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Was Sie alles über das Baselbieter Integrationsprogramm wissen müssen

Was Sie alles über das Baselbieter Integrationsprogramm wissen müssen

Insgesamt 1,5 Millionen Franken für zwei Jahre will der Kanton Baselland für die Erneuerung seines Integrationsprogrammes aufwenden. Die SVP hat das Referendum ergriffen. Die bz beantwortet die wichtigsten Fragen. Und Befürworter und Gegner kreuzen die Klingen.

Michael Nittnaus

Als einzige Partei hat die SVP Baselland die Nein-Parole beschlossen.

Kenneth Nars

«KIP 2bis»? Ich versteh nur Bahnhof. Was bedeutet das überhaupt?

Jeder Kanton muss seit 2014 über ein Kantonales Integrationsprogramm (KIP) verfügen. Dies, da die Integrationsförderung ausländischer Personen schweizweit als gemeinsame Aufgabe von Bund, Kanton und Gemeinden festgelegt wurde. In einem Vierjahresrhythmus werden für das KIP spezifische Integrationsmassnahmen definiert, die von allen drei Staatsebenen zusammen finanziert werden. Sie müssen acht Förderbereiche abdecken, nämlich Schutz vor Diskriminierung, Beratung, Erstinformation, Zusammenleben, Interkulturelles Dolmetschen, Sprache und Bildung, Frühe Kindheit sowie Arbeitsmarktfähigkeit. Das zweite KIP des Kantons Baselland läuft Ende 2021 aus. Für das rundumerneuerte KIP 3 brauchen Bund und Kantone aber noch Zeit bis 2024, weswegen jetzt eine Art Übergangs-KIP «2bis» für zwei Jahre gelten soll.

Was genau ist Gegenstand der Abstimmung?

Beim KIP gibt es zwei Finanzierungsarten: die vom Bund allein getragene Integrationspauschale für Personen aus dem Asylbereich und den Integrationsförderkredit von Bund, Kanton und Gemeinden. Vorliegend geht es nur um Letzteren. Er kommt für spezifische Integrationsmassnahmen auf, die ausserhalb der Regelstrukturen wie Arbeit, Schule oder Berufsbildung liegen. Dafür hat der Landrat im Frühling insgesamt 1,5 Millionen Franken für 2022 und 2023 bewilligt. Dazu kommen 200000 Franken der Gemeinden. Der Bund verdoppelt diese Summe mit eigenen 1,7 Millionen Franken – sofern Kanton und Gemeinden ihre Gelder wirklich sprechen.

Was wird mit diesen total 3,4 Millionen Franken konkret finanziert?

Die Gelder fliessen in 27 einzelne Massnahmen aus den acht erwähnten Förderbereichen. Sie sind in der Regierungsvorlage aufgelistet und beschrieben. Ein Schwergewicht liegt auf Sprache, Frühe Kindheit und Beratung, für die 80 Prozent der Mittel aufgewendet werden sollen. Mit 1,8 Millionen Franken fliessen über die Hälfte der Gelder in die Sprachförderung Erwachsener und Kinder. Der grösste Budgetposten ist mit 440’000 Franken pro Jahr die Subventionierung von Erwachsenen-Deutschkursen von regionalen Anbietern, gefolgt von 325’000 Franken für die frühe Sprachförderung bei Kleinkindern. 175’000 Franken gehen an die Beratung von Migrantinnen und Migranten durch die Non-Profit-Organisation Ausländerdienst Baselland. Diese profitiert mit rund einer halben Million Franken pro Jahr auch insgesamt am stärksten vom KIP.

Wer ist für und wer gegen das KIP 2bis?

Regierung und Landrat empfehlen ein Ja. Im Parlament war einzig die SVP – unterstützt von einzelnen Freisinnigen – gegen die Vorlage und beantragte erfolglos die Rückweisung. Deshalb war es auch die SVP, welche das Referendum ergriff. Im Nein-Komitee sitzen denn auch neben SVP-Vertretern nur vier FDPler und ein CVPler. SP, Grüne, EVP, GLP, CVP und FDP haben die Ja-Parole beschlossen.

Was wird von der SVP vor allem kritisiert?

Die Partei betont, dass es ihr nicht darum ginge, weniger Geld für das KIP auszugeben. Dem Programm fehle es aber an Kontrollmechanismen, welche die Wirksamkeit der Massnahmen überprüfbar machen. Zudem flössen die Mittel in zu viele kleine Projekte und seien noch zu wenig auf Sprachförderung fokussiert.

Was geschieht, wenn das Baselbieter Stimmvolk die Vorlage ablehnt?

Kurzfristig fällt die gesamte Finanzierung des Kantonalen Integrationsprogramms Baselland ab 2022 weg. Das bedeutet, dass die 27 Massnahmen in der heutigen Form nicht weitergeführt werden könnten. Gewisse Anbieter wie der Ausländerdienst sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Bis ein neues Programm ausgearbeitet ist, kann die Regierung aber in Eigenkompetenz bis zu einer Million Franken sprechen. Das KIP müsste jedoch reduziert werden. Gewisse Finanzierungslücken liessen sich nicht verhindern.

Hat sich das Baselbieter Integrationsprogramm (KIP) lange bewährt oder ist es bloss ineffizient? Im Pro & Contra treten die Landräte Miriam Locher (SP) und Peter Riebli (SVP) mit ihren Argumenten gegeneinander an:

Pro: «Eine nachhaltige Investition in unsere Zukunft»

Miriam Locher, Präsidentin der SP Baselland, kämpft für ein Ja zum Integrationsprogramm.

Nicole Nars-Zimmer

«Seit über hundert Jahren ist die Schweiz ein Einwanderungsland. Unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft sind auf Zuwanderung angewiesen. Das Baselbiet wird zunehmend internationaler und vielsprachiger. Für den Zusammenhalt im Baselbiet ist es wichtig, dass alle Menschen, die hier leben, arbeiten und zur Schule gehen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Dies wird mit dem Kantonalen Integrationsprogramm (KIP) gefördert, indem unterschiedliche Integrationsprojekte im ganzen Kanton finanziert werden. Das KIP besteht seit 2014 und gründet auf einem gesetzlichen Auftrag. Es ist ein bewährtes Programm, das schweizweit koordiniert wird und das in enger Zusammenarbeit mit den Baselbieter Gemeinden ausgearbeitet wurde. Die Schwerpunkte sind die Bereiche Frühe Förderung, Sprache und Beratungen. Ein unbestritten zentraler Teil der Integration ist die Sprache. Über 50 Prozent der budgetierten Gelder sind für die Sprachförderungen vorgesehen.

Unter anderem auch dafür, Kinder im Vorschulalter beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen, damit diese beim Schuleintritt die gleichen Voraussetzungen haben wie deutschsprachige Kinder. Dies stärkt die Chancengerechtigkeit und ermöglicht einen guten Unterricht für alle. Integration ist aber viel mehr als Spracherwerb. Deshalb werden mit dem KIP auch zahlreiche weitere Projekte wie Erstinformationen für neue Zugezogene oder Dolmetschdienste mitfinanziert.

Die Parteien FDP, CVP, Grüne, Grünliberale, EVP und SP sprechen sich alle klar für das Integrationsprogramm aus. Diese breite Unterstützung zeigt, das Programm hat grossen Rückhalt, auch weil sich die Massnahmen über bald zehn Jahre bewährt haben.

Eine Ablehnung des KIP hätte den Verlust von Bundesgeldern und zwangsläufig eine zweijährige Finanzierungslücke zur Folge. Das würde bedeuten, dass bewährte, über Jahre gewachsene Angebote ihre Grundlage verlieren und (teilweise unwiderruflich) gestrichen würden. Die dadurch entstehenden Lücken müssten die Gemeinden schliessen. Das würde für alle umständlicher, aufwendiger und teurer. Es braucht also kein neues Programm, das aktuelle wurde unter Einbezug der Gemeinden sorgfältig erarbeitet, basiert auf jahrelangen Erfahrungen und funktioniert.

Wir brauchen ein Ja zum KIP, damit wir im Baselbiet weiterhin ‹zämme läbe, zämme schaffe, zämmehebe› können.»

Contra: «Für eine gute Integration braucht es ein Nein»

Peter Riebli, Fraktionschef der SVP im Landrat, setzt sich für ein Nein zum Integrationsprogramm ein.

Kenneth Nars

«Das Nein-Komitee ist nicht gegen die Integration der Ausländer. Im Gegenteil: Wir fordern eine schnelle und gute Integration der Migranten, die in der Schweiz bleiben wollen und können.

Gelungene Integration bedeutet, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, unsere Sprache zu sprechen, unsere Gesetze zu beachten, die Gleichstellung von Mann und Frau und unsere direkte Demokratie anzuerkennen und sich ganz allgemein der Schweizer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen.

Da in unserem Kanton schon mehr als 36 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, ist eine erfolgreiche Integration für ein friedliches Zusammenleben unabdingbar. Dafür braucht es ein griffiges und erfolgsbasiertes Integrationsprogramm, das die Willigen gezielt unterstützt und die Verweigerer bestraft. Leider erfüllt das vorliegende Programm diese Anforderungen nicht. Der Kanton hat ein Integrationsprogramm vorgelegt, das ineffizient ist und renitente Migranten gewähren lässt.

Das Programm strotzt vor unpräzisen Formulierungen und enthält weder eine genaue Definition der Zielgruppen noch Mechanismen zur Erfolgskontrolle. Statt die Geldmittel auf wenige, dafür erfolgversprechende Integrationsprojekte – etwa Sprachkenntnisse und Akzeptanz unserer Gesetze und Sitten – zu konzentrieren, soll unser Steuergeld planlos im Giesskannensystem auf viel zu viele Kleinstprojekte ausgeschüttet werden.

Auch bei einem Nein zur Vorlage gibt es im Baselbiet weiterhin Integrationsmassnahmen. Diese zusätzlichen 1,5 Millionen Franken kantonale Steuergelder sind nur ein kleiner Teil des Geldes, das jedes Jahr in die Integrationsanstrengungen fliesst. Der Hauptanteil macht das Geld für die Regelstrukturen (Schule, Berufsausbildung, etc.) aus, und auch die Integrationspauschale, die soeben von 6000 auf 18000 Franken pro Asylfall erhöht wurde, fliesst weiterhin in unseren Kanton.

Das Kantonale Integrationsprogramm sollte diese bestehenden Strukturen ergänzen und allfällige Lücken stopfen. Diesen Anspruch erfüllt das vorliegende ineffiziente und ziellose Programm leider in keiner Art und Weise.

Deshalb: Stimmen Sie am 28. November Nein zu diesem Programm, sodass der Regierungsrat die Gelegenheit erhält, zielgerichtete und erfolgsbasierte Massnahmen auszuarbeiten.»

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