Von «Lothar» bis «Katrina»: Das Wetter hat viele Namen

Ganze 29 Jahre war Dr. Karla Wege mit ihren Wetterprognosen Abend für Abend im deutschen Fernsehen zu sehen. Die Münchnerin, die zwischen 1968 und 1997 im ZDF das Wetter präsentierte, war aber keine gewöhnliche Meteorologin, geschweige denn eine Wetterfee. Sie hat die Meteorologie im deutschen Sprachraum gewissermassen revolutioniert. Ohne sie würden wir auch den Sturm Ende Dezember 1999 nicht mit dem Namen Lothar in Verbindung bringen.

Es war im Jahr 1954, als die knapp 25-jährige Karla Wege an der Freien Universität Berlin ihr Studium in Meteorologie absolvierte. Sie regte an, den Druckgebilden in Mitteleuropa Namen zu geben. Als Vorbild diente ihr der US-Wetterdienst, der bereits im Zweiten Weltkrieg Taifune im Pazifik mit weiblichen Vornamen benannte. Damit konnte man sich einen besseren Überblick über die Wettersituation verschaffen, vor allem, wenn mehrere Taifune gleichzeitig auftraten. Tatsächlich wurden fortan auf Weges Initiative Tiefdruckwirbel mit weiblichen und Hochdruck­wirbel mit männlichen Vor­namen belegt. Zunächst wurden diese Namen nur innerhalb der Meteorologie verwendet. Als dann aber im Jahr 1990 viele starke Stürme über Mitteleuropa hinweg­zogen, wurden auch die Medien auf die Praxis der Namens­gebung aufmerksam. Die Orkantiefs «Vivian» und «Wiebke» waren somit die ersten benannten Tiefdruck­gebiete, an die sich die breite Öffentlichkeit erinnern kann. Natürlich liessen sich die Frauenrechtlerinnen nicht lange gefallen, dass schlechtes Wetter bloss mit Frauennamen in Verbindung gebracht wurde, während Heiner, Günther und Robert die «schönen» Hochdruckgebiete belegen durften. Seit 1998 gilt ein jährlich wechselnder Turnus, wonach den Hochs und Tiefs abwechselnd weibliche und männliche Vornamen gegeben werden.

Im Jahr 2002 geriet die Wetter- und Klimabeobachtung der Freien Universität Berlin in finanzielle Schieflage. Somit konnte die Wetter- und Klimabeobachtung nicht mehr 24 Stunden am Tag aufrechterhalten werden. Daraufhin ergriffen die Studenten das Ruder. Während der ersten zwei Wochen arbeiteten diese unentgeltlich. Dann kam ihnen die zündende Idee: die Wetterpatenschaften. Alle Menschen können seither für einen Geldbetrag die Patenschaft für ein Hoch- oder Tiefdruckgebiet übernehmen und diesem einen Namen verpassen. Und tatsächlich klingelte die Kasse. Bis heute verdient die Freie Universität durch die Wetterpatenschaften jedes Jahr ein stattliches Sackgeld. Ein Tief zu benennen kostet aktuell 240 Euro, für ein Hoch muss ein Pate 360 Euro aus dem Portemonnaie kratzen. Dafür erhält man dann auch eine Urkunde. Auf dem Formular, das es auszufüllen gilt, muss man unter anderem angeben, ob man den Medien für Interviews zur Verfügung stehen möchte. Wer die Patenschaft für ein Sturmtief mit grosser Tragweite übernommen hat, kann sich dem Interesse der Boulevardpresse nämlich sicher sein. Für das Jahr 2022 sind fast alle Patenschaften bereits ausgebucht. Bei den Männernamen (Hochs) sind die Anfangsbuchstaben «Y» und «Z» noch zu haben. Bei den Frauen (Tiefs) kann man noch Vornamen mit «Q», «W», «X» «Y» oder «Z» melden.

Die Tiefs Kalli, Martin, Leo und Nael sowie das Hoch Rosamunde bestimmten während der letzten Tage das Wetter über Europa. Diese Namen verdanken wir den Studenten der FU Berlin und Dr. Karla Wege. Diese ist im letzten Winter übrigens an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung verstorben.