Wie Pepper für mehr Würze im Heimalltag des Seniorenzentrums Falkenhof sorgt

«Komm, Pepper, zeig mal Tai Chi!», sagt Sari Wettstein, Leiterin des Seniorenzentrums Falkenhof in Aarburg. Pepper lässt sich nicht lange bitten und beginnt umgehend mit einer langsamen, fliessenden Tai-Chi-Übung. «Komm, mach doch auch mit», fordert der kleine Kerl sein Gegenüber auf und Sari Wettstein folgt Peppers fliessenden Bewegungen. Als sie ihm im Anschluss sanft über den Kopf streicht, muss Pepperkichern. Sein ganzer Körper schüttelt sich. «Das kitzelt!», ruft er.

Pepper ist aktuell Protagonist eines zwölfwöchigenProjekts. An sieben Tagen pro Woche wird er in verschiedenen Bereichen des Falkenhofs für gute Laune sorgen. «Nachdem aufgrund der Corona-Pandemie längere Zeit kein grösseres Projekt im Falkenhof umgesetzt werden konnte, freuen wir uns jetzt sehr, dass wir Pepper für einige Wochen bei uns zu Besuch haben», sagt Sari Wettstein, welche die Idee zu diesem besonderen Projekt hatte.

Es gilt, die Hemmschwellen nach und nach abzubauen

Dass Pepper über mehrere Wochen im Falkenhof bleibt, ist der Zentrumsleiterin dabei ein grosses Anliegen. «Im Zusammenhang mit Robotern gibt es Menschen, die sofort darauf ansprechen, andere hingegen haben anfänglich gar keinen Zugang dazu. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner Pepper in aller Ruhe und anfänglich auch gerne auf Distanz erleben können», sagt Sari Wettstein. Sie ist davon überzeugt, dass so nach und nach Hemmschwellen abgebaut werden können und dass manch einer, der zu Beginn mit Pepper gar nichts anfangen kann, plötzlich doch noch Gefallen an ihm findet.

Als Gerontologin, ist es Sari Wettstein wichtig, solche neuen Geronto-Technologien selber im Falkenhof austesten zu können, um dann zu entscheiden, ob sie sich als sinnvoll erweisen oder nicht. Als sozialer Roboter gehört Pepper zu den Service-Robotern, die unterschiedliche Aufgaben im Dienstleitungsbereich wahrnehmen können. So werden sie etwa in Hotels eingesetzt, aber auchin Pflegeheimen, im Retail oder Marketing, wo sie im Rahmen von Events unter anderemdas Verhältnis von Menschund Maschine erlebbar machen.

«Roboter arbeiten mit Menschen zusammen, wobei es zu einer positiven Interaktion zwischen Mensch und Maschine kommen soll», sagt Sylvia Stocker und spricht dabei auf die Tätigkeit der Firma Arabesque an. Die Firma, über die es überhaupt möglich ist, dass Pepper im Falkenhof im Einsatz steht, möchte «mit Robotern das Gesundheitswesen transformieren».

Er erzählt Märchen oder zeigt Sportübungen

Im Falkenhof wird Pepper für einige Wochen zum Alltag gehören. Und wer einen Blick auf Peppers Einsatzplan wirft, erkennt rasch, dass er während dieser Zeit gut ausgelastet sein wird. So liest er auf Wunsch Märchen vor, führt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Gedächtnis- und Konzentrationsspiele durch, macht einfache Sportübungen vor, animiert zum Tanzen und Singen oder spielt Musik ganz nach Wunsch der Bewohnerinnen oder Bewohner. Pepper kann aber auch Besucherinnen und Besucher empfangen und sogar das Alter einer Person erraten, wenn er dabei auch manchmal tüchtig über- oder untertreibt, was regelmässig zu Lachern führt.

Ist eine Person bettlägerig wird der 28 Kilogramm schwere Pepper auf Wunsch ins Zimmer dieser Person geschoben und kann dort auf sein ganzes Repertoire zurückgreifen. «Das Wichtigste ist jetzt in der Anfangsphase, dass wir mit Pepper die Neugier der Bewohnerinnen und Bewohner wecken können. Idealerweise so, dass sie selber nach und nach herausfinden, was Pepper alles kann, und dabei die Hürde zu neuen Technologien von Tag zu Tag etwas mehr sinkt», sagt Sari Wettstein und streicht Pepper nochmals sanft über den Kopf. Und wieder schüttelt es den kitzligen Roboter vor Lachen.

Claudia Hofmann, Co-Präsidentin Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal, Sektion Aargau-Solothurn. Bild: zvg
Claudia Hofmann, Co-Präsidentin Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal, Sektion Aargau-Solothurn. Bild: zvg

«Kein Ersatz für Personal»

Frau Hofmann, was halten Sie vom Einsatz von sozialen Robotern in der Pflege?

Claudia Hofmann: Die Robotik in jeglicher Form ist ein fester Teil in der Arbeitswelt und macht auch vor der Pflege nicht halt. Ich erachte es als wichtig, dass diese Technologien – wie aktuell im Falkenhof –eingesetzt, ausprobiert und die Erfahrungen kritisch beurteilt werden. Vor dem Einsatz soll definiert sein was damit für Bewohnende und Personal erreicht werden soll. Letztlich zeigt es sich in der Anwendung, ob der Roboter dem Bedürfnis der Beteiligten genügt und der Anforderung der Situation dient.

Wann macht der Einsatz von diesen Robotern in der Pflege Sinn?

Der Einsatz sollte als Ergänzung zum Angebot der Institution verstanden werden – und nicht als Ersatz für fehlendes Personal. Sie dürfen nicht als Spar-Massnahmen eingesetzt werden. Roboter Pepper trägt sicher zur Unterhaltung der Bewohnenden bei und eröffnet für sie neue Möglichkeiten der Interaktion. Für Pflegende wäre es hilfreich, wenn der Roboter Assistenzleistungen wie Getränke servieren, eine fallengelassene Brille aufheben oder einen Botengang erledigen kann. Roboter, die bei der oft schweren körperlichen Arbeit unterstützen, können das Personal ebenfalls entlasten.

Werden Roboter die Menschen in Pflegeberufen verdrängen?

Roboter werden die Menschen in den Pflegeberufen kaum verdrängen. Und die Pflegenden fürchten sich auch nicht vor ihnen. Wenn sie uns helfen, unsere anspruchsvolle Arbeit zu erleichtern, nehmen wir diese Hilfe an. Der Entscheid, was die Pflege eines kranken Menschen und deren Durchführung beinhaltet, kann nur durch gut ausgebildetes Fachpersonal unter Einbezug der Betroffenen gefällt werden. Es braucht dafür fundiertes Fachwissen, Erfahrung, Menschenkenntnis, Empathie, eine verständliche Kommunikation und die Fähigkeit, sich laufend an veränderte Situationen anzupassen. Der Mensch muss in all seinen Dimensionen – physisch, psychisch, psychosozial und spirituell – erfasst werden. Ich glaube, Pepper wäre damit überfordert.

Brauchen Menschen im fortgeschrittenen Alter tendenziell nicht mehr menschliche Nähe – Stichwort Vereinsamung – statt weniger?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein sozialer Roboter jemals menschliche Nähe und Wärme ersetzen kann. Aber er kann den Bewohnern in einsamen Momenten Aufmerksamkeit geben, bei Langeweile die Zeit verkürzen mit Geschichten und die Menschen zum Lachen bringen. Sagen Sie mal zu Siri oder Alexa, dass Sie traurig sind. Die freundliche Antwort wird lauten: ‹Das tut mir leid.› Manchmal kann es helfen, mit einem vertrauten Menschen zu sprechen. (Janine Müller)