
Wie die Nati die Herzen ihrer Fans zurückgewinnt
Wie die Nati die Herzen ihrer Fans zurückgewinnt
Die Schweizer Fussballer lösen mit ihrer WM-Qualifikation Begeisterung aus. Nationaltrainer Murat Yakin ist ein Glücksfall für das ganze Land. Warum passt er so gut zur Nati? Eine Spurensuche.

Es ist der Tag nach dem unvergesslichen Spiel. Luzern erwacht langsam. Der Jubel und die Freude der letzten Stunden noch in bester Erinnerung. «Guten Morgen Schweiz, wir hatten eine kleine Party letzte Nacht!», steht unter einem Video geschrieben, dass die Verantwortlichen der Schweizer Nati ins Internet stellen. Auf den Bildern ist zu sehen, wie Nationalspieler und Teambetreuer ausgelassen tanzen und singen. So, wie sich das nach einer Meisterleistung eben gehört. Und nichts weniger als das ist die Qualifikation der Schweiz für die WM 2022 in Katar.
Es war ein Abend voller Emotionen, voller Euphorie. Als Nationaltrainer Murat Yakin Worte für das Erlebte zu finden versucht, verstummt er zwischendurch voller Ergriffenheit. «Ich muss die Ereignisse zuerst noch realisieren. Ich bin einfach dankbar, diese Momente erleben zu dürfen», sagt er bald einmal. Und später: «Selbstverständlich werde ich mir eine Zigarre gönnen, vielleicht auch zwei.» Er lacht herzhaft dazu.
Während Europameister Italien im Tal der Tränen liegt, schreibt die Schweiz eine nächste erstaunliche Geschichte in diesem ohnehin schon geschichtsträchtigen Jahr. Erst 142 Tage ist es her, seit sich die Nati zum ersten Mal in der Neuzeit für einen Viertelfinal qualifiziert hat. Nun ist bereits das nächste Highlight Tatsache. Die Schweizer Fussballer haben es damit geschafft, an neun der letzten zehn grossen Turniere teilzunehmen. Die Endrunde, die in einem Jahr und vier Tagen beginnt, ist die fünfte in Serie – Schweizer Rekord. Garantiert sind damit Prämien von etwa acht Millionen Franken. Es ist Geld, das der Verband in Zeiten der Pandemie gut gebrauchen kann. Aber auch Yakin persönlich darf sich freuen. Sein Vertrag als Nationaltrainer verlängert sich nach der geschafften WM-Qualifikation automatisch bis zum Ende der EM 2024.
Wollten Sie schon immer einmal ein VIP sein? Mit Freundinnen und Freunden in einer privaten Loge einem spannenden Spiel folgen und sich dabei richtig verwöhnen lassen? Dann machen Sie mit an der Verlosung einer FCL-Loge für eine ganze Freundesgruppe für das Spiel FC Luzern gegen FC Basel vom 28. November. Hier gehts zur Verlosung
Das Volk und seine Nati: gute Zeiten, schlechte Zeiten
Die Bilanz der Schweizer Fussballer über die letzten Jahre ist herausragend. Die Zahlen sprechen für sich. Doch manchmal ist es mindestens so spannend, die Stimmungslage hinter den Fakten zu erörtern. Dabei wird schnell offensichtlich: Diese Schweizer Nati ist gerade dabei, die Herzen der Bevölkerung zurückzugewinnen.
Nun kann man es sich natürlich einfach machen und einwenden: Totale Euphorie zum Ende der EM im Sommer! Frenetischer Empfang am Flughafen! Stolz im ganzen Land! Und überhaupt: Viermal hintereinander an WM oder EM die Gruppenphase überstehen, das ist doch erstaunlich für ein kleines Fussball-Land wie die Schweiz.
Gewiss. Doch so schön die Erfolge auf dem Papier auch aussehen, in den letzten Jahren gab es rund um die Nati immer wieder Misstöne. Man muss sich nur die Stimmungslage nach der letzten Qualifikation für eine WM in Erinnerung rufen. 2017 hagelte es in der Barrage Schweiz-Nordirland Pfiffe des Schweizer Publikums gegen Haris Seferovic. Sie stahlen Spielern und Trainer Vladimir Petkovic die Magie des Moments.

Nachdem Petkovic die Schweiz im Anschluss an die EM verliess, sagte er im Interview mit dieser Zeitung: «Ich gehe als Sieger – das kann mir niemand mehr nehmen.» Es waren Worte, die tief blicken liessen. Die von einem ambivalenten Verhältnis zeugen. Von Jahren, die man ganz treffend so zusammenfassen könnte: gute Zeiten, schlechte Zeiten.
Der unendliche Stolz von Nationaltrainer Murat Yakin
Ob Balkan-Graben, Barrage-Pfiffe, Doppel-Adler oder Coiffeur-Affäre – irgendetwas trübte die guten sportlichen Leistungen immer. Es waren Geschichten, die weder an den Beteiligten noch an den Fans spurlos vorbei gingen. Nicht umsonst sagte Petkovic direkt im Anschluss an die EM, als er noch Nati-Trainer war und die lang ersehnte Euphorie endlich spürte flehend: «So sollte die Stimmung immer sein.»
Und nun, knapp viereinhalb Monate später, ist tatsächlich so etwas wie eine anhaltende Euphorie rund um die Nati zu beobachten. Es hat einiges mit Murat Yakin zu tun. Natürlich, auch er ist angewiesen auf Resultate, das ist jeder Nationaltrainer. Ansonsten verstummt der Beifall rasch. Aber es gibt inzwischen einige Indizien, warum er diesem Team und diesem Land auch weiterhin ganz gut tut.
Zunächst einmal ist da Yakins eigene Geschichte. Wie viele Nati-Spieler auch ist er als Secondo in der Schweiz aufgewachsen. Und er war selbst Schweiz Nationalspieler. An der EM 2004 – damals begann die bemerkenswerte Serie von Nati-Teilnahmen an grossen Turnieren – spielte er noch selbst im Nati-Dress. Diese Biografie macht ihn vor dem Team authentisch.

Dazu kommt seine riesige Lust auf dieses Amt. Yakin verpasst keine Gelegenheit, zu betonen, wie viel ihm der neue Job bedeutet. Nicht, weil er denkt, dass solche Sätze besonders gut ankommen. Sondern, weil er wirklich so fühlt. Er besucht Fussballstadien, er fährt im Zug durch die Schweiz, er strahlt in die Kameras, er plaudert gerne mit den Leuten. Dazu geniesst und schätzt er den Kontakt mit seinen Spielern. Nach 15 Jahren als Klubtrainer darf er nun der Trainer für alle Schweizer sein. Er geht in dieser Rolle regelrecht auf.
Auch mit dem Team trifft er die richtigen Töne. Yakin beklagt sich nicht über Probleme, wenn Spieler wegen Verletzungen oder Sperren fehlen. Sondern er sieht Lösungen und schenkt Vertrauen. Sein Führungsstil kommt gut an. Es stört gewiss niemanden, wenn er auch einmal ein bisschen Gelassenheit zulässt. Kurz: Yakin hat in seinen ersten drei Monaten angedeutet, dass er auf der sehr guten Arbeit von Vorgänger Petkovic aufbauen und das Team weiterentwickeln kann. Und die Nati tritt so unbekümmert auf wie es ihr Coach ist.
Bei Yakin ist Scheitern nie ein Thema
Als Yakin am 9. August als neuer Nationaltrainer vorgestellt wurde, sagte er: «Die Nati hat an der EM eine extreme Leidenschaft vermittelt. Das möchte ich weiterführen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir miteinander grosse Erfolge feiern können.» Kein Wort über die Möglichkeit eines Scheiterns.
Die Qualifikation für die WM 2022 ist das erste Erfolgskapitel in seiner Geschichte als Nationaltrainer. Es muss nicht das letzte sein. Denn diese Nati ist mit Yakin weiterhin ein Versprechen.