
Von Dagmersellen nach Santiago de Compostela: Nur einmal hatte er Blasen an den Füssen
«Ich bin dann mal weg», hat der deutsche Kabarettist Hape Kerkeling sein Buch über sein Jakobsweg-Erlebnis treffend genannt. Auch Peter Kunz war «mal weg». Dreieinhalb Monate war er fern seiner Familie allein unterwegs. Fast allein. Denn Wanderkollegen für kurz oder lang findet man immer auf dem «Camino».
Nach 2175 Kilometern Fussmarsch stand Peter Kunz am 1. Juli 2019 freudig vor der berühmten Kathedrale von Santiago de Compostela im spanischen Galicien. Er hängte weitere 90 Kilometer dran, um mit anderen Pilgern an die malerisch ins Meer ragende Landzunge am Kap Finisterre (Ende der Welt) zu gelangen und die Ankunft zu feiern. Die Erklärung für den Namen: Galicien liegt am westlichsten Zipfel des europäischen Festlands.
Der ehemalige Rektor der Gesamtschule Rothenburg und aktuelle Dagmerseller Gemeinderat ist nicht der Erste und nicht der Letzte, der den traditionsreichen historischen Weg unter die Füsse nimmt. Tausende Menschen aus der ganzen Welt sind, in normalen Zeiten, auf dem «Camino» unterwegs. Die einen absolvieren Etappen. Mutige wie Kunz starten an ihrem Wohnort.
Die lateinische Urkunde Compostela als Bestätigung
«Man muss mindestens die letzten 100 Kilometer gelaufen oder mit dem Pferd geritten sein, um die ‹Compostela› zu erhalten», erklärt Kunz. Das ist eine auf lateinisch verfasste Urkunde, die bestätigt, dass man den Jakobsweg absolviert hat. Mit dem Fahrrad müssten es 200 Kilometer sein. Als Beweis dient der Pilgerpass, in dem Kunz 120 Stempel vorweisen konnte.
Warum entschloss sich Kunz, auf Schusters Rappen durch halb Europa nach Spanien zu laufen? «Das war ein ganz alter Wunsch von mir», erzählt er, «doch drei Monate Absenz sind vor meiner Frühpensionierung Ende 2018 nie drin gelegen.» Er sei praktizierender Katholik. Doch das Religiöse sei nicht seine Hauptmotivation gewesen. «Der Weg mit seiner über 1000-jährigen Geschichte hat mich fasziniert.» Am Weg liegen unzählige interessante Städte und Kirchen. Auch viele Menschen in speziellen Lebenssituationen oder Krisen nehmen den Jakobsweg und denken wandernd übers Leben nach. Der «Camino» ist ein Mix aus Traditionen, Gemeinschaftsgefühl- und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Städte und Dörfer im spanischen Wegteil.
Peter Kunz startete am 25. März 2019, zwei Wochen nach seinem 60. Geburtstag, in Dagmersellen. Bei der lokalen Pastoralleitung holte er sich die ersten beiden Pilgerstempel: Uffikon und Dagmersellen. Uffikons Kirche ist Jakobus geweiht und das Dorf hat zwei Jakobsmuscheln im Wappen.
Via Nebikon, Genf und Frankreich nach Spanien
Danach führte sein Weg über Nebikon, Gettnau und Zell Richtung Genf, durch Frankreich und über die Pyrenäen nach Spanien. Unterwegs werde man oft von Bauern gegrüsst oder sie würden Obst bereitlegen und einem Wasser geben. «Buen Camino» ist der übliche Gruss. Kunz wanderte täglich 25 bis 30 Kilometer. Weil er mit seiner Frau viel laufe, sei er gut vorbereitet gewesen. «Was ich nicht trainiert habe, war das Rucksacktragen», erzählt er. Von den 13,5 Kilo Gepäck zu Beginn schickte er einiges in die Schweiz zurück. In der spanischen Stadt Logroño, nach 1400 Kilometern Marsch, waren seine Trekkingschuhe durchgelaufen. Er kaufte sich neue. «Davor, in Frankreich, hatte ich nur einmal Blasen an den Füssen.» Einmal stürzte er ausserdem. Ansonsten plagte ihn nichts.
Geschlafen hat Peter Kunz zumeist in Pilgerherbergen, gelegentlich gönnte er sich auch ein Hotel. Neben Wanderstöcken und Rucksack war das Handy sein treuer Begleiter und ersetzte die Landkarte. «Denn auch mit Karte kann man sich gelegentlich an einer Weggabelung verirren.» Kunz las viel auf der Reise, führte Tagebuch. Die Familie und enge Freunde liess er mit täglichen Blogeinträgen an seinen Erlebnissen teilhaben. Was Kunz fasziniert hat, war die Vielfalt der Menschen, denen er begegnet ist. Unter den sogenannten Langpilgern seien viele Leute in seinem Alter gewesen – und Junge unter 30 Jahren. Der schönste Augenblick war für den Dagmerseller Pilger, nach über 2000 Kilometern Fussmarsch vor der Kathedrale von Santiago zu stehen. Geschafft! Würde er das nochmals machen? «Den ganzen Weg nicht», sagt er rückblickend, «vielleicht Etappen.»
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