Wie weiter nach dem Krach? Vier Antworten zum Besuch von Aussenminister Cassis in Brüssel

Nach dem Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen hängt der Haussegen schief zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. In Brüssel ist man nachhaltig verstimmt darüber, dass der Bundesrat Ende Mai vom Verhandlungstisch aufgestanden ist. Trotzdem – oder gerade deswegen – reist Cassis heute in die EU-Zentrale.

1. Wen trifft Cassis in Brüssel?

Um zehn Uhr morgens stand ein Treffen mit dem österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn auf dem Programm. Die beiden kennen sich gut, da Hahn vom vorherigen Kommissionschef Jean-Claude Juncker als Ansprechperson abgestellt wurde. Es kam zu mehreren informellen Treffen, etwa in Cassis Heimatkanton, dem Tessin, oder an den Salzburger Festspielen. Offiziell war der Schweizer Aussenminister jedoch noch nie in Brüssel zu Gast.

Am späteren Nachmittag trifft Cassis Josep Borrell, den Hohen Beauftragten für Aussenpolitik und Vize-Präsidenten der EU-Kommission. Der Spanier wäre rein formell eigentlich für die Beziehungen zur Schweiz zuständig. Allerdings hat Juncker die Schweiz damals zur Chefsache erklärt und das Dossier an sich genommen.

Haben einiges zu bereden: Hahn und Aussenminister Cassis (2.v.r)

Haben einiges zu bereden: Hahn und Aussenminister Cassis (2.v.r)

Keystone

2. Was ist das Ziel des Besuchs?

Es geht darum, nach dem Scheitern des Rahmenabkommens den Faden wiederaufzunehmen. Cassis möchte einen neuen «politischen Dialog» etablieren, also einen regelmässigen Austausch zwischen der EU-Kommission und dem Bundesrat zu offenen Fragen. Ob die Kommission dafür Hand bietet, ist ungewiss. Nachdem man sieben Jahre verhandelt habe, sei es merkwürdig, wenn die Schweiz nun einen Dialog forderte, ist zu hören. Beide Seiten spielen die Erwartungen für das heutige Treffen denn auch herunter. Es handle sich um ein «informelles» Gespräch und sicher nicht um Verhandlungen. Es gibt nicht einmal eine offizielle Gesprächsagenda.

3. Wo sind die grössten Baustellen?

Die Situation ist schwierig: Die EU-Kommission blockiert die Teilnahme der Schweiz an den EU-Forschungsprogrammen, was die Schweizer Universitäten und Hochschulen unter Druck bringt. Brüssel macht die Forschungskooperation von der Zahlung des 1,3 Milliarden Franken Kohäsionsbeitrag abhängig, den die Schweiz in den Augen der EU seit Jahren schuldet. Für den Bundesrat ist es aber nicht leicht, das Geld freizubekommen: Das Parlament hatte nach dem Entzug der Börsenanerkennung durch die EU-Kommission einen Riegel geschoben. Die SVP lehnt einen Kohäsionsbeitrag grundsätzlich ab. Aber auch in den bürgerlichen Mitteparteien gibt es Skepsis. Daneben gibt es Streit wegen der Einschränkung des EU-Marktzugangs für Schweizer Medizinaltechnikbranche.

4. Wie geht es weiter?

Die EU-Kommission hat angekündigt, nach dem Aus des Rahmenabkommens erst einmal eine Denkpause einzulegen. Die Beziehungen zur Schweiz werden gegenwärtig in ihrer ganzen Breite analysiert und die bilateralen Abkommen auf ihre Relevanz für den Marktzugang durchleuchtet. Im Herbst will die Kommission den EU-Mitgliedsstaaten einen Bericht vorlegen und das weitere Vorgehen abstimmen.