Wer folgt auf SP-Präsident Levrat? Die Stärken und Schwächen der möglichen Nachfolgerinnen

Gleichstellung ist zwar ein Uranliegen der Sozialdemokraten. Allerdings sind die Grünen bei der Besetzung von Spitzenposten die besseren Frauenförderer. Sie selbst nennen sich die «Avantgarde der Gleichstellung» und verweisen gerne darauf, dass die Grünen als erste nationale Partei eine Präsidentin hatte – und seither mehr Präsidentinnen als andere Parteien.

Die SP hatte bisher zwei Präsidentinnen: Ursula Koch (1997–2000) sowie Christiane Brunner (2000–2004). Und heute scheint bereits klar, dass auf Levrat eine Frau folgen muss. Ultimativ fordert dies der Bündner Neo-Nationalrat Jon Pult: «Die Mehrheit unserer Wählerinnen und Parlamentarierinnen sind Frauen. Zudem ist für eine Partei der Gleichstellung Abwechslung wichtig. Eine Frau an der Spitze bildet die Realität unserer Partei und auch die Bedürfnisse unserer Wähler besser ab.»

Pult will es zwar nicht an Kritik an Levrat verstanden wissen, doch er hält auch fest: «Im aktuellen Wahlkampf hatte es ein mittelalterlicher, etablierter Mann in der progressiven Hälfte des Spielfeldes einfach schwieriger». Kommt dazu, dass das zweite nationale Spitzenamt ebenfalls von einem Mann besetzt ist. Der Waadtländer Nationalrat Roger Nordmann führ die Bundeshausfraktion.

Wer sind also die Frauen, die im nächsten Frühling auf Levrat folgen könnten? Eine Übersicht:

Flavia Wasserfallen, 40, Bern

Der «Tages-Anzeiger» hat heute die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen als Kronfavoritin ausgerufen. Die 40-jährige war während sechs Jahren Co-Generalsekretärin der Partei und politisiert nun seit 2018 in der grossen Kammer. Während der Freiburger aus dem ländlichen Greyerzerland kommt, steht Wasserfallen für die urbane SP. Sie lebt in der Stadt Bern. Wasserfallen gilt als politisch erfahren, stark vernetzt und als gute Kommunikatorin. Sie hat ein Handicap: Die Bernerin gilt als Levrat-nah. Hat sie sich als Nationalrätin genug von ihrem Förderer emanzipiert? Das ist die grosse Frage. Denn will die Partei einen Neuanfang, könnte ihr die Nähe zum Nachteil gereichen.

Barbara Gysi, 55, St. Gallen

SP-Nationalrat Cédric Wermuth fordert es zumindest klausuliert: Einen Generationenwechsel an der Spitze der SP. Damit kommt die St. Gallerin Barbara Gysi als Nachfolgerin kaum in Frage. Auch sieht gehört als Vizepräsidentin zum aktuellen Leitungsteam der Partei, die das schlechte Wahlresultat mitverantworten muss. Zudem wird moniert, es fehle ihr an Ausstrahlung.

Nadine Masshardt, 35, Bern

Besser sind die Karten für die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt. Die 35-jährige ist bereits seit vier Jahren Vize-Fraktionschefin und hat sich einen guten Ruf erarbeitet. Trotz ihrer langen Parlamentserfahrung auf allen drei Staatsebenen wird sie tendenziell unterschätzt. Doch als Wahlkampfleiterin hat sie an Statur gewonnen und mit gewinnenden öffentlichen Auftritten überzeugt. Auch Masshardt lebt in der Stadt Bern und hat zwei kleine Kinder. Parteiintern geht man davon aus, dass sich die Bernerin eher für das Fraktionspräsidium interessiert.

Mattea Meyer, 32, Zürich

Eine mögliche Kandidatin ist Mattea Meyer. Die bald 32-jährige Zürcher Nationalrätin trägt trotz ihres jungen Alters bereits einen grossen politischen Rucksack mit sich. Sie war vier Jahre Mitglied des Zürcher Kantonsrats bevor ihr 2015 der Sprung nach Bern gelang. Sie war zudem Vizepräsidentin der Juso. Und das ist vielleicht ihr grösster Nachteil. Meyer steht für den linken Parteiflügel. Sie kritisierte etwa die Steuer-AHV-Vorlage als faulen Kompromiss. Gezimmert hatte ihn just SP-Präsident Levrat zusammen mit der CVP.

Cédric Wermuth, 33, Aargau

Meyer wird oft als mögliche Co-Präsidentin genannt – zusammen mit dem Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth. Die beiden sind sehr gut befreundet. Während zwei Jahren (2009 – 2011) stand das Duo an der Spitze der Juso; Wermuth als Präsident, Meyer als Vizepräsidentin. Ob sie viel Nähe für ein Co-Präsidium gut ist, würde sicher für Diskussionen in der Partei führen. Für jene SPler, die sich zudem eher eine Öffnung hin zur Mitte wünschen, ist solch ein Co-Präsidium sicher nicht die Wunschvorstellung. Ob sich die beiden durchsetzen könnten, hängt sehr damit zusammen, welche Schlüsse die Partei aus der historischen Wahlniederlage zieht. Meyer und Wermuth haben beide kleine Kinder. Ein Co-Modell könnte den gesellschaftlichen Wandel abbilden und aufzeigen, wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert werden kann.