmelin neuerdings auch die Bildungspolitik und muss an der Attraktivität des Standorts schaffen, um Innovation zu ermöglichen. Geplant ist für 2019 der «Aktionsplan Digitalisierung», den noch sein Vorgänger organisierte.
2114 Vollzeitstellen und 12,6 Mrd. Franken sind im WBF für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
Ignazio Cassis (FDP)
Das Thema, das seit seiner Wahl alle anderen überschattet, ist Europa. Und es wird sich wohl so schnell nichts daran ändern. Obwohl der Bundesrat mit dem Vorlegen des Rahmenvertrags Transparenz schaffen konnte, versprechen die anstehenden Konsultationen nicht nur Erfolg: Zu viel Geschirr wurde bereits zerschlagen. Dass Cassis am EDA festhält, ist nicht weiter überraschend. Nicht nur in der Europapolitik, auch bei der Entwicklungshilfe hat er eigene Pläne und will die Verteilung von Geldern überarbeiten und neu aufbauen.
5605 Vollzeitstellen und 3,1 Mrd. Franken sind im EDA für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Dep. für Verteidigung, Bevölkerungs- Schutz und Sport (VBS) Kommunikation UVEK
Viola Amherd (CVP)
Mit Viola Amherd übernimmt nicht nur die erste Frau die Führung der Armee, sie leitet mit mehreren tausend Angestellten auch das grösste Departement. Das ist alleine schon Herausforderung genug. Doch ihr wird nun auch die harzige Beschaffung neuer Kampfjets und einer neuen Bodenluftabwehr überlassen. Ein Projekt, mit dem Ueli Maurer 2014 scheiterte und das nun auch sein Nachfolger Guy Parmelin nicht zu Ende führen will. Immerhin: Amherd kann es nur besser machen. Auch im Bereich der neuen Gefahren wie Cyber-Angriffe oder Terrorismus stehen wichtige Aufgaben an.
12’155 Vollzeitstellen und 7,7 Mrd. Franken sind im VBS für 2019 budgetiert.
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
Karin Keller-Sutter (FDP)
Asyl und Migration waren die grossen Themen des Justizdepartements. Doch die Zahlen sind rückläufig, das Problem ist damit entschärft. Simonetta Sommaruga hat die Asylverfahren beschleunigt. Karin Keller-Sutters erster Kampf wird gegen die Waffennarren sein: Sie lehnen die neue EU-Richtlinie zum Waffenschutz ab und haben das Referendum ergriffen. Es geht im Grösseren um die gemeinsame Aussengrenze, um Schengen. Immerhin muss sich Keller-Sutter bei diesem Thema nicht neu einlesen. Und es ist interessanter als die anstehenden Aktienrechts- und Urheberrechtsreformen.
2603 Vollzeitstellen und 3,1 Mrd. Franken sind im EJPD für 2019 budgetiert.
Auf den grossen Erfolg folgt die grosse Ernüchterung: Nachdem die zwei Bundesrätinnen vergangene Woche mit einem Glanzresultat bereits im ersten Wahlgang gewählt worden waren, müssen sie nun bei der Departementsverteilung eine Schlappe hinnehmen.
Auch für ihre Parteien ist die Rochade von aussen betrachtet ein Dämpfer: Die CVP verliert das grosse Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) an die SP: Bundesrätin Simonetta Sommaruga will sich neuen Aufgaben stellen.
Die FDP muss die Führung über das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) abgeben, neu wird da SVP-Mann Guy Parmelin amten. Was den Neuen bleibt? CVP-Bundesrätin Viola Amherd übernimmt das ungeliebte Verteidigungsdepartement, FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter das Justizdepartement.
Der grossen Rochade ging ein hartes Ringen im Bundesrat voraus. Eigentlich hätte die Departementsverteilung schon am Freitag besiegelt werden sollen, doch der Bundesrat konnte sich nicht einigen und musste gestern deshalb noch eine Extrarunde einlegen – und die Verteilung entgegen den Gepflogenheiten per Abstimmung vornehmen.
Begrenzte Freude über Wechsel
Besonders die CVP dürfte das Ergebnis schmerzen. Die Partei kann sich zwar damit brüsten, die erste Frau an der Spitze der Schweizer Armee zu stellen. Dafür dürfte die CVP im Bundesrat aber markant an Einfluss verlieren. Mit dem VBS wird ihre einzige Bundesrätin ausgerechnet in jenes Departement abgeschoben, das den geringsten Einfluss, die wenigsten Querschnittsfunktionen und doch viele Probleme mit sich bringt.
Entsprechend ist es unbeliebt – auch Amherd wünschte es sich nicht. Ihr wurde das Departement von den Kollegen zugewiesen, per Mehrheitsentscheid, wie Vizekanzler André Simonazzi an der Medienkonferenz sagte. Trotzdem will CVP-Präsident Gerhard Pfister diese Herausforderung als Chance sehen. Amherd solle nach 23 Jahren SVP-Vorherrschaft die verkrusteten Strukturen im Departement aufbrechen (siehe Interview).
Auch die FDP ist nicht wirklich zufrieden. Fraktionschef Beat Walti verhehlt nicht, dass seine Partei gerne weiterhin das WBF verantwortet hätte. «Als Wirtschaftspartei war es unsere erste Priorität, dort die liberale Politik von Johann Schneider-Ammann fortsetzen zu können», sagt er.
Dabei war es dem Vernehmen nach ausgerechnet FDP-Aussenminister Ignazio Cassis, der den Weg für die Rochade geebnet hat: Nachdem Finanzminister Ueli Maurer dem Wunsch seines Parteikollegen Parmelin nach einem Wechsel zugestimmt hatte, soll auch Cassis den Wechsel abgenickt haben. Und weil Karin Keller-Sutter ihrem Parteikollegen nicht in den Rücken fallen wollte, gab auch sie ihr Einverständnis.
SVP im Fokus
Walti sagt: «Nun steht die SVP im Fokus. Parmelin muss zeigen, dass er sein neues Departement auch wirklich meistern kann.» Da der Verteidigungsminister sein wichtigstes Geschäft, die Erneuerung der Luftverteidigung, unfertig zurücklässt, wird ihm unterstellt, er fliehe aus dem Departement – unverrichteter Dinge.
Davon will Guy Parmelin nichts wissen: Andere Bundesräte hätten das Departement schon nach weniger als drei Jahren gewechselt, sagte er gestern. Und das Projekt Air 2030 sei auf gutem Weg. Sukkurs erhält Parmelin aus seiner Partei. Die Kampfjet-Beschaffung sei aufgegleist, sagt Fraktionschef Thomas Aeschi. Sie müsse nun von Nachfolgerin Viola Amherd weitergeführt werden. «Die SVP wird sie beim eingeschlagenen Kurs unterstützen.»
Verkehrte Welt
Das Verteidigungsdepartement hätte auch Keller-Sutter zufallen können. Eigentlich hätte sie laut Anciennitätsprinzip als Letzte wählen dürfen, weil sie eine halbe Stunde nach Amherd gewählt wurde. Dass nun Keller-Sutter nicht im VBS landete, sondern sich ins Justizdepartement rettete, zeigt, dass hier die FDP-SVP-Mehrheit ein zweites Mal spielte.
Für Keller-Sutter ist das EJPD ein Heimspiel, sie bringt viel Wissen mit, da sie von 2000 bis 2012 im Kanton St. Gallen das Sicherheits- und Justizdepartement leitete. Zusammen mit dem damaligen Justizminister Christoph Blocher verfolgte sie als Präsidentin der kantonalen Justizdirektoren in der Asylpolitik eine harte Linie.
Allerdings setzte sie in ihren sieben Jahren als Ständerätin alles daran, sich von diesem Image zu lösen. Sie schärfte ihr Profil in Sozial- und Wirtschaftspolitik und schmiedete Päckli – auch mit Links. Im WBF hätte sie diese Qualitäten ausspielen können.
Jetzt muss sie sich stattdessen wieder der Migration widmen – und Guy Parmelin dem heissen Eisen Europapolitik. Er hat den Auftrag, mit den Gewerkschaften eine Lösung bei den flankierenden Massnahmen zu finden, um das Rahmenabkommen mehrheitsfähig zu machen.
SVP hat Maximum rausgeholt
Am Schluss konnten SP und SVP jubilieren. Die beiden Parteien besetzen mit ihren Bundesräten nun die Schlüsseldepartemente. Gesundheit, Soziales und Infrastruktur sind in SP-Hand. Finanzen, Wirtschaft, Bildung und Forschung sind bei der SVP. Da erscheint der SVP-Ärger über die SP im Uvek kleinlich.
Sommaruga werde den Umwelt- und Energiebereich mit neuen Auflagen regulieren, sagt Aeschi. «Das wird mehr Geld kosten und am Schluss auf den Steuerzahler zurückfallen.» Vielleicht drückt da etwas Neid durch: Dem Vernehmen nach wollte die SVP ins Uvek drängen. Den anderen war das aber zu viel.