Weil die Untersuchung des Bundes schockiert: So will der Bund den Schweizer Sport fairer machen
Weil die Untersuchung des Bundes schockiert: So will der Bund den Schweizer Sport fairer machen
Die von Bundesrätin Viola Amherd in Auftrag gegebene Untersuchung zum Turnskandal von Magglingen kommt zu einem verehrenden Schluss und berichtet von einem kranken System. Deshalb will der Bund und Swiss Olympic einiges umkrempeln.
Viola Amherd sagt es unmissverständlich: «Wir unterstützen den Leistungssport, aber nicht um jeden Preis. Die Würde der Athletinnen und Athleten stehen an erster Stelle.» Die Bundesrätin hat mit ihrem Eingreifen nach der Bekanntmachung von verehrenden Zuständen im Kunstturnen und der Rythmischen Gymnastik eigenhändig eingegriffen. Elf Monate später sitzt sie im Medienzenter des Bundeshaus und sagt: «Wir wollen vorwärts schauen und aufzeigen, wo wir Verbesserungen erreichen wollen.»
An einer gemeinsamen Medienkonferenz stellten Bundesrätin Viola Amherd, Matthias Remund, Direktor des Bundesamt für Sport, und Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic ein umfassendes Massnahmenpaket vor. Eine davon ist die bereits publik gemachte neue national Meldestelle mit dem Namen Swiss Sport Integrity, die am 1. Januar 2022 ihren Betrieb aufnehmen soll. Weitere Massnahme sind die Schaffung eines Controlling Systems innerhalb der Sportverbände, Kinder- und jugendgerechte Nachwuchsfördermodelle sowie der Einbezug der Eltern, die eine entscheidende Rolle innerhalb der Spitzensportförderung von Talenten gehört.
Auch rechtlich soll sich etwas Gewichtiges im Umgang mit Ethikverstössen im Sport ändern: Das Bundesamt für Sport unterbreitet dem Bundesrat eine Teilrevision der Sportförderverordnung. Sie soll unter anderem festlegen, welche Mindestanforderungen im Bereich sicherer und fairer Sport die Verbände erfüllen müssen, wenn sie Subventionen des Bundes beanspruchen. Damit sollen problematische Situationen auch rechtlich besser gemeistert werden können.
Der Turnskandal von Magglingen ist nicht nur einer, der gegen die damalige Führung des Turnverbandes spricht und schon gar nicht nur gegen die betroffenen Trainerinnen und Trainer. «Das Problem sind nicht Einzelpersonen, sondern das System», stellt Ofebia Wettstein der Rudin Cantieni Rechtsanwälte fest. Sie, die die Untersuchungen des Bundes betreffend der Skandale untersuchte, kam zu einem verheerenden Schluss: Nicht nur im Kunstturnen und der Rhythmischen Gymnastik, sondern auch in anderen Sportarten ist es zu groben Verstössen gekommen.
Die Rechtsanwälte haben in der von Amherd in Auftrag gegebenen Untersuchung insgesamt 2500 Dokumente gesichtet und 108 Befragungen durchgeführt. Dazu kommen anonyme Reihenbefragungen in den Sportarten Kunstturnen, Trampolin, Eiskunstlaufen, Turmspringen und Synchronschwimmen. Es ist die bis heute grösste Untersuchung bezüglich Ethikverstösse im Schweizer Sport.
Die Resultate sind vernichtend: Fast jede fünfte befragte Person gab an, im Training oder im Wettkampf schon angeschrien oder beschimpft worden sein. Jede Zehnte sagte, dass sie oder er so ignoriert worden sei, dass es verletztend gewesen sei. Und 15 Prozent der Athletinnen und Athleten mussten trotz Verletzungen trainieren oder an Wettkämpfen antreten. Besonders erschreckend sind hierbei übrigens die Zahlen in der Sportart Synchronschwimmen. So gaben 15 Prozent der befragten Synchronschwimmerinnen an, nicht ohne Angst ins Training gehen zu können. «In dieser Sportart muss man genau hinschauen», so Wettstein.
Insgesamt stellte die Untersuchung fest, dass die bestehenden Strukturen in Bezug auf die Durchsetzung ethischer Grundsätze ungenügend sind. Ein Problem sei zum Beispiel, dass die von Swiss Olympic verteilten Gelder an sportliche Erfolge gebunden seien. Dadurch handle es sich weniger um ein Förderungssystem, sondern eher um ein Belohnungssystem der Sportarten. Der Erfolgsdruck steige dadurch gerade für kleinere Sportarten enorm. Dieser Druck werde dadurch an Athletinnen und Athleten weitergegeben.
Beim Schweizerischen Turnverband, bei dem seit der Publikmachung der Vorfälle kein Stein auf dem anderen blieb und die Führungspersonen ausgewechselt wurden, zeigt man sich über die angekündigten Veränderungen erfreute. STV-Direktorin Béatrice Wertli sagt: «Die Verbindlichkeit der Massnahmen freut uns. Wir sind überzeugt, dass es möglich ist Topleistungen zu bringen ohne die Ethik zu verletzen.»